Klein-Venedig
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Als Klein-Venedig (auch Welser-Kolonie) bezeichnet man das Venezuela, welches Karl V. den Welsern von 1528 bis 1545 gepfändet hatte. Dabei handelte es sich keineswegs um einen Erwerb einer Kolonie.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte
1519 hatte der spanische König Karl I. (später Karl V.) für die Kaiserwahl im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hohe Kredite bei den Augsburger Handelshäusern Welser und Fugger aufgenommen. Je nach Schätzung schuldete Karl V. den Welsern zwischen 143.000 bis 158.000 Gulden. Karl V. konnte sich gegen den französischen König Franz I. durchsetzen, doch die Jahre vergingen, ohne dass er auch nur einen kleinen Teil des Darlehens getilgt hatte. Daraufhin boten die Welser Karl V. an, ihnen ein Stück von der Neuen Welt anstelle des Geldes zu überlassen. Karl V. überließ ihnen die Provinz Venezuela als Lehen.
[Bearbeiten] Vertrag von Venezuela
Karl V. und die Welser regelten im Vertrag von Venezuela (eigentlich Vertrag von Madrid) am 27. März 1528 die Bedingungen der Vereinbarungen. Die Welser durften Gouverneure und Beamte einsetzen und waren von der Salzsteuer und von sämtlichen Zöllen und Hafengebühren im spanischen Monopolhafen Sevilla befreit. Sie durften feindliche Indianer (nach vorheriger Verwarnung) versklaven und etwa 4000 afrikanische Sklaven einführen. Am Gewinn des gesamten Unternehmens sollten die Welser mit 4% beteiligt werden. Die von den Welsern angesiedelten Einwanderer erhielten jeweils ein Stück Ackerland.
Die Welser mussten zwei Städte gründen und drei Festungen bauen, sowie diese auch besiedeln. Ein Zehntel der Gold-, Silber- oder Edelsteinfünde erhielt der spanische König. Später erhöhte sich diese Abgabe auf ein Fünftel.
Die Handelskammer (Casa de la Contratación) legte die Grenzen des Welser-Territoriums fest: Im Westen war das Kap La Vela und im Osten das Kap von Maracapana. Diese beiden Orte sind voneinander etwa 900 Kilometer entfernt. Auch der Küstenstreifen („Perlenküste“ genannt) und die dazugehörigen Inseln (mit Ausnahme von Aruba, Curaçao, Bonaire und den Islas Gigantes) standen den Welsern zur Nutzung zur Verfügung. Eine Südgrenze wurde nicht festgelegt. Man schrieb lediglich „de la una mar a la otra“ (von dem einen Meer bis zum anderen). Gemeint waren vermutlich die Karibik („Mar del Norte“) und das gesuchte pazifische Südmeer („Mar del Sur“). Auf einer Weltkarte der Welser von 1530 steht geschrieben, dass das Welser-Territorium bis zur Magellanstraße reicht.
[Bearbeiten] Kolonisierung
1529 kam Ambrosius Ehinger, der erste Gouverneur von Klein-Venedig, mit 281 Kolonisten nach Neu-Augsburg (Coro), der damaligen Provinzhauptstadt Venezuelas. Noch im gleichen Jahr wurde Neu-Nürnberg (Maracaibo) gegründet. Man plante ursprünglich hauptsächlich durch den Verkauf von zum Beispiel Gold, Salz, Sklaven oder Edelhölzer die Schulden von Karl V. wieder einzuspielen, doch nur der Sklavenhandel brachte den gewünschten Profit. So setzten die Gouverneure mehr auf den Verkauf von Sklaven und gingen dabei immer skrupelloser gegen die Indianer vor. Auch die spanische Bevölkerung fühlte sich von den Welsern ausgebeutet. Der spanische Missionar Bartolomé de Las Casas schrieb: „Die Deutschen sind schlimmer als die wildesten Löwen. Aus Habgier handeln diese menschlichen Teufel viel brutaler als alle ihre Vorgänger.“ So stieg die Anzahl der Klagen bei der Audiencia sprunghaft. 1536 trat auf Ersuchen des Bischofs von Coro eine Untersuchungskommision zusammen, welche die Anschuldigungen wegen Gewalttaten gegen Spanier und Indianer prüfen sollte. Der damalige Gouverneur Georg Hohermuth unternahm jedoch eine Expedition auf der Suche nach Eldorado und sein Stellvertreter Nikolaus Federmann interessierte sich ebenfalls nicht für die Fragen der Justiz und startete 1537 ebenfalls eine Expedition.
[Bearbeiten] Gouverneure
- 1529-1533 Ambrosius Ehinger
- 1533-1540 Georg Hohermuth
- 1540-1546 Philipp von Hutten
Der Vizegouverneur Nikolaus Federmann erhielt 1530 von Ambrosius Ehinger die Vollmacht über Venezuela.
[Bearbeiten] Kündigung des Vertrages
1546 kündigt Karl V. den Venezuela-Vertrag. Die Kolonialpolitik der Welser war in seinen Augen ein Fehlschlag: Die Gouverneure bereicherten sich selbst, Lebensmittel, Pferde und Ausrüstung mussten wegen der schlechten Wirtschaft immer noch aus der Karibik angeliefert werden, Maracaibo lag in Trümmern, Coro verlor seine Hauptstadtfunktion, Juan de Carvajal übernahm mit gefälschten Papieren die Regierung und den meisten heidnischen Indianern war das Christentum immer noch völlig unbekannt. Bis 1556 prozessierte Bartholomäus V. Welser um seine Besitzansprüche in Südamerika, doch er verlor endgültig Klein-Venedig, sowie Federmanns Landsgut in Kolumbien.