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Estonia - Wikipedia

Estonia

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel behandelt den Schiffsuntergang der Estonia und die Estonia-Gedenkstätten in Stockholm und Tallinn. Estonia ist das lateinische und englische Wort für Estland
M/S Estonia
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M/S Estonia

Die M/S Estonia war eine Ostseefähre, die am 28. September 1994 auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm ausserhalb der finnischen Insel Utö versank. Der Untergang der Estonia markiert mit seinen 852 Opfern das schwerste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die M/S Estonia

Gebaut wurde die Estonia im Jahr 1980 von der Werft Jos. L. Meyer in Papenburg (Deutschland). Nach Einsätzen bei den finnischen Reedereien Viking Line (als Viking Sally), Silja Line (als Silja Star) und Wasa Line (als Wasa King) wurde die Fähre zuletzt im Oktober 1992 an ein schwedisch-estnisches Joint Venture der Nordström & Thulin AB und der Estonian Shipping Co. verkauft und erhielt den Namen Estonia (lateinische/englische Bezeichnung Estlands). Sie war zu dieser Zeit das größte und modernste Reiseschiff unter estnischer Flagge und bediente fortan die Route Stockholm-Tallinn im Liniendienst.

[Bearbeiten] Der Untergang

Die M/S Estonia legte am 27. September 1994 bereits mit Verspätung gegen 19.15 Uhr im Reisehafen der estnischen Hauptstadt Tallinn ab und nahm Kurs auf Stockholm. Die Ankunft in Stockholm war für den nächsten Morgen gegen 9.30 Uhr geplant. Die Abfolge der Geschehnisse in jener Nacht konnte aufgrund der Aussagen von Überlebenden des Untergangs einigermaßen rekonstruiert werden.

In schwerer See drang irgendwann nach Mitternacht Wasser in die Estonia ein; wie dieser Wassereinbruch zustande kam, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Es gibt hierzu verschiedene Theorien, vom Eindringen des Wassers durch die Bugklappe bis hin zur Vermutung eines ersten Lecks unterhalb der Wasserlinie im Rumpf des Schiffes.

Anschließend bekam die Fähre starke Schlagseite und sank innerhalb einer halben Stunde. Nur wenige Minuten nach dem ersten Notruf um 1.22 Uhr, der von anderen in der Nähe befindlichen finnischen Fähren aufgefangen und beantwortet wurde, riss der Funkkontakt ab und um 1.55 Uhr verschwand die Estonia von den Radarschirmen der umliegenden Schiffe.

Da sich der Unglücksort in einem relativ stark befahrenen Seegebiet befindet, war bereits etwa eine Stunde später die Mariella, eine Fähre der Viking Line, am Unglücksort. Hohe Wellen und vor allem starker Wind behinderten jedoch die Rettungsmaßnahmen, so dass insgesamt nur 137 Menschen das Unglück überlebten. Die meisten Passagiere erfroren im kalten Wasser der Ostsee und im eisigen Wind auf den Rettungsflößen oder ertranken noch im Inneren der Fähre, da ihnen keine Zeit mehr zur Flucht ins Freie blieb, wobei mindestens 852 Menschen in jener Nacht ihr Leben in der Ostsee verloren. Diese Zahl basiert auf Schätzungen, da die Passagierlisten nicht alle Personen auf dem Schiff erfassten.

Die ertrunkenen Fahrgäste kamen aus vielen Ländern: Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Lettland, Litauen, Marokko, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Russland, Schweden, Ukraine und Weißrussland.

[Bearbeiten] Gedenkstätten

[Bearbeiten] Estonia-Gedenkstätte in Tallinn

Katkenud liin in Tallinn.
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Katkenud liin in Tallinn.

Am Rande der Altstadt von Tallinn steht an der Straße Tallina Peapostkontor die am 28. September 1996 von den Künstlern Riho Luuse und Jaan Saar aus schwarzem Granit fertiggestellte Skulptur Katkenud liin = Unterbrochene Linie. Eine "Wasserstraße" führt in einem weiten Bogen von einer Anhöhe zu einem Abgrund, bricht darüber ab. Weit jenseits der Bruchstelle setzt sich der Bogen fort, und die "Wasserstraße" stürzt in das Erdreich hinein. Unter diesem herabstürzenden Bogen befindet sich ein mit schwarzem Granit eingefasstes langes Blumenbeet mit der Inschrift Estonia 28.09.1994. Die Wiese auf der Anhöhe, auf der die Skulptur beginnt, ist von schwarzem Granit umgeben, der die gleiche Inschrift trägt. Unter der oberen Abbruchstelle ruht eine schwarze Granitplatte, auf der die Namen der Ertrunkenen verzeichnet sind. Die Angehörigen legen hier und auf dem darüber stehenden Bogen Blumen, Kränze und Windlichter nieder. Der Name dieser Skulptur ist der Mathematik entnommen.

[Bearbeiten] Estonia-Gedenkkreuz in Stockholm-Årsta

Hans Håkansson, der bei dem Estonia-Unglück seine Frau verlor, errichtete in Årsta, einem Stadtteil von Stockholm, ein schlichtes Holzkreuz zum Gedenken an die Opfer des Unglücks. Dieses Holzkreuz wird von vielen Angehörigen der Ertrunkenen als authentische Estonia-Gedenkstätte angesehen, weil es von einem der Hinterbliebenen errichtet wurde. Sie besuchen dieses Holzkreuz an den Jahrestagen des Unglücks.

[Bearbeiten] Estonia-Gedenkstätte in Stockholm-Djurgården

Estonia-Gedenkstätte in Stockholm
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Estonia-Gedenkstätte in Stockholm

Die Estonia-Gedenkstätte Estoniaminnesvården befindet sich in Stockholm in Djurgården hinter der Brücke Djurgårdsbron an der Rückseite des Vasamuseums Vasamuseet und steht neben dem Friedhof Galärkyrkogården, der den Seeleuten gewidmet ist. Sie wurde von dem polnischen Künstler Miroslaw Balka (*1958 in Warschau) entworfen, danach in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten realisiert und am 28. September 1997 eingeweiht. Der Weg, der an dem Vasamuseums Vasamuseet entlangführt, dient als Zugang.

Das Nationaldenkmal stellt den Bug eines Schiffes dar, das sich zur Meeresbucht Saltsjö hin öffnet.

Inmitten einer dreieckigen Kiesfläche mit jeweils 11 m Seitenlänge steht eine alte Ulme, deren Stamm dicht am Boden von einem Metallring umschlossen ist, auf dem die exakte Position des Wracks der Estonia eingraviert ist. Die Kiesfläche ist umschlossen von drei 2,50 m hohen Granitwänden, die den Blick auf die Meeresbucht Saltsjö freigeben. Die grauen Granitwände nennen auf der Innenseite die Namen fast aller Ertrunkenen in alphabetischer Reihenfolge. Zwischen den eingetragenen Namen bleiben einige Stellen leer, weil die Hinterbliebenen die Namenseintragung nicht erlaubten. Zuweilen liegen auf dem Boden Blumensträuße, die von Trauernden niedergelegt wurden.

Links neben der Estonia-Gedenkstätte befindet sich an der Treppe zum Friedhof Galärkyrkogården eine Gedenktafel in schwedischer Sprache.

Wegen der Estonia-Gedenkstätte Estoniaminnesvården gab es Kontroversen zwischen den Angehörigen und dem Staatlichen Kunstrat. Die Angehörigen beanstandeten, dass der Kunstrat sie nicht an den Entscheidungen beteiligte, den Entwurf eines Hinterbliebenen ablehnte und die Hinterbliebenen nicht zur Einweihungsfeier einlud. In diesen Kontroversen wurde deutlich, dass das Nationaldenkmal nicht für die Angehörigen, sondern für das schwedische Volk und für künftige Generationen errichtet worden war.

Miroslaw Balka hatte zunächst einen anderen Entwurf für die Gedenkstätte vorgelegt, bei dem die Namen der Ertrunkenen auf einem 0,92 m breiten und knapp 80 m langen weißen Zementweg eingetragen werden sollten, der in Djurgården von einem Anlegesteg der Meeresbucht Saltsjö zu einem Hügel hinaufführen und das ganze Jahr über die menschliche Körpertemperatur von 37° C behalten sollte. Oben auf dem Hügel wollte Miroslaw Balka so wie auf einem Schiffsdeck zwei Stühle neben einen Schiffsschornstein stellen, aus dem man das Rauschen des Meeres hören könnte, da der 1,80 m hohe Schornstein durch eine unterirdische Röhre mit dem Meer verbunden werden sollte.

Dieser Entwurf wurde von den Angehörigen abgelehnt; sie hätten es als Zeichen der Verachtung empfunden, wenn die Besucher der Gedenkstätte die auf dem schmalen Weg eingravierten Namen der Ertrunkenen mit Füßen treten würden.

[Bearbeiten] Untersuchungen zum Unglück

Modell der M/S Estonia in dem Meeresmuseum in Tallinn (Estland)
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Modell der M/S Estonia in dem Meeresmuseum in Tallinn (Estland)

Unmittelbar nach dem Untergang wurde von offizieller Seite der direkt betroffenen Staaten Schweden, Estland und Finnland eine Untersuchungskommission gebildet, welche die Ursachen für den Untergang ergründen sollte. Die Ermittlungen zogen sich bis ins Jahr 1997 und das abschließende Ergebnis wurde anschließend in einem Untersuchungsbericht veröffentlicht. Neben dieser offiziellen Untersuchung des Unglücks wurden weitere unabhängige Untersuchungen vorgenommen, u. a. von Seiten der Meyer-Werft, die sich damit gegen die im offiziellen Bericht erhobenen Vorwürfe von Konstruktionsmängeln wehren wollte.

Nicht nur die Meyer-Werft kritisierte, dass wichtige Beweismittel unter Verschluss gehalten wurden, so auch Teile der Aufnahmen, die durch ein U-Boot von den verstreuten Wrackteilen am Meeresboden gemacht worden waren. Anfangs wollte die schwedische Regierung die gesamte Wrack-Fundstelle mit allen Wrackteilen in einen Beton-Sarkophag einschließen lassen, was jegliche weitere Untersuchung in alle Ewigkeit verhindert hätte.

Die deutsche Journalistin Jutta Rabe hat seit dem Untergang im Jahr 1994 immer wieder ausführlich recherchiert und die ermittelten Fakten in einem Buch zusammengetragen (siehe unter Literatur). Außerdem produzierte sie mit ihrer Firma TopStory den Kinofilm Baltic Storm, der 2003 im Kino lief. Dieser Politthriller bezieht sich zum großen Teil auf die Untersuchungsergebnisse von Jutta Rabe. Hauptziel des Films war es, die breite Öffentlichkeit auf den Untergang der M/S Estonia und seine noch immer ungeklärten Hintergründe aufmerksam zu machen.

Anfänglich hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel Rabe bei ihrer Arbeit noch unterstützt, im Jahr 2001 beendete das Magazin dann aber die Zusammenarbeit mit ihr. Chefredakteur Stefan Aust erklärte dies offiziell damit, dass Rabe ihre Arbeit eher als persönlichen Feldzug verstehe. Aust war innerhalb der Spiegel-Redaktion immer wieder dafür kritisiert worden, dass er sich allein auf Rabes Theorie konzentriert habe.

Inzwischen gab Ende 2004 ein pensionierter schwedischer Zollbeamter gegenüber den Medien zu Protokoll, dass schon vor dem Untergang Militärelektronik und Waffenteile aus dem russischen Raum auf die Estonia gebracht worden seien und diese Transporte nicht kontrolliert werden durften. Diese übliche Praxis sei wiederholt vorgekommen und von höheren Stellen angeordnet gewesen. Weiterhin wurden Unstimmigkeiten der Ladelisten festgestellt, da zwei unbekannte Transporte noch kurz vor dem Auslaufen der Estonia an Bord gekommen waren. Infolge der neuen Erkenntnisse wurden die Untersuchungen Ende 2004 offiziell wieder aufgenommen. Unter anderem gab das schwedische Militär zu, dass militärische Transporte mit zivilen Fähren befördert worden sind. Der Ausgang der Untersuchung ist noch offen.

Im März 2005 gibt die schwedische Regierung bekannt, dass eine erneute Untersuchung mittels Computersimulation international ausgeschrieben werden soll. Mittlerweile hat Stefan Krüger, Leiter des Instituts für Schiffssicherheit der TU Hamburg-Harburg, den Untersuchungsauftrag aus Schweden erhalten. Stefan Krüger wird die Computersimulationen zum Unglückshergang durchführen.

Der am 10. März 2006 veröffentlichte Untersuchungsbericht des estnischen Generalstaatsanwaltes bestätigt Zweifel an dem Abschlussbericht der offiziellen Untersuchungskommision aus dem Jahr 1997 und gibt Anlass zur Spekulation, dass eine neue unabhängige Untersuchung des Unglücks demnächst angeordnet wird.

Fast zwölf Jahre nach dem Untergang der Estonia hat Schwedens Justizkanzler Göran Lambertz eine neue Untersuchung über mögliche Vertuschungsversuche durch die Stockholmer Regierung eingeleitet. Lambertz begründet seinen Schritt mit neuen Berichten [1], wonach mit Wissen der Regierung kurz nach der Schiffskatastrophe das Wrack von Tauchern in einer Geheimaktion untersucht worden wäre. Über diese geheime Tauchaktion hatte Ende 1999 der schwedische Militärtaucher Hakan Bergmark bereits in einem TV Interview berichtet, das die Journalistin Jutta Rabe mit ihm geführt hatte. Stefan Aust vom Spiegel hatte damals allerdings eine Veröffentlichung dieses Interviews verhindert.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Pihlajamaa, Terttu: Estonia. Berichte und Erfahrungen. Leipzig 1999. ISBN 3374017541. Das Buch enthält auch ein Kapitel über die Estonia-Gedenkstätte in Stockholm: Ein Denkmal wie der Bug eines Schiffes.
  • Rabe, Jutta: Die Estonia. Tragödie eines Schiffsuntergangs, 2003, Verlag Delius Klasing, ISBN 3-768-81460-2
  • Rabe, Jutta: Süddeutsche Zeitung, 12. Februar 2005, „Estonia“: Der Richter muss schweigen
  • André Anwar, Stockholm: Rheinische Post, 4. April 2006, "Wurde "Estonia" gesprengt?"
  • Focus Online, 11. April 2006, "Explosion statt Unfall?"
  • n.24.de, 12. April 2006, "Streit um neue Untersuchung des Estonia-Unglücks"
  • Süddeutsche Zeitung, 22. September 2006, "Warum sie sank, wie sie sank"
  • Die Welt, 4. Oktober 2006, "Rätsel um gesunkene "Estonia" bald geklärt?"

[Bearbeiten] Weblinks


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