Igelstellung
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Als Igelstellung bezeichnet man eine bestimmte Mittelspielstruktur beim Schach, die in erster Linie durch eine bestimmte Bauernstruktur charakterisiert ist. Der Name bezieht sich symbolisch auf die Verteidigungsstellung eines Igels.
Igelstellungen entstehen vor allem in der Englischen Eröffnung und der Sizilianischen Verteidigung. Es sind viele Zugfolgen möglich, so z. B. auch aus der Bogoljubow-Indischen oder Damen-Indischen Verteidigung. Der Igel (d. i. die Kurzbezeichnung dieser Struktur) wird vor allem von den Schwarzspielern angewendet, gelegentlich auch von Weiß (siehe hierzu z. B. die Partie Fischer – Andersson, Siegen, 1970).
Als „Entdecker“ dieser Struktur gelten der schwedische Großmeister Ulf Andersson und der jugoslawische Großmeister Ljubomir Ljubojevic, die zu Beginn der 1970er Jahre diesen Aufbau in zahlreichen Partien angewendet haben. Zwar kam die Struktur als solche bereits in weitaus älteren Partien vor (siehe z. B. Przepiórka – Grünfeld, Debrecen 1925, in der Weiß eine Igelstellung hat), aber erst aufgrund der immer regelmäßiger vorkommenden Partien in den 70er Jahren begann man ihre Besonderheiten zu verstehen.
Auch wenn es bisher noch keine allgemein anerkannte Definition gibt, so lässt sich festhalten, dass zumindest folgende Merkmale erfüllt sein müssen, um von einer Igelstellung (aus schwarzer Sicht) sprechen zu können:
- der weiße d-Bauer wird gegen den schwarzen c-Bauern getauscht und zwar derart, dass Weiß anschließend über die halboffene d-Linie, Schwarz hingegen über die halboffene c-Linie verfügt. Üblicherweise findet dieser Tausch auf dem Feld d4 (wenn Schwarz zuerst schlägt) oder c5 (wenn Weiß zuerst schlägt) statt
- die schwarzen Bauern (ausgenommen den bereits abgetauschten c-Bauern) ziehen zunächst nicht über die 6. Reihe hinaus
- der schwarze e-Bauer steht auf e6
- der weiße c-Bauer steht auf c4
Darüber hinaus ist es üblich,
- dass Schwarz den Damenläufer auf die Diagonale a8-h1 bringt, was gemeinhin mit einem Fianchetto nach b7 geschieht
- die Bauern vorerst auf h7 (h6), g7 (g6), f7, d6, b6 und a6 stellt bzw. belässt
- und den Damenspringer nicht nach c6 zieht (wo er dem Damenläufer im Weg stünde), sondern nach d7 sowie den Königsspringer nach f6
- während Weiß seinen e-Bauern nach e4 zieht.
Stellungen, die nur einen Teil der Mindestmerkmale erfüllen (z.B. weißer c-Bauer auf c2 statt c4) werden gemeinhin als igelartig bezeichnet.
Die Igelstellung gilt aufgrund ihrer vielfältigen strategischen Pläne und zahlreichen taktischen Motive als schwierig zu spielende Mittelspielstruktur. Hinzu tritt die besonders psychologische Anforderung, sich innerhalb weniger Züge von einer scheinbar ruhigen Stellung, in der beide Seiten solide stehen und Zeit haben fürs Manövrieren und Lavieren, auf eine offene Stellung voller Dynamik umzustellen, in der es ausschließlich um Initiative und Tempo geht. Diese radikale Änderung des Stellungscharakters leitet normalerweise (als Igelspieler) Schwarz ein, indem er das weiße Zentrum insbesondere mit den Bauernvorstößen d6-d5 und b6-b5 zu unterminieren beginnt. Der weiße Raumvorteil entpuppt sich dabei nicht selten als eine große Bürde, da er nur mit potentiell schwächenden Bauernzügen erreicht werden kann. Gelingt es Schwarz umgekehrt allerdings nicht, diese potentiellen Schwächen auszunutzen oder zu provozieren, kann er häufig nur abwarten und keine eigene Initiative entwickeln. Insofern ist die Igelstellung vorwiegend bei Konterspielern beliebt, die den Gegner dazu verführen, seine Position zu überziehen, um ihn dann im Gegenangriff auszuspielen. Dies ist auch der Hauptgrund, warum der Igel vorwiegend mit Schwarz angestrebt wird.
Zu den heutigen Experten der Igelstellung werden in Deutschland Großmeister Matthias Wahls gezählt, der durch zahlreiche Zeitschriften-Aufsätze den Igel in der deutschen Schachöffentlichkeit zu einer großen Bekanntheit verholfen hat, sowie der Internationale Meister Frank Zeller, der die erste ausführliche deutsche Monographie zum Thema geschrieben hat. International wird insbesondere der rumänische Großmeister Mihai Suba als Kenner dieses Aufbaus angesehen.
Der Igel wurde und wird von nahezu allen Weltklassespielern der vergangenen Jahre gespielt. Von den aktuellen Weltklassepielern wendet insbesondere der rumänische GM Liviu-Dieter Nisipeanu den Igel regelmäßig an.
[Bearbeiten] Literatur
- Grabitz, Magnus Georg: Schach für Igel. Die „Fabel“-hafte Einführung in ein aktuelles Mittelspielsystem. Düsseldorf 1990. ISBN 3-7919-0332-2
- Suba, Mihai: The Hedgehog. London 2000. ISBN 0-7134-8696-1
- Zeller, Frank: Sizilianisch im Geiste des Igels. Schwieberdingen 2000. ISBN 3-931192-15-6
- Wahls, Matthias: „Der Igel“ (Aufsatz-Serie) , in: Schach 2-11 (2002), 1-4, 6-8, 10-11 (2003), 1, 3, 6-7, 10 (2004), 2, 5, 10, 12 (2005) . ISSN 0048-9328
- Pálkövi, Jószef: Das Igel-System gegen die Englische Eröffnung. Heiden 1997