Mensuralnotation
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Im 13. Jahrhundert entwickelte sich, vorangetrieben durch die Differenzierung der Rhythmen, die Mensuralnotation. Franco von Köln formulierte um 1280 die Regeln für diese Notationsweise in seinem Traktat Ars cantus mensurabilis. Nach ihm heißt die erste Ausprägung der schwarzen Mensuralnotation frankonische Notation.
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[Bearbeiten] Schwarze Mensuralnotation (ca. 1230-1430)
Mit Hilfe der frankonischen Notation konnten erstmals die Notenwerte (Tondauern) der Musik eindeutig festgelegt werden. Die wichtigsten Notenzeichen waren Brevis und Longa. Gemäß dem dreiteiligen Grundrhythmus der Zeit hat die Longa die Dauer von drei Breven (perfekte Longa). Innerhalb bestimmter Gruppierungen von Noten kann sie auch zwei Breven dauern (imperfekt sein), so zum Beispiel in der Folge Longa - Brevis - Longa - Brevis..., in der jeweils aus imperfekter Longa (2 Schläge) und Brevis (1 Schlag) eine dreizeitige Einheit wird. Ebenso können auch die anderen Notenwerte zwei- oder dreimal so lang sein wie der nächstkleinere Notenwert. Die folgende Abbildung zeigt alle Notenwerte der frankonischen Notation, beginnend mit dem größten.
Abb. 1: Notenzeichen der frankonischen Mensuralnotation. Von oben nach unten:
- Maxima oder Duplex Longa
- Longa
- Brevis
- Semibrevis
Am Anfang des 14. Jahrhunderts, der sogenannten Ars Nova, trat neben die perfekte Mensur, also den dreiteiligen Grundschlag, die imperfekte Mensur. Es wurden nun also auch Kompositionen in geraden Taktarten angefertigt, bei denen Einheiten zu zwei Schlägen das mensurale Gerüst bildeten. Nun galt es also für die Aufführung eines Werkes zunächst folgende Maße zu bestimmen:
- Den Modus major oder Maximodus der anzeigte, ob die Maxima zwei- oder dreizeitig auszuführen war.
- Der Modus minor zeigte dies für die Longa an.
- Tempus war die Bezeichnung für das Maß der Brevis,
- Prolatio für das Maß der Semibrevis.
Da in der Ars Nova als nächstkleinerer Notenwert die Minima hinzutrat, musste nun auch die Länge der Semibreves bestimmt werden.
Abb. 2: Minima
Während Modus major und Modus minor über die Anordnung der Pausenzeichen erschlossen werden konnten, konnten Tempus und Prolatio an den dem Stück vorangestellten Mensurzeichen erkannt werden. Ein Kreis (als Symbol der "Vollkommenheit") zeigte perfekte, also dreizeitige, Mensur der Brevis an (Tempus perfectum), der Halbkreis die imperfekte, also zweizeitige Mensur der Brevis (Tempus imperfectum). War in den Kreis bzw. Halbkreis zusätzlich ein Punkt gezeichnet, galt die Semibrevis als perfekt (Prolatio perfecta oder Prolatio major). Bei Weglassen des Punktes trat die imperfekte Mensur der Semibrevis in Kraft (Prolatio imperfecta/minor). Aus dem Halbkreis leitet sich das heutige Taktzeichen für den 4/4- und Alla-breve-Takt ab.
In der italienischen Notation des Trecento bildete sich ebenfalls Anfang des 14. Jahrhunderts eine andere Art der Aufzeichnung heraus. Dabei kann die Brevis nicht nur in zwei oder drei untergeordnete Werte eingeteilt werden, sondern auch in 4, 6, 8, 9 oder 12. Die so entstehenden Gruppen von Semibreven und Minimae werden von Punkten eingegrenzt. Die Notenwerte zwischen zwei Punkte ergeben somit immer eine Brevis.
In der manierierten Notation um 1400 in Südfrankreich wurde schließlich die rhythmische Verfeinerung auf die Spitze getrieben. Nun konnten innerhalb von Stücken Mensurwechsel ohne Mensurzeichen für die Dauer weniger Noten angezeigt werden. So konnten beispielsweise imperfizierte Noten innerhalb einer perfekten Mensur auftreten, die durch rote oder auch hohle Notenzeichen kenntlich gemacht waren.
[Bearbeiten] Weiße Mensuralnotation (ca. 1430-1600)
Vor Erfindung des Buchdrucks hatten Chöre meist nur ein einzelnes handschriftliches Exemplar eines Werkes zur Verfügung. Bedingt durch die Vergrößerung der Chöre wurden die Noten immer größer geschrieben, damit jeder Sänger aus dem Chorbuch lesen konnte. Der Einfachheit halber zeichnete man nun nur noch die Umrisse der Noten, wodurch weiße, "hohle" Noten entstanden (so wie in der heutigen Notation noch die halben und ganzen Noten hohl sind).
Wiederum treten neue kleinere Notenwerte hinzu, so dass der Notenvorrat nun wie folgt aussieht:
Abb. 3: Notenzeichen der weißen Mensuralnotation. Von oben nach unten:
- Maxima
- Longa
- Brevis
- Semibrevis
- Minima
- Semiminima
- Fusa oder Chroma
- Semifusa oder Semichroma
Dabei können nur die vier großen Notenwerte Maxima, Longa, Brevis und Semibrevis sowohl perfekt als auch imperfekt auftreten. Die vier kleinen Werte sind stets zweizeitig. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts gilt die Semibrevis als Tactus und hat im Tempus perfectum und im Tempus imperfectum die gleiche Dauer bei unterschiedlich langen Brevis-Dauern. Für eine zusätzliche Modifikation des Mensursystem sorgt die Proportion. Dabei wird der Normalwert der Noten, der integer valor notarum, vergrößert oder verkleinert. Bei der Diminutio simplex wird die Verkleinerung (Diminution) der Notenwerte auf die Hälfte ihrer Ursprungsdauer durch ein senkrecht durchgestrichenes Mensurzeichen (beim Tempus perfectum) oder einen umgedrehten Halbkreis (beim Tempus imperfectum) angezeigt. Eine an das Mensurzeichen angefügte "2" zeigt eine Proportio dupla an, bei der die Notenwerte im Verhältnis 1:2 umgewandelt werden. Auch die Ziffern 3 und 4 sind als Proportionsbezeichnung möglich (Proportio tripla bzw. quadrupla). Generell gilt dabei: Die Ziffer zeigt die Zahl der Semibreves an, die einen Tactus bilden, das Tempuszeichen zeigt an, wieviele Tactus wiederum zu einer übergeordneten Einheit zusammengefasst werden.
Als weitere wichtige Proportion ist die Proportio sesquialtera anzuführen, bei der 3 Semibreven des folgenden Teils auf 2 des vorhergehenden Teils bzw. des integer valor notarum kommen.
Besondere Kunstfertigkeit offenbart der Proportions- oder Mensurkanon, bei dem eine einzelne Stimme mit mehreren Proportions- oder Mensurzeichen versehen ist. Durch die unterschiedlichen Tondauern in den Mensuren/Proportionen ergibt sich ein mehrstimmiger Satz, der den Regeln des Kontrapunkts gehorcht. (Siehe z.B. die Messe Si dedero von Jacob Obrecht oder das Benedictus der Missa L'homme armé von Josquin Desprez.)
Die Mensuralnotation war bis etwa 1600 in Gebrauch, dann setzte sich die moderne Notation mit ihrem Taktschema durch. Die Notenzeichen allerdings blieben bis heute erhalten: Aus der Semibrevis wurde die ganze Note, aus der Minima die Halbe und so fort.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Karl Schnürl: 2000 Jahre europäische Musikschriften. Eine Einführung in die Notationskunde. Wien 2000.
- Carl Dahlhaus, Hans Heinrich Eggebrecht: Brockhaus Riemann Musiklexikon: Art.: Mensuralnotation. 2. Aufl. 1995. S. 116f.
- Hermann Finck: Practica Musica. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Wittenberg 1556. Hildesheim 1971.
- Willi Apel: Die Notation der polyphonen Musik. VEB Breitkopf & Härtel, Leipzig 1962, ISBN 3-7330-0031-5
- Diether de la Motte: Kontrapunkt, München u.a. 1981, S. 39-43
- Riemann-Musiklexikon, Sachteil, 12. Aufl. 1967, Art. Mensuralnotation, S. 560f.; Art. Mensurzeichen, S. 562; Art. Maxima, S. 548
- Thomas Daniel: Zweistimmiger Kontrapunkt, Köln 2002, S. 25-27