Burg Sternberg
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Die Burg Sternberg liegt im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen an der Westgrenze der Großgemeinde Extertal in 315 Meter Höhe auf einem Vorsprung des Dörenberges. Sie bietet einen Ausblick über das Lipperland bis zum Teutoburger Wald.
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Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Burg Sternberg Alte Mauern im neuen Gewand
Die ältesten Fundamente der Ringmauer der Burg Sternberg lassen sich durch keramische Funde in die Zeit um 1100 datieren. Diese Umfassungsmauer wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts erheblich verbessert und ausgebaut, in diesem Zeitraum sind an der Innenseite der Mauer Stampflehmböden und Pfostenkonstruktionen nachweisbar. Die Errichtung eines steinernen Wohnturms an der Nordwestecke kann für den Beginn des 13. Jahrhunderts angenommen werden. Urkundlich belegt ist der Besitz der Burg durch Heinrich Graf von Sternberg für das Jahr 1252, sie trägt diesen Namen auch nach dem Tode des letzten Sternberger Grafen im Jahre 1399 weiter. 1405 fielen Burg und Grafschaft Sternberg an die Edelherren zu Lippe in deren endgültigen Besitz sie im Jahre 1788 überging. Die Fürsten zu Lippe führten seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts umfangreiche Erweiterungsbauten durch, sie errichteten den Südturm und gestalteten den Nordturm in seiner heutige Form um. Um 1750 entstand der Mittelbau als Verbindung der beiden Turmbauten Freiherr von Donop fügte zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Auftrag der Fürstin Pauline zu Lippe den Anbau am Südturm hinzu.
Der Landesverband Lippe hat in den Jahren von 1998 bis 2003 umfangreiche Bau- und Renovierungsarbeiten an der Burg Sternberg vorgenommen, wobei dem Denkmalschutz eine herausragende Rolle zukam. Sowohl bei der Entkernung der Gebäude als auch bei der Verwendung der Materialien für den Innenausbau hat man die Ergebnisse der Bauforschung und der archäologischen Ausgrabungen berücksichtigt und sich an den historischen Vorbildern orientiert. Heute erstrahlen die alten Mauern der Burg Sternberg wieder im Glanz feinster Handwerkskunst, gleichzeitig spiegeln die notwendigen Installationen wie Heizung, Beleuchtung und Sanitäranlagen den Stand modernster Technik wider.
Die Burg Sternberg kann als Veranstaltungsort für kulturelle Aktivitäten und feierliche Anlässe auf eine lange Geschichte zurück blicken. Schon im 15. Jahrhundert ist an den baulichen Veränderungen zu erkennen, dass der Befestigungscharakter zugunsten einer repräsentativen Bauweise in den Hintergrund trat. Vom Grafen Simon VI zur Lippe wird berichtet, dass er 1598 die Taufe seiner vierten Tochter, Ursula, mit 400 Gästen auf der Burg feierte. Im späten 19. Jahrhundert wurde Burg Sternberg als Ausgangspunkt fürstlicher Jagdgesellschaften genutzt. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat ein Herr Heinrich aus Linderhofe einen Gastronomiebetrieb im Torhaus der Burg eingerichtet und dort die ersten bürgerlichen Feste mit Musik und Tanz abgehalten. Ab 1935 wurde Sternberg als Schulungsstätte der SS genutzt, wo den Ehefrauen der höheren Chargen die Parkettsicherheit auf Empfängen und ähnlichen offiziellen Anlässen nahe gebracht wurde. Peter Harlan, der Bruder des Regisseurs Veit Harlan, bekam 1943 als Luftwaffenoffizier das Kommando über die Burg, die er entgegen seinen Befehlen beim Einmarsch der alliierten Truppen 1945 nicht zerstörte, sondern durch Übergabe vor dem sicheren Untergang bewahrte. Dieser Akt von Zivilcourage wurde mit lebenslangem Wohnrecht für ihn und seine Familie belohnt.
1949 gründete Peter Harlan die Musikschulungsstätte Burg Sternberg, der ab 1962 eine Jugendherberge angegliedert wurde, die bis 1978 Bestand hatte. Die Kurse zur Musikerziehung und die Vorführungen der historischen Instrumente der Sammlung Peter Harlan wurden bis 1990 von seinen Kindern Till und Gundula durchgeführt. Diese Aufgabe übernahm der Verein Musikburg Sternberg und setzt sie bis heute erfolgreich fort.
1996 veranstaltete der Landesverband Lippe ein Symposion zur weiteren kulturellen Nutzung der Burg Sternberg, dessen Ergebnis die 1998 begonnene Renovierung und das bis heute gültige Konzept der multifunktionalen Nutzung der Burg sowohl als kultureller Veranstaltungsort mit dem Schwerpunkt Musik, ebenso auch als Rahmen für Seminare, Workshops und private Feierlichkeiten ist. Nach Beendigung des ersten Bauabschnitts im Jahre 2001 veranstaltet das Institut für Lippische Landeskunde, stellvertretend für den Landesverband Lippe, eine eigene Konzertreihe mit dem Schwerpunkt Alte Musik und Klassik. Hochkarätige Künstler, wie das Bremer Kaffeehausorchester oder historische Ensembles unter der Leitung von Prof. Jürgen Grüner wurden hierfür verpflichtet. Seit dem Ende der Renovierungsarbeiten im April 2003 unterhält das Institut für Lippische Landeskunde eine Nebenstelle auf Burg Sternberg, wo die unterschiedlichen kulturellen Angebote koordiniert werden. Die bestehende Zusammenarbeit mit dem Detmolder Kammerorchester wurde ausgebaut, es sei hier nur auf das Orchesterkonzert unter der Leitung von Prof. Fischer hingewiesen, ebenso hochkarätige Musikveranstaltungen waren die Konzerte des Klarinettisten Florian Stubenvoll und vor allem das des Claudius Popp am Violoncello ( ex Ludwig Hölscher). Erstmals konnte das Landestheater Detmold mit seinen Produktionen der Kleinen Bühne Grabbe-Haus präsentiert werden. Sowohl das Schauspiel mit Musik „Hildegard Knef – eine Femmage“ von Franziska Ball, als auch Pam Gems „Edith Piaf Chansons“ fanden ein begeistertes Publikum, des Weiteren ist ein Oper- und Operettenkonzert für den 20. Juni diesen Jahres gebucht. Im zweiten Halbjahr kommt erstmals die Sparte Kabarett mit Auftritten von Erwin Grosche und Fabian Lau hinzu, welche in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro OWL realisiert werden. Ab dem 26. Juni wird der Instrumentenbauer Walter Waidosch seine Werkstatt auf der Burg einrichten und im Zusammenhang mit der Eröffnung des „Klingenden Museums“ die Instrumente der Sammlung Peter Harlan dauerhaft zugänglich machen, sowie Seminare zur Reparatur historischer Instrumente anbieten.
Neben der kulturellen Nutzung der Burg stehen die Räumlichkeiten der Oberburg auch für private Feierlichkeiten zur Vermietung. Hochzeiten mit standesamtlicher Trauung finden dort ebenso regelmäßig statt wie Jahreshauptversammlungen, Geburtstage, Taufen und andere gesellige Anlässe. Dieses Angebot wird gern genutzt, so dass sich für größere Gesellschaften ein Vorlauf von ca. sechs Monaten ergibt.
Aufgrund ihrer einzigartigen Lage und ihres historischen Ambientes hat sich die Burg Sternberg in den letzten Jahren zu einem bevorzugten Veranstaltungsort für kulturelle und feierliche Anlässe entwickelt, welcher durch die Qualität des Angebotes und den regen Zuspruch des Publikums den Vergleich mit anderen Orten gleicher Güte nicht scheuen muss.
Bei Fragen zu Veranstaltungen und Vermietungen wenden Sie sich bitte an die Kulturagentur des Landesverbandes Lippe, 05261-250242, oder Nebenstelle Burg Sternberg 05262-99490,oder unter www.burg-sternberg.de Ihr Ansprechpartner ist Frank Jendreck.
Wahrscheinlich wurde die Burg Sternberg um 1240 von den Grafen von Schwalenberg als neuer Hauptsitz erbaut, die sich künftig Grafen von Sternberg nannten.
Die erste Fundstelle für ein Sternberger Wappen als Urkundesiegel sowie Nennung des ersten Sternberger Grafen, Heinrich der I. von Sternberg, stammt von 1252. Die erste urkundliche Erwähnung der Burg findet sich 1266.
Im 14. Jahrhundert wurde die Burg von 1370-1404 an die Grafen von Schaumburg verpfändet. Seit 1405 befindet sie sich in lippischen Händen. Urkunden belegen, dass die Burg 1444 zerstört wurde, aber daraufhin neu aufgebaut wurde. Im 16. Jahrhundert überließ Graf Bernhard VIII. zu Lippe (1527-1563) die Sternberger Ämter Schieder, Barntrup, Schwalenberg und Sternberg seinem Bruder Graf Herrmann Simon von Pyrmont (1532-1576). Dieser residierte auf Schloss Pyrmont und Burg Coppenbrügge und nutzte die Burg Sternberg für größere Feiern.
Während des Dreißigjährigen Krieges bezog 1632 ein General mit seinen Soldaten Quartier auf der Burg. Im Jahre 1636 wurde die Burg Sternberg beschossen. Am Ende des Krieges in den Jahren 1648/49 lebten die Grafen Johann Bernhard und Hermann Adolph zu Lippe gemeinsam auf der Burg.
Im 18. und 19. Jahrhundert gab es Instandsetzungen und Bauarbeiten auf der Burg Sternberg, die bis 1918 zu Lippe-Detmold gehörte.
Im 20. Jahrhundert (1920/21) wurde in der Amtsstube der Burg eine Jugendherberge eingerichtet.
[Bearbeiten] Der Zweite Weltkrieg
In den Jahren 1939 bis 1945 wurde die Burg Sternberg als Bräuteschule, als Kriegsgefangenenlager und als Luftwaffenersatzteillager genutzt.
Im Jahre 1943 erhielt der Luftwaffenoffizier Peter Harlan, der Bruder des Regisseurs Veit Harlan das Kommando über die Burg. Entgegen seinen Befehlen, die Anlage beim Einmarsch der alliierten Truppen zu sprengen, bewahrte er sie durch Übergabe vor der Zerstörung. Dieser Akt von Zivilcourage wurde mit lebenslangem Wohnrecht für ihn und seine Familie belohnt.
[Bearbeiten] Lebenslauf Peter Harlan
Dieser Lebenslauf besteht aus itaten von oder über Peter Harlan, bitte beachtet die Quellenangaben am Ende jedes Zitates.
Peter Harlan ( 1898 – 1966 )
„Elternhaus und Wandervogelbewegung haben mein Leben bestimmt. Mein Vater, Walter Harlan, der Dichter des „Nürnbergisch Ei“, des „Jahrmarkt in Pulsnitz“, kam als Dramaturg zum Lessingtheater nach Berlin, wo ich 1898 geboren wurde. Gerhardt Hauptmann, Hermann Bahr, Julius Bab, der Historiker Hans von Delbrück gingen bei uns ein und aus – der Theologe Adolf von Harnack, der Architekt Peter Behrens und viele Leute vom Theater, Eduard von Winterstein zum Beispiel und Heinz Hilpert, der, als ich ihn durch meinen Bruder Veit (1) kennenlernte, noch Schulmeister war. ... Früh kam ich zum Wandervogel, gehörte zur Urgruppe Berlin-Steglitz, die Karl Fischer selbst gegründet hatte. Heraus aus der Stadt – zurück zur Natur – Zupfgeigenhansel – Zupfgeige, das hat mich schon als Sextaner tief bewegt, und der Wunsch kam auf, Instrumentenmacher zu werden. So ging ich .... zu Ernst Kunze, dem späteren Obermeister der Zupfinstrumenten-Innung in die Lehre. 1921 aber machte ich mich in Marktneukirchen selbstständig, weil das, was ich bauen wollte, in keiner Werkstatt zu lernen war.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
(1) Veit Harlan, UFA-Regisseur, realisierte Propagandafilme wie „Jud Süß“, „Kolberg“ aber auch „Das geheimnisvolle Herz“ nach der literarischen Vorlage seines Vater Walter Harlan. ( Anm. d. Verf. )
„Auf den Trümmern einer großen bürgerlichen Epoche nach der Katastrophe des ersten Weltkrieges, eigentlich aber schon in der heftigen Opposition der ersten Wandelvogelzelle Steglitz 1901, entsteht jene radikal jung denkende und handelnde, kompromißlos optimistische kulturelle Erneuerungsbewegung, in die Peter Harlan hineingeboren wird und die er, in enger Verbindung mit ihren Protagonisten, ihren oft heftigen Richtungsstreiten und Parteiungen, ein halbes Jahrhundert lang entscheidend mitprägen sollte.“
„Die Rückbesinnung auf das „Echte und Wahre“, wie man es im Volkslied, in den Denkmälern der „alten“ Musik zu finden glaubt, bringt den neuen Entwurf einer Gegenkultur zum bürgerlichen Konzert- und Musikvereinsbetrieb. Der „Zupfgeigenhansel“ bewirkt nicht nur beim jungen Peter Harlan eine Leidenschaft für das Singen zur Gitarre, er wird zur Vision einer besseren Welt. Und eine Reise nach Weimar mit seinem Lehrer, dem Organisten Franz Wagner, weckt die Begeisterung für Goethes Klavichord, das verstimmt im Gartenhaus steht. Daraufhin beschließt Peter Harlan, Schule und Abitur an den Nagel zu hängen, um Instrumentenbauer zu werden. Als „Gitarrentischler“, wie es der Vater abschätzig bezeichnet, beginnt Peter Harlan eine Gitarrenbaulehre bei Obermeister Ernst Kunze in Marktneukirchen, fertigt in Serie die Muscheln der Wandervogellauten, sucht aber neben der Tagesarbeit in einer eigenen Werkstatt, seinen Traum von dem „was ich wirklich wollte“, der Neuentdeckung der Instrumente des 16. Jahrhunderts, zu verwirklichen.
Fritz Jöde: Interview mit Peter Harlan, Protokoll der Tonbandaufzeichnung aus dem Archiv der Jugendmusikbewegung, Wolfenbüttel, o.J.
„Enge Verbindung hielt ich mit dem Instrumentenbauer Fritz Wildhagen, der köstliche alte Instrumente besaß, mit den musikwissenschaftlichen Seminaren, besonders mit dem Seminar von Prof. Dr. Willibald Gurlitt, der 1921 nach den Angaben, die Prätorius in seinem Buch „Syntagma misucum“ überlieferte, die erste „Prätoriusorgel“ bauen ließ. Wie Gurlitt damals zur Barockorgel kam, die heute als die „moderne“ Orgel anerkannt ist, so kam ich über dieses Instrumentenbuch des Prätorius, das ich schon als Knabe gelesen und bewundert hatte, zu den Blockflöten, Fideln, Gamben, Klavichorden und anderen Instrumenten.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
„Durch den Freiburger Professor Gurlitt lernt Harlan die Blockflöte kennen und fertigt 1921 das erste Exemplar. Dazu besorgt er sich von Curt Sachs, damals Sammlungsleiter des Berliner Musikinstrumentenmuseums, eine alte Barockblockflöte des Nürnberger Meisters Jakob Denner als Vorbild. ... Dabei passieren ihm beim „herumdoktern“ aus „Mangel an Kenntnissen“ solche „plumpvertraulichen Fehler wie die Entwicklung der „Verrücktheit der sogenannten deutschen Griffweise“ bei der Blockflöte. Ein Fehler, den Harlan selbst, vor allem nach der Bekanntschaft 1925 mit den Pionieren der alten Musik in England, der Familie Dolmetsch, wieder ausbügelt. Die deutsche Griffweise ohne die für Anfänger etwas schwierigen Gabelgriffe hatte aber schon, trotz ihrer problematischen Intonation, für den Bedarf der Schulmusik ihren vorläufigen Siegeszug angetreten.: als „Bärenreiter-Blockflöte“ aus den „Harlan-Werkstätten“ für etwa 4 Reichsmark.“
Fritz Jöde: Interview mit Peter Harlan, Protokoll der Tonbandaufzeichnung aus dem Archiv der Jugendmusikbewegung, Wolfenbüttel, o.J.
„Schmunzelnd zeigt uns Harlan seine erste Blockflöte und erklärt:“ Sie hat inzwischen 100 Millionen Nachkommen, die von Amerika bis zur Sowjetunion geblasen werden.“ Mit dieser Blockflöte erregte Harlan das Interesse eines namhaften Berliner Musikwissenschaftlers, und 1925 erhielt er eine Einladung, im Auditorium Maximum der Berliner Universität einen Vortrag über sein Instrument zu halten. Die „BZ am Mittag“ schrieb damals: “Was der kleine Harlan uns da vorgeblasen hat, ist ja sehr reizend, er soll sich aber nur nicht einbilden, daß so ein einfaches Instrument ohne Klappen volkstümlich werden kann.“.....Als er viele Jahre später in einer öffentlichen Veranstaltung vom Reichskulturminister Rust vor dem Mikrophon coram publico gefragt wurde: „Die Blockflöte ist doch sicher ein urdeutsches Instrument?“ antwortete Peter Harlan: „Herr Minister, da ist nichts zu machen, das haben schon die alten Ägypter geblasen.“
Günther Schürmann: Besuch beim Vater der Blockflöte, in Westfalenspiegel Heft 11, Dortmund, 1954.
„Harlan baut ... 8-Saitige Gitarren in D, auf der auch die neu entdeckten Lautenwerke Bachs spielbar werden, aber ebenso doppelchörige Lauten, Klavichorde, Cembali. Neben wertvolleren Instrumenten für den Export entstehen Schulgamben im ganzen Stimmwerk als „Bärenreiter-Gamben“ sowie 3-saitige Viellen in Quintstimmung. Doch Harlan geht noch einen Schritt weiter: Aus Mangel und Not während des zweiten Weltkrieges – eine Schule in Elbing benötigte einen Gambenchor – konstruiert er in Vereinfachung des „organischen Grundgerüstes der Gambe“ und den Proportionsverhältnissen des „goldenen Schnitts“ die Fidel „ die wichtigste meiner Taten“. Zusammen mit dem als Leiter eines Arbeitsdienstlagers in Tennsee bei Mittenwald tätigen Karl Frank bauen sie mit den Männern des Arbeitsdienstes jene Instrumente „in gotischer Form“, die, mit leichten Stahlsaiten über einer dachförmigen Decke bezogen, als neue Volksinstrumente neben der Blockflöte mit ihrem silbrig stillen Klang und der leicht zu erlernenden Spielweise nach dem Krieg die zukunftsweisenden Laieninstrumente werden sollten. Auf Lehrgängen in ganz Europa verbreiten Frank und Harlan diese bewußt unhistorischen „Fideln“ – ein Gegensatz zur historischen „Fiedel“ des Mittelalters – für den Selbstbau, verbunden mit dem gleichzeitigen Erlernen ihrer Spielweise und ihre Anwendung im Fidelchor. Mehr als die Familie der Violinen, die für Harlan ein „veraltetes Klangideal“ darstellen, glaubt er in der Fidel das „Klangideal unserer Zeit“ gefunden zu haben, mit dem den alten, volkspädagogischen Zielen der Jugendbewegung ein zukunftsträchtiges Mittel mit gemeinschaftsbildender Kraft gewidmet werden soll. Bachs „Kunst der Fuge“, Hindemiths „Ludus tonalis“ – nun mit Laien erreichbar. Eine Vision?“
Fritz Jöde: Interview mit Peter Harlan, Protokoll der Tonbandaufzeichnung aus dem Archiv der Jugendmusikbewegung, Wolfenbüttel, o.J.
„Nach dem Krieg ließ ich mich im Lipperland, auf der alten sagenumwobenen Burg Sternberg nieder, wo ich das Gepäck meiner Truppe, welche in Holland stationiert gewesen war, im letzten Kriegsjahr in Sicherheit gebracht hatte.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
„Und das war ein Glück für Burg Sternberg. Der Mann, der sonst die feingliedrigen Instrumente baute, wurde nun plötzlich „Burgkommandant“ auf dem Sternberg in Lippe. Er erhielt drei große Fässer Benzin und den Befehl, die Burg beim Rückzug zu verbrennen.“
Günther Schürmann: Besuch beim Vater der Blockflöte, in Westfalenspiegel Heft 11, Dortmund, 1954.
„Peter Harlan, mein Vater, war als Bewacher des Luftwaffenersatzteillagers eingesetzt. „Dienstreise nach Burg Sternberg, Rückreise entfällt“. Er betonte bis an sein Lebensende, daß er diesen Befehl unaufhörlich befolge.“
Klaus Harlan: Lippische Sehenswürdigkeiten Heft 1, Lemgo 1974
„Die Burg war für die Projekte, die er plante, ideal, und so verpachtete sie ihm der Lippische Landespräsident ( Heinrich Drake ,Anm. d.V.) 1946 für 280 Deutsche Mark.“
Christian Althoff: Familienschatz hinter Burgmauern, LZ, 10./11. August, Detmold 1996.
„In den Schulferien führe ich nun auf Burg Sternberg Musikkurse durch: .... Im Mittelpunkt steht die Fidel, denn sie ist für die Hausmusik das Instrument, welches den Geigen im modernen Orchester entspricht. ....wer aber eine Fidel zu spielen gelernt hat, der kann ohne weiteres auch die anderen Instrumente (verschiedener Größen ) spielen, denn die Fideln sind alle gleich gestimmt und werden alle aus der gleichen Spielhaltung heraus gespielt.“
„Da der Kreis der empfindsamen Menschen sich nicht mehr auf bestimmte Gesellschaftsschichten beschränkt, die empfindsamen Menschen heute sogar meist ein schmaleres Portemonnaie haben, als es unserer prosperierenden Zeit entspricht, so müssen wir zu einfachen Instrumenten kommen; es dürfen dies aber keinesfalls „vereinfachte“ Instrumente sein. Das wertvolle Einfache bedingt sich von innen.“
„Wir improvisieren auch zusammen und komponieren; denn was wäre das für ein Sprachvertrauter, der etwa von einer erlernten Sprache nur klassisch geformte Sätze lesen, sich aber gar nicht in der Sprache unterhalten könnte.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
Harlan-Werkstätten
„Dr. Einstein beginnt in seiner Untersuchung des Gambenspiels der Alten einen Abschnitt: “Das Spiel auf der Gambe war wesentlich Improvisation“; so baue ich auch heute im allgemeinen die Gambe nicht für Leute, welche auf einen Gambenpart angewiesen sind, sondern für solche, die sich den Tenorpart aus irgendeiner Stimme heraushören können oder die auch mit dem Instrument irgendeine Melodie oder Baßstimme abspielen oder improvisieren wollen, wie es ihnen in den Weg kommt, also für Lautenisten die nun mal das Griffbrett kennen und beim Hausmusizieren irgendeine Lücke damit ausfüllen wollen.“
Peter Harlan, Zur Frage der Hausmusik-Instrumente, in :Die Singgemeinde, 2. Jg., 1925.
„Ein rechter Gambenchor, wird, wie der Name schon sagt, in der Knien gespielt, auch das kleinere Instrument. Dadurch bekommt der ganze Chor eine Einheitlichkeit, was die Deklamation der verschiedenen Stimmen anbetrifft. Eigentlich ist dieser Gambenchor am meisten dazu geeignet, sich zu den Blockflöten zu geselllen, besonders seit ich diesen Gambenchor in ganz schlichter Art zu sehr niedrigen Preisen herstelle.“
Peter Harlan, Alte Musikinstrumente, in: Nagels Hausmitteilungen für Musikfreunde Nr. 2, Hannover, 1931.
„Wir haben aber auch viele historische Instrumente gebaut, um damit die Partiturforderungen etwa Bachs oder Monteverdis zu erfüllen; wir bauten dann einfach uns bekannte Instrumente der jeweiligen Zeit und jeweiligen kulturellen Umwelt nach. .... Doch die Musikinstrumente des Mittelalters sind uns meist nur auf Bildern überliefert. Nun aber, nur auf Grund von Bildern Instrumente, die wir niemals gehört haben und deren Spielweise wir nicht kennen, nachzukonstruiren, ist eine mißliche Sache. Viele Studien sind notwendig, um „malerische“ Instrumente von „abgebildeten“ unterscheiden zu können. Die Instrumente beispielsweise, die auf dem Genter Altar der Brüder van Eyck zu sehen sind, können wir nachbauen; die des Isenheimer Altars von Grünewald nachzubauen, wäre absurd, da es diese Instrumente in jenen Zeiten gar nicht gab. Die Instrumentenarten des Mittelalters gehörten zu den jeweiligen Gesellschaftsklassen; es waren keine "Werkzeuge", sondern sie entsprachen dem Wesen der Stände wie Kleidung oder Tracht. So sind die Modelle meiner Lauten, Gitarren, Gamben, Fideln, Klavichorde keine Nachbildungen historischer Instrumente, sondern aus dem Vertrautsein mit der Historie neu gewachsene Instrumente für unsere Schul- und Hausmusik.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
„Konrad Ameln berichtet von einem Konzert des „Folkwang-Studio für alte Musik“ mit Glaser, Wöhl und Wenzinger und hebt die von ihnen gespielten Gamben aus der Harlan-Werkstatt im Gegensatz zu den übrigen im Konzert gespielten Gamben hervor und bemerkt Verbesserungen im Instrumentenbau.“
Das Quinton, das an sich schon ein Zwitter zwischen Gamben- und Violinenfamilie ist, ... scheint in der Jugendmusikbewegung sehr großes Interesse geweckt zu haben und im Anfang ein Wegbereiter der Fidel gewesen zu sein. Harlan stellt das Quinton, das bei seiner „Wiederbelebung“ zunächst wohl nur „da bracio“ gespielt wurde, auch als „Armviole“ oder „Geigenviole“ vor.
Sandra Zydeck: Die Wiederentdeckung von Gambe und Fiedel im Umkreis der Jugendmusikbewegung, Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades einer Magister Artium, Fakultät für Geschichtswissenschft, Ruhr-Universität Bochum, Mönchengladbach, 1997
„Als Altinstrument schlage ich ein von mir gebildetes Instrument vor, welches sich schon jahrelang nicht nur in den Harlan-Lucas-Konzerten als besonders schön und brauchbar erwiesen hat, sondern auch in mancher anderen Musikantengruppe: das Quinton.“
„Dieses Instrument ist durch seinen Tonumfang für unseren Zweck fast das universalste. Eine Oktave tiefer als die Geige, reicht es noch unter die heutige Bratsche, die ja, wie alle Instrumentenbauer beklagen, ein quälendes Konstruktionsproblem ist, und mit der fünften und höchsten Saite noch in den Bereich der Geige, die ja ein Sopraninstrument ist.“
„Ein wesentlicher Vorteil für das Quinton ist die für jeden einigermaßen sicheren Geiger ohne weiteres mögliche Spielbarkeit, während die Gambe in Quartz-Terz-Stimmung vom Cellisten immer ein gewissen Umdenken und vom Lautenisten die Gewöhnung an den Bogen verlangt.“
Peter Harlan: Zur Frage der Hausmusik-Instrumente, in : Die Singgemeinde, 2. Jg. 1918.
„Die erste Kniefiedel baute Till Harlan, der Sohn Peter Harlans als Lehrling in der Marktneukirchener Werkstatt Harlans im Jahre 1943; das achtförmige Instrument hatte bereits eine Dachdecke: Aufgrund der Beschaffungsschwierigkeiten von Gamben in den Kriegsjahren, ist es möglich, das Peter Harlan es in Erwägung gezogen hatte, mit der neuen „Kniefiedel“ als Gambenersatz den Instrumentenmangel an einer Hochschule zu beheben. Dieser erste Fiedeltypus wurde jedoch nicht in Serie gefertigt.“
„1945 schuf Harlan mit einem neuen Kniefiedelmodell ...der „Tennseefidel“, das diesen Namen erhalten hat, weil es in einem Arbeitsdienstlager am Tennsee bei Mittenwald erstmals von einer größeren Laiengemeinschaft im Selbstbau hergestellt wurde, die Grundlage für eine größere Verbreitung der Kniefiedel. „
In seiner „Fidel-Fibel“ stellt Harlan in den 1950er Jahren zwei Modelle vor: Die „Eckige Fidel nach dem Werkbogen herausgegeben von Peter Harlan im Bärenreiter Verlag“ sowie die „Werkstatt-Fidel aus der Peter Harlan Werkstatt, Burg Sternberg“, die offenbar auch „Sternberg-Fidel“ oder „Harlan-Fidel“ genannt wurde.
Sandra Zydeck: Die Wiederentdeckung von Gambe und Fiedel im Umkreis der Jugendmusikbewegung, Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades einer Magister Artium, Fakultät für Geschichtswissenschft, Ruhr-Universität Bochum, Mönchengladbach, 1997
Musikalische Tradition der Burg Sternberg
„Noch bevor Feldmarschall von Pappenheim hier mit hundert Pferden nächtigte und Gerhard Kleinsorge, der von dem berüchtigten Hexenbürgermeister aus Lemgo verbrannt wurde, hier beim Geigenspiel vergessen suchte, lebte auf der Burg Graf Simon VI. von Lippe, einer der großen Mäzene und Bauherren der Weser-Renaissance und Freund seiner großen Zeitgenossen Tycho de Brahe und Kepler. Von Graf Simon VI. erhielt auch ein angesehener Kirchenkomponist und Musiktheoretiker der Renaissance große Aufträge: Michael Prätorius. Ein Kirchenmusikwerk von Prätorius, das dem Grafen Simon gewidmet ist, trägt das gleiche Wappen, das sich über dem Portal der Burg Sternberg befindet.“
Günther Schürmann: Besuch beim Vater der Blockflöte, in Westfalenspiegel Heft 11, Dortmund, 1954.
„Zwei Jahre später stellte ich anläßlich eines von Dr. Erich Valentin und mir eingerichteten Praetoriusfestes fest, daß Michael Prätorius den Herrn auf Sternberg im ausgehenden 16. Jahrhundert, den Grafen Simon VI. von Lippe, in seiner Widmung zu den „Musae Sioniae“ „Fautor et promotor“ (Gründer und Weitertreiber) der edlen Kunst der Musik genannt hatte, und als ich das noch Wappen des Grafen in der großen Gesamtausgabe des Prätorius fand, wußte ich, daß mich ein beziehungsvolles Schicksal hierher gebracht hatte. Graf Simon war der vertraute Ratgeber des Kaisers Rudof II. gewesen, hatte an desssen Hof Tycho de Brahe, Johannes Kepler gerufen – und Michael Prätorius Orgel bauen lassen.“
Peter Harlan: „Die Burg der Fideln und Flöten“, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956.
„Im Zentrum der Sternberg-Kurse steht das Musizieren im Fidelchor: auf Sopranfideln für die Sopran- und Altstimmen, auf Tenorfideln für die Tenor und Baßstimmen. Dazu treten dann auch noch die Vagansfideln und das Perdessus, Gamben und Lauten, Spinett oder Cembalo und auch die Instrumente des Orffschen Schulwerkes.“
„Die Burg Sternberg ist heute eine Stätte deutscher Musikpflege, im Sinne ehrwürdiger Traditionen der Instrumentenbaukunst und des edlen Gedankens der Hausmusik und des Gemeinschaftsmusizierens.“
„Peter Harlan ist ein Musikant, Handwerker und Künstler in einer Person. Ihn auf seiner klingenden Burg zu erleben, die Radleier auf dem Schoße, singend zur eigenen Spinettbegleitung, philosophierend von den geheimnisvollen Zahlensymbolen, von der ewigen Ordnung und Harmonie des Alls – das ist ein unvergeßliches Erlebnis.“
Wolfram Schwinger: Klingende Burg Sternberg, in Musica, Kassel 1958.
„Till Harlan führte die „Musikburg Sternberg, die er 1966 nach dem Tod seines Vaters zusammen mit seinem Bruder Klaus übernommen hatte, bis 1996. Neben seinen „Klangvorführungen“ veranstaltete der Musikpädagoge Konzerte mit dem “Burgtrio“, das meist selbst komponierte Musik spielte, oder lud andere Ensembles zu Konzerten in den Rittersaal.“
Christian Althoff: 50 Jahre Musiburg Sternberg, in LZ vom 10/11. August, Detmold, 1996
„Damals wie heute werden die Instrumente, und das ist eine weitere Besonderheit der Sammlung Harlan, klingend vorgestellt. Je nach Interesse und musikalischem Schwerpunkt der Person, die eine solche “Klangvorführung“ leitet, erklingen dabei unterschiedliche Instrumente und Werke aus verschiedenen Musikepochen.“
Ute Soldan:Die Musikinstrumentensammlung Harlan auf Burg Sternberg, in Heimatland Lippe, Detmold, 1999
[Bearbeiten] Das Klingende Museum
Das „Klingende Museum“ auf Burg Sternberg - Ausstellung der Musikinstrumente der Sammlung Peter Harlan
Der Landesverband Lippe hat in den Jahren 1998 bis 2003 umfangreiche Renovierungs- und Ausbauarbeiten auf der Burg Sternberg im Extertal durchgeführt, und so diese baufällige Burganlage zu einem architektonischen und baugeschichtlichen Kleinod verwandelt, welches sich, nach nunmehr einem Jahr Vollbetrieb als Veranstaltungs- und Bildungsstätte, großer Beliebtheit bei seinen Gästen und Besuchern von nah und fern erfreut. Erlesene klassische Konzerte, Opern- und Operettenaufführungen, großes Theater, erfrischendes Kabarett und besinnliche Lesungen haben das Publikum begeistert. Das Highlight des Jahres 2004 war jedoch die Eröffnung des „Klingenden Museums“ und der Akademie für Alte Musik und Instrumentenbau auf Burg Sternberg im Juni 2004.
Dem Landesverband Lippe gelang es 1999, unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel, einen großen Teil der ehemals ca. 400 Exponate umfassenden Sammlung historischer Musikinstrumente des begabten Instrumentenbauers Peter Harlan anzukaufen, dessen Schaffen sich in der Zeit von 1944 bis 1966 auf der Burg Sternberg konzentrierte. Die wichtigsten Stücke dieser Sammlung sind seit Juni 2004 in den ehemaligen Wohnräumen des Südturms erstmals wieder der interessierten Öffentlichkeit zugänglich und geben dem Besucher Einblicke sowohl in die Geschichte des Instrumentenbaus der Jugendmusikbewegung, als auch in das abwechslungsreiche musikalische Schaffen von Peter Harlan und der Tradition der Burg Sternberg als Musikschulungsstätte.
Graf Simon VI. zur Lippe kann als Begründer der musikalischen Tradition der Burg Sternberg angesehen werden, da er im 16. Jahrhundert den Kirchenmusiker Michael Prätorius an den Hof des Kaisers Rudolf II. berief, welcher dort die so genannte „Prätoriusorgel“, den Vorläufer der Barockorgel, konstruierte und bauen ließ. Weiterhin bekam Michael Prätorius von Graf Simon VI. große Kompositionsaufträge zur Kirchenmusik, in der Widmung seines Werkes „Musae Sionae“ nennt er Graf Simon VI. „Fautor et Promotor“ (Gründer und Weitertreiber) der edlen Kunst der Musik, das Wappen von Sternberg, der achtstrahlige Stern, ist dieser Widmung voran gestellt.
Peter Harlan ( 1898 – 1966 ), der Gründer der modernen Musiktradition auf Burg Sternberg, gehörte durch seinen Vater Walter Harlan schon als Kind der Wandervogelbewegung an, beide waren Mitglieder der Urgruppe Berlin-Steglitz, die von Karl Fischer 1901 gegründet wurde. Sein Elternhaus, Walter Harlan war Architekt und Dramaturg des Lessing-Theaters in Berlin, gehörte zu den besten Adressen der klassischen Moderne, Gerhardt Hauptmann, Hermann Bahr, Julius Bab, Hans von Delbrück, Adolf von Barnack, Peter Behrens, Eduard von Winterstein und viele andere gingen dort ein und aus und legten die Grundsteine für Harlans spätere freigeistige Weltanschauung. „Heraus aus der Stadt – zurück zur Natur – Zupfgeigenhansel – Zupfgeige, das hat mich schon als Sextaner tief bewegt, und der Wunsch kam auf, Instrumentenbauer zu werden.“ Allen Widerständen zum Trotz verließ Peter Harlan vor dem Abitur die Schule und begann eine Gitarrenbau-Lehre bei dem späteren Obermeister der Zupfinstrumenten-Innung Ernst Kunze in Markneukirchen. 1921 machte er sich dort mit eigenen Werkstätten selbstständig, „weil das, was ich bauen wollte, in keiner Werkstatt zu lernen war.“ Sein Traum war die Neuentdeckung der Instrumente des 16. Jahrhunderts zu verwirklichen, als Vorlage dienten ihm neben Altarbildern vor allem die Schriften des Komponisten Michael Prätorius, der sein Buch „Syntagma musicum“ mit zahlreichen Zeichnungen historischer Instrumente bebilderte.
„Durch den Freiburger Professor Gurlitt lernt Harlan die Blockflöte kennen und fertigt 1921 das erste Exemplar. Dazu besorgt er sich von Curt Sachs, damals Sammlungsleiter des Berliner Musikinstrumentenmuseums, eine alte Barockblockflöte des Nürnberger Meisters Jakob Denner als Vorbild. ... Dabei passieren ihm beim „herumdoktern“ aus „Mangel an Kenntnissen“ solche „plumpvertraulichen Fehler wie die Entwicklung der „Verrücktheit der sogenannten deutschen Griffweise“ bei der Blockflöte. Ein Fehler, den Harlan selbst, vor allem nach der Bekanntschaft 1925 mit den Pionieren der alten Musik in England, der Familie Dolmetsch, wieder ausbügelt. Die deutsche Griffweise ohne die für Anfänger etwas schwierigen Gabelgriffe hatte aber schon, trotz ihrer problematischen Intonation, für den Bedarf der Schulmusik ihren vorläufigen Siegeszug angetreten.: als „Bärenreiter-Blockflöte“ aus den „Harlan-Werkstätten“ für etwa 4 Reichsmark.“
„Schmunzelnd zeigt uns Harlan seine erste Blockflöte und erklärt:“ Sie hat inzwischen 100 Millionen Nachkommen, die von Amerika bis zur Sowjetunion geblasen werden.“ Mit dieser Blockflöte erregte Harlan das Interesse eines namhaften Berliner Musikwissenschaftlers, und 1925 erhielt er eine Einladung, im Auditorium Maximum der Berliner Universität einen Vortrag über sein Instrument zu halten. Die „BZ am Mittag“ schrieb damals: “Was der kleine Harlan uns da vorgeblasen hat, ist ja sehr reizend, er soll sich aber nur nicht einbilden, daß so ein einfaches Instrument ohne Klappen volkstümlich werden kann.“
Neben seinem Erfolg mit der Wiederbelebung der Blockflöte gelang Peter Harlan noch die Neukonstruktion der Gamben und Fiedeln, die er als sein wichtigstes Werk bezeichnete. Gamben und Fiedeln haben im Gegensatz zu den Streichinstrumenten des klassischen Orchesters Bünde, die das Erlernen und Spielen dieser Instrumente wesentlich erleichtern und so einem größeren Kreis von Menschen die Welt der Musik eröffnen helfen.
1944 wird Peter Harlan Kommandant des Luftwaffenersatzteillagers auf Burg Sternberg mit dem ausdrücklichen Befehl, die Burg vor der Übergabe an die alliierten Truppen zu zerstören. Diesem Befehl führte er jedoch nicht aus, weil er schon sehr früh die Möglichkeiten der Nutzung der Burg Sternberg als Musikschulungsstätte erkannte. Nach dem Krieg begann er auf Burg Sternberg, die ihm Heinrich Drake für jährlich 280 Deutsche Mark verpachtete, mit der Einrichtung seiner Werkstatt. Bald fanden hier seine Instrumente eine neue Heimstatt, Konzerte auf historischen Instrumenten begeisterten viele Zuhörer und auch der Selbstbau einfacher Fiedeln fand großes Interesse in Peter Harlans Musikschulungsstätte auf Burg Sternberg. Ab 1949 wurden seine Anstrengungen durch die Einrichtung des Kreisjugendheimes unterstützt, die von 1962 bis 1978 vom Deutschen Jugendherbergswerk weiter geführt wurde. Bis zu seinem Tod im Jahre 1966 wirkte Peter Harlan unermüdlich bei der Musikerziehung und im Instrumentenbau, seine Arbeit hat deutliche Spuren im deutschen Musikleben hinterlassen. „Die Burg Sternberg ist heute eine Stätte deutscher Musikpflege, im Sinne ehrwürdiger Traditionen der Instrumentenbaukunst und des edlen Gedankens der Hausmusik und des Gemeinschaftsmusizierens.“ Großen Wert legte Peter Harlan stets auf die freie Zugänglichkeit seiner Instrumente für alle Bevölkerungsgruppen, „Da der Kreis der empfindsamen Menschen sich nicht mehr auf bestimmte Gesellschaftsschichten beschränkt, die empfindsamen Menschen heute sogar meist ein schmaleres Portemonnaie haben, als es unserer prosperierenden Zeit entspricht, so müssen wir zu einfachen Instrumenten kommen; es dürfen dies aber keinesfalls „vereinfachte“ Instrumente sein. Das wertvolle Einfache bedingt sich von innen.“
Im Sinne dieser Harlan´schen Musiktradition ist auch das Konzept für das „Klingende Museum“ und die Akademie für Alte Musik und Instrumentenbau entstanden. Alle Instrumente sind, bis auf wenige wertvolle Stücke in Vitrinen, frei zugänglich und spielbar aufgehängt, im Rahmen von Führungen und Kursen können Besucher diese Instrumente nutzen. Mit der Einrichtung der Werkstatt des Instrumentenbauers Walter Waidosch aus Heiligenberg auf der Burg Sternberg und dessen Übersiedlung nach Detmold im September 2004 ist die Akademie für Alte Musik und Instrumentenbau erstmals wieder in der Lage, jene vielseitige Beschäftigung mit Musikinstrumenten anzubieten, die einst Peter Harlans Musikschulungsstätte auszeichnete. Im Angebot sind Kurse zur Reparatur und Pflege von Instrumenten, des weiteren Instrumentalkreise zur Musik des Mittelalters und des Barock sowie Seminare zum Bau diverser Musikinstrumente, von der einfachen Kantele über die Citola, die Viella bis hin zur Guitarre, die vor allem Schulen ansprechen sollen. Zusammen mit den Führungen im „Klingenden Museum“ bilden diese Kurse geschlossene Lehreinheiten, die eine Erweiterung der musikalischen (Früh)-Erziehung darstellen. Die bisherigen positiven Erfahrungen mit dem Interesse des Publikums lassen hoffen, daß sich die Burg Sternberg weiterhin zu einer namhaften Stätte der Pflege des Musiklebens entwickelt und die nicht unerheblichen Investitionen des Landesverbandes Lippe rechtfertigt.
Bei Fragen zur Belegung der Kursangebote wenden Sie sich bitte an Frank Jendreck, Kulturagentur Landesverband Lippe, Nebenstelle Sternberg, 05262-99490 oder 05261-250242, e-mail: f.jendreck@landesverband-lippe.de
Das „Klingende Museum“ ist von Mai bis Oktober samstags und sonntags von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 1,50 €, Führungen auf Anfrage.
[Bearbeiten] Musikburg Sternberg
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs pachtete Peter Harlan die Burg, die seit 1948 dem Landesverband Lippe gehört, um den Instrumentenbau wieder aufzunehmen. Hier wollte er sein Lebensziel erfüllen, für die musizierwilligen Laien Instrumente zu schaffen und Anregungen zu geben. Im Mittelpunkt stand für ihn nicht, ob eine Musik oder ein Instrument neu oder alt ist, sondern nur der Umgang des Menschen damit. SChon bald fanden die ersten kleinen musikalischen Veranstaltungen im Rittersaal der Burg Sternberg statt.
1959 gründete Harlan die Musikschulungsstätte Burg Sternberg, der 1962 eine bis 1978 bestehende Jugendherberge angegliedert wurde. Die Kurse zur Musikerziehung und die Vorführungen der historischen Instrumente der Sammlung Peter Harlan setzten bis 1990 dessen Söhne Till und Klaus unter dem Namen "Musikburg Sternberg" fort.
Diese Aufgabe entwickelt heute der Verein Musikburg Sternberg weiter. Es wurde ein vielseitiges Programm von Musikveranstaltungen und Workshops aufgebaut, der Schwerpunkt liegt dabei auf der Kinder- und Jugendarbeit. Das Gauklerspektakel zu Ostern bildet den Höhepunkt des Jahresprogramms.
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Harlan: Die Burg der Fideln und Flöten, Merian Heft Nr. 4, Hamburg, 1956
- Peter Harlan: Zur Frage der Hausmusik-Instrumente, Die Singgemeinde, 2. Jg., o.O., 1925
- Peter Harlan:Alte Musikinstrumente, Nagels Hausmitteilungen für Musikfreunde Nr.2, Hannover, 1931
- Klaus Harlan: Burg Sternberg (Lippische Sehenswürdigkeiten, Heft 1). Lemgo 1973
- Fritz Jöde: Interview mit Peter Harlan, Protokoll der Tonbandaufzeichnung aus dem Archiv der Jugendmusikbewegung, Wolfenbüttel. o.J.
- Günther Schürmann: Besuch beim Vater der Blockflöte, Westfalenspiegel Heft 11, Dortmund, 1954
- Wolfram Schwinger:Klingende Burg Sternberg, Musica, Kassel, 1958
- Christian Althoff: Familienschatz hinter Burgmauern, Lippische Landeszeitung 11./12. August, Detmold, 1996
- Sandra Zydeck: Die Wiederentdeckung von Fiedel und Gambe im Umkreis der Jugendmusikbewegung, Hausarbeit zur Erlangung des grades einer Magister Artium, Fakultät für geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum, Mönchengladbach, 1997
- Ute Soldan: Die Musikinstrumentensammlung Harlan auf Burg Sternberg, Heimatland Lippe, Detmold, 1999
[Bearbeiten] Weblinks
Koordinaten: 52° 3' 11.72" N 9° 2' 56.81" O