Narr
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Als Narr (von Althochdeutsch Narro), aber auch als Tor (davon hergleitet töricht als Eigenschaft), wurde im Mittelalter ein Spaßmacher bezeichnet, der für Unterhaltung und Belustigung sorgen sollte und dabei meist auffällig gekleidet war. Als Tor oder Narr werden auch Personen bezeichnet, die sich sehr unreif, dumm, tollpatschig, voreingenommen, vorurteilsbehaftet und unwissend verhalten und die sich auf Basis ihrer Unwissenheit als Gelehrte aufplustern, ohne ihre Unwissenheit zu erkennen, weil sie denken, ihre Unwissenheit wäre großes Wissen.
Außer Gebrauch gekommen ist die allgemeine Bedeutung eines "Narren", der "närrische", verdrehte, einfältige Dinge tut, halb mutwillig, halb wahnsinnig. ("Narrenhände beschmieren Tisch und Wände.") Der Ausdruck wurde verunglimpfend gebraucht; allenfalls die Bezeichnung "Närrchen", für ein Kind oder einen Jugendlichen, drückte gemischte Sympathie aus.
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[Bearbeiten] Etymologie (Wortherkunft)
Die Etymologie des Begriffes (mittelhochdt.: narre; althochdt: narro) ist nicht geklärt. Man vermutet eine Ableitung aus spätlat. nario Nasenrümpfer, Spötter. Um den mittelalterlichen Narren zu verstehen, ist ebenso eine andere Bedeutung von Narr elementar. Als Narren werden in manchen Dialekten noch heute verkümmerte Früchte benannt. Da Gott laut der Bibel den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hatte, wurden verkrüppelte Menschen als Narren bezeichnet, da sie nicht dem Normbild Gottes entsprachen, worunter auch die geistig Zurückgebliebenen zählten. Menschen, die Gott verleugneten wurden als "natürliche Narren" spezifiziert, da sie dem damaligen Glauben nach "innen hohl" waren, also keine eigene Seele hatten, ebenso wie eine verkümmerte Frucht.
Naheliegend wäre auch eine Abstammung vom lateinischen Wort 'narrator', was sich mit Erzähler übersetzt (lat.: 'narrare' = 'erzählen'). Mit dieser Herkunftserklärung wäre der Narr(ator)e als Unterhalter ursprünglich ein Geschichtenerzähler gewesen. Der Weg über den Erzähler lustiger Schwänke zum Spaßmacher kann nicht allzu weit gewesen sein, wenn dies dem Gefallen des Brotgebers entgegenkam. Vielleicht wurde diese Entwicklung sogar durch die doppelsinnige Assoziation der Kurzform 'Narr(e)' mit der Bezeichnung für verkümmerte Früchte 'Narren' gefördert. Vielleicht wurde der Begriff aber auch erst in der Folge auf verkümmerte Früchte übertragen.
[Bearbeiten] Die mittelalterliche Narrenfigur
Aus dem 12. Jahrhundert stammen Psalterillustrationen, die bei Psalm 53 (nach der früheren griechischen und lateinischen Zählung: Psalm 52) meist eine Figur zeigen, die einem König gegenübersteht. Diese Figur ist oft nackt, schwingt eine Keule oder isst ein Brot. Im weiteren Verlauf des Mittelalters veränderte sich diese Figur: Sie trug ein meist farbiges Kleid, oft ein Mi-Parti, das mit Schellen behängt war. Die Keule hatte sich zur Marotte oder zum Spiegel weiterentwickelt, ein Zeichen, dass der Narr in sich selbst verliebt war und Gott nicht erkannte. Oftmals wird die Figur mit einer Gugel, einer zipfeligen Mütze oder Kappe dargestellt, die ebenso mit Schellen behangen ist.
Diese Figur soll einen Narren, einen Unweisen (lat. insipiens) darstellen, der den weisen König David verhöhnt, der für Glauben steht und als Vorläufer Christi gilt. Der Anfang des Psalmes lautet: "Dixit insipiens in corde suo: Non est Deus" ("Es spricht der Narr in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott"). Der Narr war also keineswegs eine Figur, die nur Späße machte, sondern eine negative Gestalt. Da der Gottesleugner ebenso nicht dem Ebenbild Gottes entsprechen konnte, da er nicht an Gott glaubt, wurde er als "künstlicher Narr" bezeichnet, da er äußerlich der Norm entsprach, ihr aber im Denken widersprach.
Dadurch stand der Narr dem Teufel nahe, der für den Ursprung aller Narrheit stand. Durch seine Gottesferne und seine Nähe zum Teufel stand der Narr später (14., 15. und 16. Jahrhundert) für vanitas (lat. Vergänglichkeit), also für den Tod. Der Narr hatte durch diese Allegorien den Einzug in die mittelalterliche Fastnacht gefunden, in der er heute noch eine große Rolle spielt. Hier sollte er ebenfalls als negative Gestalt in der negativen Zeit (die Fasnacht vor der österlichen, positiven Fastenzeit) seine Rolle als Gottesleugner, Teufel und Tod spielen.
In Goethes „Faust II“ tritt der Teufel als Hofnarr auf.
Die verhältnismäßig späten Illustrationen in Psalterhandschriften können jedoch nicht dafür stehen, dass es die Figur des Narren bzw. Hofnarren nicht schon viel früher gegeben hat. Bereits Karl der Große verbot 789 dem Klerus in seinem Reich, sich neben Jagdhunden, Falken und Adlern auch "Spaßmacher" zu halten. Auch sind Spaßmacher aus der Antike bekannt, wobei hier im Zweifel ist, inwiefern sie tatsächlich als Narr oder Hofnarr fungierten.
[Bearbeiten] Hofnarren im Mittelalter und früher Neuzeit
Narren fanden sich sowohl im ritterlichen Gesinde, als auch an Fürstenhöfen. Für die dort tätigen Hofnarren galt die Narrenfreiheit, die es ihnen ermöglichte, ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu üben. Auch die Parodierung von Adeligen war den Hofnarren erlaubt.
Die Hofnarren als "Offizianten" (in einem festen höfischen Amt) sollten ursprünglich ihren Herrn nicht belustigen, sondern ihn als ernste Figur ständig daran erinnern, dass auch er in Sünde fallen könne und darin sterben werde; sie waren also eine soziale Institution zulässiger Kritik.
Im Mittelalter unterschied man zwei Arten von Narren, die "natürlichen" und die "künstlichen" Narren. Als "natürliche Narren" galten Geisteskranke, geistig Behinderte und Missgestaltete. Die "künstlichen Narren" waren Menschen, die sich dumm oder tölpelhaft stellten, absichtlich Scherze trieben, ihre Herrscher unterhielten oder sie an die Vergänglichkeit erinnerten.
Im frühen Hochmittelalter waren es vor allem körperlich Behinderte oder Kleinwüchsige, "Hofzwerge", die wie Raritäten zum Teil in Käfigen gehalten wurden, aus denen man auch (wie im Sprichwort) "einen Narren machte". Die Herrscher wetteiferten darin, wer den spektakulärsten Narren in seiner Sammlung hatte.
Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren es zunehmend Menschen, die sich nur dumm stellten oder über besonderes künstlerisches oder humoristisches Talent verfügten, die als Unterhalter engagiert wurden. Teilweise gab es an Höfen Narrenausbilder, die auffällige Kinder aus der Umgebung zusammensuchten und diese zu Hofnarren ausbildeten.
In der frühen Neuzeit waren es nicht selten durchaus intelligente und intrigante Strippenzieher, die ihren Posten als Hofnarr ausnutzten, um sich ein schönes Leben bei Hofe zu machen, zum Beispiel die französische Närrin Marthurine, die sich zusätzliches Geld damit verdiente, dass sie Hofklatsch drucken ließ und eigenhändig auf der Pont Neuf in Paris ans gemeine Volk verkaufte.
Manche Städte unterhielten so genannte Stadtnarren, die zur allgemeinen Belustigung Späße treiben durften. Ihre Entlohnung bestand meist aus erbettelten Gaben. Ein bekannter Stadtnarr war zum Beispiel Till Eulenspiegel.
Der klassische Hofnarr begann sich jedoch spätestens seit dem 14. Jahrhundert von der allgemeinen "Narrenfigur" zu unterscheiden. Während das eine eine Stellung bei Hofe, die eines Entertainers, eines Spaßmachers und Zeitvertreibers darstellte, galt der allgemeine Narr für eine religiöse, philosophische Anschauung, nach der er (spätestens seit dem 12. Jahrhundert) für Gottesferne, sündhaftes Leben und Vergänglichkeit stand. Jedoch gilt als gesichert, dass der Hofnarr für seinen Herrn auf die religiöse Deutung als Erinnerer an die Vergänglichkeit zurückgeht. Ursprünge für diese Funktion finden sich bereits im römischen Reich, als beim Einzug des römischen Kaisers in Rom nach einem erfolgreichen Kriegszug ein - meist besonders hässlicher - Sklave direkt hinter ihm mitgeführt wurde, um ihn an die Vergänglichkeit seine Ruhmes zu erinnern (sic transit gloria mundi).
Im 14. Jahrhundert kam jedoch mehr und mehr in Mode, sich neben den "natürlichen Narren" auch Spaßmacher zu halten. Als Beispiel dient hier der Lieblingshofnarr Kaiser Maximilians I. (1459 - 1519), Kunz von der Rosen, ein intelligenter Mann, der es verstand, durch seine Späße und seine Anmerkungen nicht selten zum Nachdenken anzuregen: So wurde er einmal vom Rat des Kaisers befragt, was er von einem Friedensangebot halte. Von der Rosen antwortete darauf mit der Frage, wie alt er geschätzt werde. Nach einigen Versuchen sagte er, dass er schon über 200 Jahre alt sei, da er schon mindestens zwei Friedensangebote in Kraft treten sehen hätte, die beide über jeweils 100 Jahre abgeschlossen wurden.
Nichtsdestoweniger hielten sich die Fürsten auch weiterhin "natürliche Narren". Als Beispiel kann ein Narr namens Claus Narren von Rannstedt genannt werden, ein stiernackiger, verwirrter Mann, der an verschiedenen Höfen in der Gegend des heutigen Sachsens mehr oder weniger "herumgereicht" wurde.
Als Narren engagierte Menschen konnten gelegentlich auch Karriere machen. Beispiel hierfür ist der Zwerg Perkeo, der als kleinwüchsiger Spaßmacher am Heidelberger Schloss begann und aufgrund seiner Intelligenz, seiner Kenntnisse und Einsatzfreude als Haushofmeister des Kurfürsten sein langes Leben dort in hohem Ansehen endete.
Am Hofe Augusts des Starken war ebenfalls ein berühmter Hofnarr angestellt, der den passenden Namen Joseph Fröhlich trug.
Narren hatten zu Teilen an Fürstenhöfen auch politische Funktion: zu Zeiten absolutistischer Herrschaft die einzigen zu sein, die dem Fürsten noch die Wahrheit übermittelten, ihn an das Geschehen in seinem Herrschaftsbereich ankoppelten. Sei es, dass sie selbst als Spaßmacher oder Künstler scharfe Beobachter des Zeitgeschehens waren, oder aber sich von Ratgebern und Hofleuten zur Übermittlung von Informationen oder Meinungen instrumentieren ließen, bzw. Wahres und Nachdenkenswertes dem Fürsten zu übermitteln. Dinge, die ein "normaler Mensch" wegen des Zornes-Risikos sich nicht vor Publikum oder Zeugen zu sagen getraut hätte, weshalb man eben noch den Narren vorschicken konnte. Wenn die Meinungen und Mitteilungen ungefällig waren, dann tat man es eben als "Narretei" ab.
[Bearbeiten] Der Narr heute
Heute wird das Wort "Narr" nur noch selten als abwertende Bezeichnung für Menschen verwendet, die sich unvernünftig verhalten; eher benutzt wird mit ähnlicher Bedeutung "Blödmann". Insbesondere in der Zeit vor Aschermittwoch, also der Fastnacht oder dem Karneval, tritt er noch auf. Jedoch wurde im Oktober 2004 in England der 1649 durch Oliver Cromwell abgeschaffte Hofnarr als England's State Jester wieder eingeführt. In einigen Dialekten, so z.B. im Österreichischen, werden Konnotationen zum Narren noch heute im Umgangssprachlichen gebraucht (z.B. narrisch werden für verrückt werden oder Narrenhaus für Irrenhaus oder psychiatrische Anstalt).
[Bearbeiten] Narrenattribute
siehe Hauptartikel Narrenattribute
Der Narr erhielt im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Narrenattribute, an denen er, auch wenn er auf den ersten Blick nicht als solcher zu erkennen war, zu identifizieren war. Die Vorstellung davon, woran ein Narr normalerweise zu erkennen ist, entwickelte sich im europäischen Mittelalter zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert; bis etwa 1500 hatte der Narr seine ganze Vielfalt an Attributen.
[Bearbeiten] Der Narr als Thema in Literatur, Musik und Kunst
[Bearbeiten] Narrenliteratur
siehe Hauptartikel Narrenliteratur
Narrenliteratur wird eine volkstümliche, satirische Literatur genannt, die eine Beschreibung der menschlichen Schwächen durch Karikierung und Übertreibung zum Inhalt hat und darin eine Belehrung des Lesers, sowie eine Kritik des Zeitgeistes beabsichtigt. Oftmals wurde hierbei die Figur des Narren benutzt, um die Gesellschaft als solchen zu karikieren. Besonders im ausgehenden Mittelalter hatte die Narrenliteratur Hochkonjunktur, was sich neben dem bekannten Werk Sebastian Brants "Narrenschiff" (1494) auch im "Lob der Torheit" (1509) von Erasmus von Rotterdam, sowie den "Schildbürgern" und "Till Eulenspiegel" (1515) niederschlug.
[Bearbeiten] Der Narr in Christo
Ausgehend von der tragischen Gestalt in Wesenszügen des Lebens Jesu Christi hat sich eine breite christlich inspirierte Narrenliteratur besonders in Russland (siehe jurodiwy) entwickelt. Siehe auch: Gerhart Hauptmann: Der Narr in Christo Emanuel Quint.
[Bearbeiten] Sonstiges
- In einigen Dramen William Shakespeares treten Narren auf, so im König Lear, in dem sich Narr und König zum Verwechseln ähnlich werden, ferner in den Gestalten des Fool in Macbeth, Touchstone in As You like it (dt. Wie es euch gefällt) und Feste in Twelfth Night (dt. Was ihr wollt).
- Der Maler Diego Velázquez schuf Portraits der natürlichen und künstlichen Hofnarren, den sog. "truhanes", beispielsweise der Hofzwerge, am spanischen Hof Philipps IV. von Spanien im 17. Jahrhundert.
- In Antonio Cestis Oper L'Argia nach Apollonio Apolloni (Innsbruck 1655) ist Lurcano Hofnarr am Hof des Atamantes, des Königs von Salamis.
- In Walter Scotts Ivanhoe (1820) ist der Hofnarr Wamba Begleiter des Ritters Ivanhoe. Der Roman wurde u. a. von Heinrich Marschner und Arthur Sullivan vertont und erlebte zahlreiche Verfilmungen.
- In Johann Wolfgang von Goethes Faust II (1832) tritt Mephistopheles als Hofnarr am kaiserlichen Hof in Erscheinung.
- In Victor Hugos Schauspiel Le roi s'amuse von 1832 ist der missgestaltete Hofnarr Triboulet der Gegenspieler des lüsternen Königs Franz I.. Die politische Brisanz des Themas führte schnell zu einem Verbot durch die französische Zensur. Das Drama diente als Vorlage für Giuseppe Verdis Oper Rigoletto (1851), die bis heute als Teil des weltweiten Standardrepertoires eine der meistgespielten Opern ist. Schon 1909 wurde Hugos Schauspiel als The Duke's Jester or A Fool's Revenge auch verfilmt.
- In Alfred de Mussets Fantasio (1834) verkleidet sich ein Student als Hofnarr, um einer geliebten Prinzessin nahe zu sein. Mussets Schauspiel wurde 1872 von Jacques Offenbach als komische Oper Fantasio (dt. Der Narr der Prinzessin) vertont.
- Valerio, der humorvolle und sprachgewandte Begleiter des Prinzen Leonce in Georg Büchners Komödie Leonce und Lena (1836), trägt Züge eines Hofnarren.
- Eine der Hauptfiguren im Roman La dame de Monsoreau (1846, dt. Die Dame von Monsoreau) von Alexandre Dumas (Vater) ist Chicot, Hofnarr Königs Heinrichs III.
- Joseph Viktor von Scheffel schildert in seinem Gedicht Das war der Zwerg Perkeo (1846) eine Begebenheit aus dem Leben Perkeos, des Hofnarren und Hofzwergs des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz.
- In Edgar Allan Poes Kurzgeschichte Hop-Frog (dt. Hüpf-Frosch) (1849) tötet der gleichnamige Hofnarr aus Rache mit seinem "letzten Scherz" den König und sieben Minister.
- Eine Hauptfigur in William Gilbert und Arthur Sullivans tragikomischer Oper The Yeomen of the Guard (1888, dt. Der Gaukler von London) ist der zynische Narr Jack Point, dessen Geliebte Elsie eine nicht zuletzt von Jack selbst eingefädelte Scheinehe mit dem zum Tode verurteilten Fairfax eingeht, um dessen Vermögen erben zu können. Doch Fairfax kann fliehen, und Jack verliert Elise an ihn. Am Ende der Oper liegt Jack ohnmächtig (oder tot) zu Füßen des glücklichen Paares.
- In Oscar Wildes The Birthday of the Infanta (1891, dt. Der Geburtstag der Infantin) zerbricht ein Hofnarr und Hofzwerg des spanischen Hofes am Konflikt zwischen seiner Selbstwahrnehmung als Künstler und der Außensicht als lächerlicher Figur. Wildes Märchen wurde von Alexander von Zemlinsky als Oper Der Zwerg (1922) vertont.
- In Richard Strauss erster Oper Guntram (1894) nach eigenem Libretto stachelt ein Hofnarr den tyrannischen Herzog Robert in seinem Tun an.
- In Franz Schrekers Oper Der Schatzgräber (1920) nach eigenem Libretto tritt als eine der Hauptfiguren ein Hofnarr auf, der sich als Lohn für die Wiederbeschaffung eines verlorenen Schmucks eine Frau wählen darf. Am Ende verzichtet er auf sein eigenes Glück, um die Menschen seiner Umgebung glücklich zu sehen.
- In zwei Dramen stellt Michel de Ghelderode den spanischen Hofnarren Folial in den Mittelpunkt:
- In Escurial (1927, dt. Escorial) ist der Hofnarr Folial ein tragischer Held, der mit dem König die Rollen tauscht. Schließlich entpuppt sich der Hofnarr als "besserer König", während der König ein "besserer Hofnarr" ist. Den Verrat an seinem Künstlertum bezahlt der Hofnarr mit seinem Tod. Das Stück wurde von Heinz Friedrich Hartig als Escorial (1961, Libretto: Friedrich Petzold) und von Wladimir Kobekin als Sut i korol (1989, dt. Der Hofnarr und der König) vertont.
- In L'école des bouffons (1937, dt. Die Schule der Hofnarren) ist Folial als gereifter Künstler wieder am Leben und bildet junge Hofnarren aus, die aus Rache gegen seine Demütigungen während der Lehrzeit eine Parodie auf den Tod seiner soeben verstorbenen, geliebten Tochter aufführen. Vom Konflikt zwischen künstlerischer Professionalität als Hofnarr und tiefem Gefühl hin- und hergerissen, verkündet Folial, allein gelassen, das Geheimnis des Ursprungs aller Kunst sei die Grausamkeit (frz. cruauté).
- In Christa und Gerhard Wolfs Erzählung und Film Till Eulenspiegel von 1974 hält Till der närrischen Welt den Spiegel vor und lässt darin viele Narrheiten aufscheinen. Eine Marienwallfahrt verweist darin auf die historische Gestalt des Predigers Hans Böhm, der den Menschen eine bessere Welt verkündet und dafür als närrischer Ketzer ein tragisches Ende nimmt.
- In Terry Pratchetts Fantasy-Romanen aus der Scheibenwelt spielt die Zunft der Hofnarren immer wieder eine Rolle. König Verence II. von Lancre ist gar ein ehemaliger Hofnarr.
- Woody Allen tritt in einer Episode seines Films "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" als Hofnarr auf, der die Königin verführt und dafür seinen Kopf verliert und lieferte damit eine Mittelalter-Variante seines in den 60er und 70er Jahren kreierten Charakters des sexbesessenen intellektuellen Außenseiters.
- Auch in der Popmusik taucht die Figur des Hofnarren immer wieder auf, so in Bob Dylans All along the watchtower (auch von Jimi Hendrix und U2 interpretiert), in The fool on the hill von den Beatles, in Don McLeans American Pie oder in Subway To Sallys Der Hofnarr.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Primäre Literatur
- Erasmus von Rotterdam: Lob der Narrheit, Diogenes Verlag, Juli 1997 ISBN 3534087704
- Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel, 1494, mit Illustrationen von Albrecht Dürer
- Sebastian Brant: Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben. Herausgegeben mit einer Einleitung von Manfred Lemmer, Tübingen 1986 ISBN 3484170050
[Bearbeiten] Sekundäre Literatur
- Edgar Barwig und Ralf Schmitz: Narren. Geistekranke und Hofleute In: Bernd-Ulrich Hergemöller: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Neu bearbeitete Auflage, Warendorf 2001, ISBN 3925522204
- Peter Burke: Helden, Schurken und Narren. Europäische Volkskultur in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1981, ISBN 3-12-930630-7
- Dietz-Rüdiger Moser: Fastnacht, Fasching, Karneval. Das Fest der "verkehrten Welt", Graz 1986, ISBN 3222115958
- John Southworth: Fools and Jesters at the English Court, Sutton (GB) 1998, ISBN 0750934778
- Werner Mezger u.a.: Narren, Schellen und Marotten. Elf Beiträge zur Narrenidee, Remscheid 1984, ISBN 3922055982
- Werner Mezger: Hofnarren im Mittelalter. Vom tieferen Sinn eines seltsamen Amts, Konstanz 1981, ISBN 3879401861
- Werner Mezger: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Ursprünge, Entwicklungen und Erscheinungsformen organisierter Narretei in Südwestdeutschland, Stuttgart 1999, ISBN 380621221X
- Werner Mezger: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur (= Konstanzer Bibliothek, hg.v. Peter Böger u.a., Bd. 15), Konstanz 1991, ISBN 3879403740
[Bearbeiten] Wortumfeld
Zahlreiche Zusammensetzungen mit "Narr" existieren, vom "narrensicheren" Apparat bis zum "Narrenmatt" im Schachspiel. Ein ernsthafteres Element wird sichtbar, wenn man - wie die Europäische Ethnologie es tut - die Querverbindungen zum "Trickster" und "Schelm" miteinbezieht.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Narrenfest, Tarotblatt, Narrenliteratur, Narrenattribute
- Commedia dell'arte, Clown, Joker, Harlekin, Hanswurst, Jeck, Kasper, Pierrot, Schalk, Scharlatan, Schlemihl, Spielleute, Till Eulenspiegel
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Narr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |