Berg-Tataren
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Als Bergtataren oder Bergtürken (tatarisch: Dağtatarları, Dağtörklär; türkisch: Dağtatarları, Dağtürkleri) bezeichnete man vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert die heutigen Völker der Karatschaier und Balkaren.
Ferner grob zusammenfassende Sammelbezeichnung des frühen 20. Jahrhunderts für die Aseri-Türken, Balkaren und Kumyken, Karatschaier, Mescheten und Nogaier sowie für die Urumer.
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[Bearbeiten] Namensherkunft:
Seit dem 13. Jahrhundert war es bei den Russen und West-Europäern üblich, alle Völkerschaften als »Tataren« zu bezeichnen, die ihren Ursprung in den Steppengebieten Zentralasiens hatten. »Bergtatare« war demnach eine weitere Sammelbezeichnung für die verschiedenen Turkvölker.
[Bearbeiten] Religion:
Die eigentlichen Bergtataren sind überwiegend seit dem 19. Jahrhundert sunnitische Hanafiten, nur die im weitesten Sinne zu den Bergtataren zugerechneten Aseri-Türken sind bereits seit dem 8. Jahrhundert islamisiert und hauptsächlich den schiitischen Imamiten angehörig; ein kleinerer Teil von ihnen gehört den Ismailiten an.
[Bearbeiten] Größe:
Insgesamt gehörten rund 12,8 Millionen Personen zur Gruppe der »Bergtataren«.
[Bearbeiten] Sprache:
Sprachlich gehören die Bergtataren der westtürkischen oder Kyptschak-Gruppe der Turksprachen an und bilden mit den Mescheten den Übergang in die südtürkischen oder Oghus-Gruppe, da diese bereits eine Variante des Türkeitürkischen sprechen.
[Bearbeiten] Alphabete:
Zwischen dem 10. und 16. Jahrhundert benutzten die Bergtataren verschiedene Schriftsysteme, die sich aus der armenischen und georgischen Schrift ableiteten.
In der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert diente den Bergtataren das osmanische »Reichstürkisch« mit seinem persisch-arabischen Alphabet als Hochsprache. Seit ihrer Islamisierung benutzten die Bergtataren sich entweder des Kumykischen oder des Aseri-Türkischen als Schriftsprache.
Im 19. Jahrhundert wurde das arabische Alphabet der »bergtatarischen Dialekten« angepasst.
1922/29 erfolgte die Übernahme des »einheitlichen türkischen Alphabetes« und die Annahme eigener nationaler Schriftsprachen. Seit 1938/40 wurde auch bei ihnen infolge des verstärkten Russischunterrichtes in der Region das kyrillische Alphabet zwangseingeführt, das dem jeweiligen Sprachgebrauch angepasst wurde.
1989/90 gedachten große Teile der Bergtataren, im Zuge der Re-Islamisierung auch das arabische Alphabet wieder einzuführen; dieses Vorhaben wurde aber Ende 1990 wieder aufgegeben und die Bergtataren kehrten zum kyrillischen Alphabet zurück.
2000-2003 wurde bei den Bergtataren verschiedene Lateinalphabete eingeführt, die sich entweder am Türkei-türkischen oder am aseri-türkischen orientieren. Diese werden nun neben den kyrillischen gebraucht und man gedenkt, diese Lateinalphabete bis 2010 endgültig einzuführen.
[Bearbeiten] Geschichte:
Die wohl ersten türkstämmigen Völkerschaften kamen im Zuge des »Hunnensturmes« des 2. und 3. Jahrhunderts in die Regionen der Bergtataren. Sie gehörten zu jener Zeit zum Reiche der kaukasischen Ovs und diese wurden im 4. Jahrhundert durch die Hunnen unterworfen.
Nach dem Ende des Hunnenreiches gehörten die späteren Bergtataren seit dem 5. Jahrhundert der Altyn Oba Horde an, einer Stammesföderation verschiedener türkischer Völkerschaften, die die Nachfolge der Hunnen antrat. Im 6. Jahrhundert wurden die Siedlungsgebiete der Bergtataren dem Reich der Chasaren angegliedert, wo sie bis zum 9. Jahrhundert auch verblieben.
Im 9. Jahrhundert fielen die Magyaren ins Land und gründeten auf dem Boden der Bergtataren das »Reich des Malqan Khan«.
Im 10. Jahrhundert gehörte das Siedlungsgebiet der Bergtataren zu den christlichen Königreichen Georgien und Armenien sowie zum Perserreich, das den Süden beherrschte.
Im 11. Jahrhundert wurden die späteren Bergtataren durch die türkischen Seldschuken unterworfen und waren verschiedenen Atabegs unterstellt, die nach dem Untergang eigenständige Reiche gründeten.
1219/23 fielen die Mongolen Dschingis Khans (mongolisch: Chinggis Qan, türkisch: Cingiz Han) in die Kaukasusregion ein und ab 1243 gehörten diese Gebiete zur späteren »Goldenen Horde«; sie unterstanden aber de facto seit 1260 den Herrschern der Nogaier-Horde.
Im 13. und 14. Jahrhundert ließen sich zahlreiche Mongolen und Türken im Kaukasus nieder und sie begannen teilweise, die Vorbevölkerung in sich aufzunehmen…die »Bergtataren« sind demnach die Nachfahren jener Völkermischung.
1375-1405 waren die Gebiete der Bergtataren dem Reich Timur-i Lenks angeschlossen und gehörten nach dessen Tode verschiedenen turkmenischen Stammesföderationen an, die dort die Nachfolge antraten: u. a. der »Schwarzen Hammel«.
Im 15. und 16. Jahrhundert waren die Siedlungsgebiete der Bergtataren zwischen dem Persischen und dem Osmanischen Reich umkämpft und vom Norden her, meldeten die Russen erste Ansprüche auf den Kaukasus an.
In der Zeit zwischen 1510 und 1522 wurden die Gebiete der Bergtataren von den Osmanen unterworfen. Osmanisches »Reichstürkisch« wurde nun Amtssprache bei den Bergtataren.
1555 wurden die Bergtataren erstmals von den persischen Safawiden unterworfen und konnten sich erst im 17. Jahrhundert befreien. Doch bereits 1736 versuchte der persische Herrscher Nadir Chan Afshar den erneuten Versuch, das Gebiet der Bergtataren zu erobern. Persisch wurde nun bei den Bergtataren und den benachbarten Kaukasiern Amtssprache.
1747 wurde von verschiedenen Kaukasusfürsten Nadir Chan der Treueeid verweigert und dieser rüstete zu einem Heerzug gegen die Abtrünigen auf. Aber nun wurde der perisische Schah Nadir kurz vor beginn des Feldzuges ermordet und das Gebiet der Bergtataren war eine Zeitlang wieder selbständigen Khanen unterstellt. Doch bereits 1783 versuchte der Kadscharenherrscher Aga-Mohammed von Persien aus den Kaukasus zu unterwerfen und diesen wieder dem Persischen Reich einzuverleiben. Teile der Bergtataren suchten nun den Schutz des benachbarten Russlands und wurden dessen Vasallen.
1795 fiel Aga-Mohammed in Ostgeorgien ein und unterwarf in kurzer Zeit die Kaukasusregion. Nun schritten die Russen ein: Auf Befehl Katharina der Großen wurden die Perser innerhalb von fünf Jahren vertrieben und um 1800 galt der Kaukasus wieder als »perserfrei«.
1801 unterstellten sich die ersten Kaukasusfürsten der russischen Direktherrschaft und wurden vom russischen Zar als »Gouverneure« in ihren Stammesgebiete eingesetzt.
1878 wurde das Gebiet der Bergtataren nach Beendigung der Persisch-Russischen Kriegen zwischen Russland und Persien entlang des Arak geteilt; die nördlichen Gebiete gehörten nun zum Russischen und die südlichen zu Persien. Russland entdeckte nun den »muslimischen Markt« in Persien und Turkestan und setzte nun verstärkt Tataren, Baschkiren und Krimtürken bei den Bergtataren als Dolmetscher ein, auch kamen nun tatarische Händler zu diesen: Aufgrund der ethnisch-sprachlichen Nähe der Tataren und Bergtataren war es nun leicht möglich, die Bergtataren endgültig zu islamisieren. Doch mit der Eroberung Turkestans durch Russland wurde der Weg über den Kaukasus nach Persien nicht mehr benötigt und die Bergtataren wurden nun verfolgt und entrechtet.
1917 schlossen sich die Bergtataren zur einer »Nordkaukasischen Föderation« zusammen, die jedoch 1918 wieder aufgelöst wurde. Sie gehörten nun im Rahmen einer ASSR zur Russischen Föderation.
In der Zeit zwischen 1921 und 1936 wurden die Siedlungsgebiete der Bergtataren auf verschiedene Autonome Sowjetrepublike (ASSR) aufgeteil: ASSR Dagestan (1921), Adscharische ASSR (1921), Kabardo-Balkarische ASSR (1936). Ein Teil der Bergtataren bildete seit 1920 die SSR Aserbaidschan.
1944 wurden die Bergtataren von Stalin nach Sibirien zwangumgesiedelt, da Teile von ihnen mit der kurzfristigen deutschen Besatzungsmacht zusammenarbeitete.
1967 durften die Bergtataren wieder in die alten Siedlungsgebiete zurückkehren.
Mit dem Zusammenbruch der UdSSR wurden sich die Bergtataren ihrer nationalen Eigenart wieder bewusst und schlossen sich 1989/90 zu zahlreichen Bürgerbewegungen zusammen. Diese forderten 1991 die nationale Unabhängigkeit der Bergtataren im Rahmen Russlands und die Bildung einer türkisch-tatarischen Kaukasusföderation, die auch das nördliche Aserbaidschan umfasst hätte. Diese ökonomisch-kulturelle Kaukasusföderation wurde von den Bergtataren »Union der Bergtataren« (aseri-türkisch: Dağtatarlari Birliqi) genannt und in dieser Union hätte das moderne Aserbaidschanisch die Rolle einer »Gemeinschaftssprache« gehabt. Doch aufgrund des erwachten aserbaidschanischen Unabhängigkeitsbestreben zur völligen politischen Unabhängigkeit brach diese Union bereits 1992 wieder auseinander.
Der Iran förderte nun seinerseits 1989/91 die Re-Islamisierung und –Arabisierung (bezüglich des Schriftsystems) der Kaukasusregion. Das wurde ihm vom Westen allgemein als »Erneuerung seines einstigen Einflussgebietes« argwöhnisch beobachtet, da man eine Radikalisierung und die Schaffung einer »Islamischen Kaukasusrepublik« nach iranischen Vorbild vorwarf. Doch so einfach darf man es sich hier nicht machen: Der Iran war und ist für die Beibehaltung des staatlichen Status-Quo gegenüber den Nachfolgestaaten der UdSSR, da er (wohl zurecht) befürchten muss, dass der NATO-Partner Türkei seinen ethnisch-kulturellen Einfluss auf die Kaukasusregion erneuern und ausbauen will; auch leben im Iran weit über 20 Millionen Türken verschiedener Herkunft, deren Gros, die Aseri-Türken und Turkmenen, ein geschlossenes Siedlungsgebiet an der ehemaligen iranisch-sowjetischen Grenze besitzen. Die iranischen Aseri-Türken forderten nun 1989 erstmals seit 1917 wieder die Vereinigung mit dem damals noch sowjetischen Nordaserbaidschan! Dieses galt es in den Augen Teherans um jeden Preis zu verhindern.
Mit der Unterzeichnung des Föderationsvertrages (1992) steht den Bergtataren im Rahmen Russlands eine weitgehende Autonomie zu, während sich die Türkei nun als »offizielle Schutzmacht« der Bergtataren betrachtet.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Lexikon der Weltbevölkerung, 2000
- Politisches Lexikon GUS, 1992
- Eine Weltmacht zerbricht - Nationalitäten und Religionen in der UdSSR, 1990