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Oskar Schlemmer - Wikipedia

Oskar Schlemmer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Oskar Schlemmer (* 4. September 1888 in Stuttgart; † 13. April 1943 in Baden-Baden) war ein deutscher Maler, Bildhauer und Bühnenbildner. Schlemmer thematisiert in seinen Werken vornehmlich die Stellung der menschlichen Figur im Raum. In seiner Hauptschaffensperiode (1920–1932) entstehen zahlreiche Gemälde stereometrischer Figuren sowie ineinander greifender Figurengruppen, in deren geometrisch-choreographischer Ausgestaltung universelle Harmonisierungsbestrebungen anklingen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] 1888–1919

Als jüngstes von sechs Geschwistern wird Oskar Schlemmer am 4. September 1888 in Stuttgart geboren. 1899 siedelt er in das schwäbische Göppingen über, wo er zunächst die Realschule besucht. Nach dem Tod seines Vaters, dem Kaufmann und Komödiendichter Carl Leopold Schlemmer, verlässt er die Schule aber bereits 1903 aus finanziellen Gründen. Noch im gleichen Jahr zieht der inzwischen fünfzehnjährige nach Stuttgart, wo er eine Ausbildung als kunstgewerblicher Zeichner in der führenden Intarsienwerkstatt Wölfel & Kiessling beginnt. Ab 1904 besucht er nebenher eine Fortbildungsschule, an der Figurenzeichnen und Stillehre unterrichtet wird.

Nach Abschluss der Lehre schreibt sich Schlemmer an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule ein, die er jedoch nur unregelmäßig besucht und nach einem Semester wieder verlässt. Im Herbst 1906 wird er in die Stuttgarter Akademie für Bildende Künste aufgenommen. Dort macht Schlemmer Bekanntschaft mit Willi Baumeister und Otto Meyer-Amden. Mit letzterem wird Oskar Schlemmer eine lebenslange Freundschaft verbinden. 1909 tritt Schlemmer in die Kompositionsschule von Friedrich von Keller über und damit in die Meisterklasse ein. Zwei Jahre später verschlägt es den Maler nach Berlin, wo er zunächst selbständig weiterzuarbeiten versucht. In diesem Jahr seines Berlinaufenthaltes lernt er sowohl die Formenanalyse des Kubismus’ als auch die französische Avantgarde kennen. Ebenso schließt er erste Kontakte zum so genannten „Sturm“-Kreis um Herwarth Walden.

1913 kehrt Schlemmer nach Stuttgart zurück und wird Meisterschüler bei Adolf Hölzel. In dieser Zeit lernt er das Tänzerpaar Albert Burger und Elsa Hötzel kennen. Mit ihnen findet er Begeisterung am Bühnenwerk; erste Skizzen für sein später berühmtes „Triadisches Ballett“ entstehen bereits hier.

Der Versuch, gemeinsam mit seinem Bruder, 1913 einen „Kunstsalon am Neckartor“ zu eröffnen, der als Ausstellungsfläche avantgardistischer Kunst dienen soll, scheitert nicht zuletzt an einem verheerenden Presseecho. Nach wenigen Monaten muss die Galerie wieder schließen. 1914 erhält er zusammen mit Willi Baumeister den Auftrag, zwölf Wandbilder für die Haupthalle der Deutschen Werkbundausstellung in Köln auszuführen. In diesem Zusammenhang wird der spätere Bauhausgründer Walter Gropius erstmals auf Schlemmer aufmerksam.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges, meldet sich Schlemmer freiwillig zum Dienst. Er wird zunächst an der Westfront, später an der Ostfront in Russland eingesetzt. Verletzung und anschließende Rekonvaleszenz ermöglichen ihm jedoch die Fortsetzung seiner Malerei. 1918 stellt er gemeinsam mit Willi Baumeister Arbeiten im Stuttgarter Kunsthaus Schaller vor. Eine weitere Gemeinschaftssaustellung folgt zwei Jahre später in der Galerie „Der Sturm“ in Berlin. Bereits 1919 hatte sich Schlemmer gemeinsam mit Baumeister und anderen Kunstschaffenden zur „Üecht-Gruppe“ zusammengeschlossen, einer Künstlervereinigung, die sich - allerdings erfolglos - für eine umfassende Reform des Kunstunterrichts einsetzte und für die Berufung von Paul Klee nach Stuttgart eintrat.

[Bearbeiten] 1920–1932

Im Herbst 1920 heiratet Schlemmer Helena Tutein. Die Ehe bringt drei Kinder hervor. Noch im selben Jahr wird er von Walter Gropius an das Bauhaus in Weimar berufen. Dort wird ihm die Leitung der Werkstatt für Wandbildmalerei übertragen; später die für Holz- und Steinbildhauerei.

Im Folgejahr gestaltet Schlemmer Bühnenbilder und Kostüme für Operneinakter von Franz Blei und Oskar Kokoschka, zu denen Paul Hindemith die Musik komponiert. Im September 1922 wird sein „Triadisches Ballett“ in Stuttgart uraufgeführt; ein dreigliedriger Tanz, dessen Tanzfolgen sich vom Scherzhaften zum Ernsthaften entwickeln. So genannte „Figurinen“, von Schlemmer entwickelte Kostümkörper, zielen dabei auf eine erste „Demonstration raumplastischer Kostüme“. Oskar Schlemmer übernimmt 1923 die Ausführung für die Wandgestaltung im Weimarer Werkstattgebäude.

1925 übersiedelt das Bauhaus nach Dessau, wo Schlemmer nun auch die Bauhausbühne als eigenständige Abteilung leitet. Er verfasst den grundlegenden Artikel „Mensch und Kunstfigur“, in welchem er den Anspruch allgemeingültiger Typisierung mittels Maskierung und Kostümierung formuliert.

Eine Neuauflage des „Triadischen Balletts“ mit Orgelmusik von Hindemith erfolgt ab 1926 in mehren deutschen Städten. Die Aufführungen machen Schlemmer international bekannt. Es folgen Einladungen zu Ballettaufführungen in Paris und New York.

Ab April 1928 übernimmt er umfangreiche Lehrverpflichtungen am Bauhaus. Neben Zeichenunterricht und Bühnetheorie etabliert Schlemmer das Unterrichtsfach „Der Mensch“, das sich an zeichnerich-formalen, biologischen und philosophischen Inhalten versucht.

Im Sommer 1929 verlässt Schlemmer das Bauhaus und wird im Juni von Oskar Moll an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe Breslau berufen, wo er bis zur Schließung 1932 unterrichtet. Er wird mit der Leitung einer Bühnenkunstklasse beauftragt und entwickelt das Lehrgebiet „Mensch und Raum“. Fast ein Jahr zuvor hatte er einen Auftrag zur Wandgestaltung des Brunnenraumes im Museum Folkwang in Essen angenommen. An seiner endgültigen Fertigstellung arbeitet er bis 1930.

Zu Beginn seiner Breslauer Zeit übernimmt Oskar Schlemmer die Bühnengestaltung für zwei Kurzopern von Igor Strawinsky. Das musikalische Drama „Die glückliche Hand“ von Arnold Schönberg wird schließlich die letzte Szenengestaltung Schlemmers, die zur Aufführung gebracht wird.

Schlemmer steht nun auf dem Höhepunkt seines Wirkens. Bei Ausstellungen in Basel, Köln und Darmstadt erfährt er Anerkennung und erhält Auszeichnungen. Er ist bei der XVII. Biennale Venedig vertreten, zeigt Bilder in München und Essen und nimmt an Gruppenausstellungen zeitgenössischer Kunst in Belgrad, Zagreb, New York und Brüssel teil. Die Berliner Galerie Flechtheim veranstaltet Anfang 1931 schließlich eine Einzelausstellung, die später nach Krefeld und Zürich wandert.

Die politische Radikalisierung durch die NSDAP führt zunehmend zu Diffamierungen moderner Kunst und Künstler. Bereits 1930 war Schlemmers Wandgestaltung für das Weimarer Werkstattgebäude auf Anordnung des thüringischen Staatsministers für Inneres und Volksbildung Wilhelm Frick übermalt worden.

Ende März 1932 stellt die Breslauer Akademie durch Notverordnung ihren Lehrbetrieb weitgehend ein. Wenige Monate später siedelt Schlemmer nach Berlin über, wo er einen Lehrauftrag an den Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe annehmen kann. Oskar Schlemmers bekanntestes Gemälde entsteht, „Bauhaustreppe“ (Museum of Modern Art, New York).

[Bearbeiten] 1933–1943

Die Machtergreifung Adolf Hitlers zu Beginn des Jahres 1933 läutet Schlemmers letztes Lebensjahrzehnt ein; für ihn eine Zeitspanne geistig-existentieller Verdüsterung. Zum gesellschaftlichen Unglück tritt das private: Otto Meyer-Amden, Schlemmers bester Freund und geistiger Partner, stirbt.

Nach und nach wird Schlemmer nun aus der öffentlichen Kunstszene ausgeschaltet. Im März wird seine erste große Retrospektive in Stuttgart noch vor der Eröffnung von den Nationalsozialisten geschlossen. Die Nazi-Presse bezeichnet Schlemmer als „Kunstbolschewisten“. Im Mai erfolgt seine fristlose Kündigung an den Berliner Vereinigten Kunstschulen. 1934 fallen seine Wandbilder für das Essener Museum Folkwang dem Bildersturm der Nationalsozialisten zum Opfer. Schlemmer lässt sich mit seiner Familie in Eichberg nieder und zieht sich aus dem offiziellen Kunstbetrieb zurück.

1937 eröffnet im Deutschen Haus der Kunst in München die Schmähausstellung „Entartete Kunst“, bei der Schlemmer mit fünf Gemälden vertreten ist. Wenige Wochen später taucht eines seiner Bilder in der Berliner Propagandaschau „Bolschewismus ohne Maske“ auf. Eine kleine Erbschaft ermöglicht Schlemmer im Herbst den Umzug in ein eigenes Haus nach Sehringen bei Badenweiler, wo er jedoch bald in finanzielle Bedrängnis und existentielle Nöte gerät. Er entschließt sich 1938, eine Anstellung beim Stuttgarter Malerbetrieb Albrecht Kämmerer anzunehmen, die ihm durch Vermittlung Baumeisters angeboten wurde. Zu den für einen Künstler unbefriedigenden Arbeiten dieser Zeit gehören verschiedene Ausmalungen an Bauten sowie Tarnanstriche für Militärflughäfen und Industrieanlagen.

Im Herbst 1940 siedelt Oskar Schlemmer nach Wuppertal über, wo er in der Firma des Lackfabrikanten Dr. Kurt Herberts die künstlerische Verwendung von Lackfarben erproben soll. Der Unternehmer bietet auch einer Reihe anderen Künstlern Arbeitsmöglichkeiten, unter ihnen Carl Grossberg, Georg Muche und Willi Baumeister. Offiziell werden sie als Professoren für Maltechnik geführt. Bei Herberts wirkt Schlemmer an einer Publikationsreihe mit, die unterschiedliche maltechnische Ergebnisse zusammenfasst. Es entsteht der Plan zu einem „Lackkabinett“, Wand- und Deckenbetafelungen, die sich zu einem Gesamtkunstwerk verbinden sollen. Das Projekt wird aus Kostengründen nicht realisiert. Stattdessen beginnt Schlemmer 1942 mit den Wuppertaler „Fensterbildern“ seine finale Werksgruppe.

Die fremdbestimmte Lebenszeit durch Auftragsarbeiten sowie die Ermangelung, eigenes Kunstschaffen vorantreiben zu können, lösen bei ihm in jener Zeit jedoch seelische und körperliche Erschütterungen aus, die in einem chronischen Schwächezustand einmünden. Nach diagnostizierter Gelbsucht und akuter Diabetes sowie einem Koma-Anfall, folgen Aufenthalte in Krankenhäusern in Stuttgart und Freiburg. Sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich in den Folgemonaten. Im April 1943 begibt er sich in ein Sanatorium in Baden-Baden, wo er bereits nach wenigen Tagen Aufenthalts einer Herzlähmung erliegt. Er wird auf dem Waldfriedhof in Stuttgart-Degerloch beigesetzt.

[Bearbeiten] Werk

[Bearbeiten] 1906–1919

Bereits in einer frühen Phase deutet Schlemmer sein Interesse für Puppen- und Maskenhaftes an (Stillleben mit drei Kasperpuppen, 1906). Die Figur im Raum wird sein großes Gleichnis sein. Schlemmers Akademiejahre sind jedoch noch durch einen Plural von Formen und Stilistiken gekennzeichnet, die zunächst unvermittelt nebeneinander stehen. Es entstehen Ölbilder in pastoser Malweise, Ansätze schwäbischer Freilichtmalerei und Bekundungen französischer Peinture (Halbakt im Interieur, 1909). Während in Jagdschloss im Grünwald (1911) die Auseinandersetzung mit dem frühen Kubismus anklingt und das Verhältnis von Raumdimensionen zu Flächendimensionen erprobt wird.

Ab 1912 tendiert Schlemmer in figürlichen Darstellungen zur systematischen Aufhebung individueller Attribute (Weiblicher Kopf in Grau, 1912). In dieser Phase gelangen seine Arbeiten zu höheren Stufen der Objektivierung und Entpersönlichung. Figurale Abstraktionen weisen bereits den Weg auf allgemeingültige Typengestaltung, der mit dem Werk Geteilte Figur (1915) in die vollständige Abstraktion führt. Ein Achsenkreuz aus horizontalen und Vertikalen Linien bildet hierbei das Bezugssystem für die Umrissfigur.

Nach Ausführungen von Wandbildern für die Haupthalle der Deutschen Werkbundausstellung in Köln im Jahre 1914, in denen der Stuttgarter sich in architekturbezogener Ausmalung üben kann, resultiert seine formelle Vereinfachung 1916 in das Bild Homo, das eine Grundfigur im Seitenprofil zeigt, die in modifizierter Form immer wieder erscheinen wird.

Schlemmers Bemühungen um überindividuelle, typenhafte Figurisation werden in der vielfigurigen Komposition Plan mit Figuren (1919) gebündelt. Schematische Umrissfiguren sind hier in eine Fläche eingepasst und ins Modulare verstärkt. Anthropomorphe Gestalten werden auf Kunstfiguren reduziert. Schlemmer versucht sich nun auch an verschiedenen Reliefplastiken, die seine Formensprache in die Raumperspektive ausdehnen (Ornamentale Plastik auf geteiltem Rahmen, 1919/23).

[Bearbeiten] 1920–1932

Oskar Schlemmers Kunstschaffen lässt sich keiner der damals vorherrschenden Stilbezeichnungen zuordnen. Zwar ist seine Malerei mit den konstruktivistischen Prinzipien von Linie, Tektonik und Ökonomie verbunden, aufgrund seines durchdringenden Leitbildes vom „Mensch als Maß und Mitte“ von diesen jedoch getrennt. Schlemmers „Mitte-Begriff“ zielt auf ein Ringen um Ausgleich und Vereinigung. Als deutscher Künstler, also aus dem „Land der Mitte“ kommend, glaubt er sich einer Vermittlung gegensätzlicher Kräfte besonders verpflichtet. Daraus erklärt sich sein lebenslanges Streben nach Synthese, Harmonie und Universalität, das in der mittleren Phase seines Kunstlebens besonderen Ausdruck erfährt.

Ab 1923 entstehen jene Bilder, die Schlemmers Ruhm begründen. Die Bauhausidee, die alles Gestaltbare funktional ästhetischer Prägung unterziehen soll, will Architektur, Malerei und Plastik miteinander verschmelzen und gleichzeitig zur Versöhnung zwischen Technik und Kunst sowie Mensch und Zivilisation beitragen. Der Kern dieser Idee findet nun Eingang in Schlemmers Werk. Er befreit seine Bilder von störendem Beiwerk und aller Zufälligkeit. Mit Tischgesellschaft (1923) behandelt er nicht nur eines seiner Lieblingsthemen, er führt auch die figürliche Rückenansicht ein, ein Motiv, das nun immer häufiger bildbestimmend sein wird. So bei Vorübergehender (1924/25).

Mit dem Bild Römisches (1925), das Klassizistische Anleihen birgt, wird die zuvor strenge Planimetrie in perspektivische Raumtiefe überführt. Sich überschneidende Figuren gehen vielseitige Beziehungen zur Raumumgebung ein. Die Anatomie der menschlichen Gestalt tritt in spannungsreiche Wechselwirkung mit dem Raum. Auch die Palette ändert sich, wird farbiger und kontrastreicher.

Schlemmer findet nun zu seinem Sinnbild des modernen Menschen, ein überindividueller, sachlicher und überzeitlicher Typus, den er mit der Idee des modernen Baus verknüpft. Mensch und Raum werden verzahnt, Schlemmers Bildwelten überwinden die strikte Trennung von figürlich-organischer Lebendigkeit und räumlich-technischer Konstruktion.

Schlemmer verzichtet bei seinen Figuren auf physiognomische oder physische Besonderheiten, die dem Einzelnen Gepräge, Identität verleihen. Seine Geschöpfe sind stereometrische Gliederpuppen, homogen und austauschbar. Jedoch sind sie nicht Ausdruck großstädtischer oder zivilisatorischer Anonymität, wie noch bei George Grosz oder Giorgio de Chirico. Vielmehr beschreibt der Maler sein Menschenbild als technisch funktional. Zugleich spiegelt er den Körperkult der zwanziger Jahre wider, der sich durch Rückbesinnung auf die natürliche Schönheit des Menschen äußert. Nicht nur ein neues Körperbewusstsein, sondern die Hinwendung zu einem neuen Lebensgefühl, in dem Organismus und Geist einheitlich zusammenwirken, ist das Begehren, welches Erziehungsreformer dieser Zeit anstreben und von dem auch Schlemmer nicht unberührt bleibt. Damit werden Schlemmers Figuren zu Gegenthesen reiner Kreatürlichkeit.

Er entdeckt die menschliche Gestalt, die weder Individuum noch Ausdrucksträger sein soll, als Ideal des Absoluten, eingespannt in den tektonisch gegliederten Raum. „Ich will Menschen-Typen schaffen und keine Porträts, und ich will das Wesen des Raumes und keine Interieurs.“ Planimetrische und stereometrische Bezüge verbinden sich auch in Vierzehnergruppe in imaginärer Architektur (1930) zu einer bildtragenden figuralen Reihung. Menschenkörper bilden eine gymnastische Formation aus, die die Architektur des Raumes überlagert.

Zwischen 1928 und 1930 gestaltet Schlemmer Wandbilder für den Brunnenraum des Museums Folkwang in Essen. Sein Thema ist auch hier das Gesamtkunstwerk, in dem sich die Gesetze des Raumes und das Maß des Menschen begegnen.

Ab 1931 entsteht eine Gruppe von Bildern, die Treppen und Geländermotive zum Gegenstand haben (Gruppe am Geländer, 1931). Figuren sind nun hinter- und übereinander gestaffelt und in einer rasterhaften Flächigkeit koordiniert. Achsiale oder diagonale Geländerverstrebungen steuern Rhythmus und Struktur der Bilder. Die strenge Flächentektonik rückt ihn in die Nähe Piet Mondrian, von dem Schlemmer behaupten soll, er sei ja „eigentlich der Gott des Bauhauses“.

Schlemmers Vorliebe für Geländermotive hat neben einem künstlerischen Aspekt auch einen psychologischen Hintergrund. In einem tieferen Sinne symbolisiert das Geländer eine Art Stütze, einen festen Halt vor den unkontrollierbaren Mächten des Irrationalen. Maß und Einheit dient hier dem Zwecke der Disziplinierung. Das Geländermotiv bürgt für feste Ordnung und ist dem Gefühl von Chaos und Zerfall entgegengesetzt, das angesichts der politischen Krisensituation zu Beginn der dreißiger Jahre das vorherrschende Zeitgefühl ist. „Wir brauchen Zahl, Maß und Gesetz als Wappnung und Rüstzeug, um nicht vom Chaos verschlungen zu werden“, fordert Schlemmer selbst.

Anders akzentuiert transportiert Schlemmer das Geländermotiv auch in Bauhaustreppe (1932). Drei turmartig gestaffelte, aufwärts strebende Rückenfiguren in einer lichten Architektur werden zum Wahrzeichen der Jugendkult-Bewegung des 20. Jahrhunderts, zum Symbol aufstrebender Jugendlichkeit in eine leuchtende Zukunft. Bauhaustreppe formuliert die Befreiung des Menschen selbst, ist Leitbild und Ausdruck ungebrochener Moderne. Es beschreibt die Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum, zwischen Menschheit und Zivilisation und äußert die Vision einer künftigen Kultur.

[Bearbeiten] 1933–1943

Schlemmers Figurendarstellungen erfahren eine Wandlung. In einer Reihe von Übermalungen wird seine Palette tieftonig-düster (Dunkle Gruppe, 1936). Die bedrohlich wirkende Atmosphäre, die von seinen Bildern nun ausgeht, reflektiert seinen seelischen Zustand. Schlemmers Malerei zeugt jetzt von Abkehr und Introspektion. Sein künstlerischer Zenit ist überschritten. Es entstehen noch verschiedene Aquarelle und ab 1940 eine Reihe Wuppertaler Stadtansichten sowie Versuchstafeln für das Projekt Modulation und Patina.

Im Sommer 1942 beginnt Schlemmer seine letzte Werksgruppe: Die Wuppertaler Fensterbilder, variierende Fensteransichten auf Karton oder Ölpapier. Die reduzierte Farbigkeit, die verschiedentlich mit Pinsel, Farbstift oder Öl aufgetragen ist, zeigt diverse Wohn- und Innenraumszenen, meist von rechtwinkligen Fensterrahmen umgrenzt. Die Bilder, in denen Gefühle der Sehnsucht und Melancholie mitschwingen, können nicht mehr an die ausdrucksstarken Darstellungen der 20er und 30er Jahre anschließen und bleiben letzte Zeugnisse einer vielschichtigen Künstlerbiographie.

[Bearbeiten] Nachbetrachtung

Seine Werke werden auf der documenta 1 (1955), der documenta II (1959) und der documenta III im Jahr 1964 in Kassel gezeigt.


[Bearbeiten] Museen und Sammlungen

[Bearbeiten] Literatur

  • Kirchmann, K. (1999): Oskar Schlemmer, in: Fiedler, J./Feierabend, P. (Hrsg.), Bauhaus, Köln, S. 280–287
  • Maur, K. v. (1979): Oskar Schlemmer. Monographie und Œuvrekatalog der Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Plastiken, 2 Bde., München
  • Maur, K. v. (1993): Oskar Schlemmer. Der Folkwang-Zyklus. Malerei um 1930, Stuttgart
  • Ruhrberg, K. (2000): Kunst als sozialer Auftrag. Die Maler am „Bauhaus“ unter Walter Gropius, in: Walter, I. F. (Hrsg.), Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln, S. 176–183
  • Schmitz, N. M. (1999): Oskar Schlemmers anthropologisches Design, in: Fiedler, J./Feierabend, P. (Hrsg.), Bauhaus, Köln, S. 288–291
  • Wesemann, A (1999): Die Bauhausbühne, in: Fiedler, J./Feierabend, P. (Hrsg.), Bauhaus, Köln, S. 532–547

[Bearbeiten] Weblinks

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