Schloss Wiepersdorf
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Schloss Wiepersdorf liegt in Wiepersdorf, Gemeinde Niederer Fläming, südöstlich von Jüterbog (Land Brandenburg).
Es beherbergt das Künstlerhaus, das zu Vorlesungen, Konzerten und Ausstellungen dient, sowie ein kleines Museum, das der „Freundeskreis Schloss Wiepersdorf“ eingerichtet hat. Die Orangerie ist derzeit geschlossen, nach der Renovierung soll dort eine Gaststätte eingerichtet werden. Der Schlosspark ist frei zugänglich.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Erbauung
Anstelle des heutigen Schlosses stand zunächst ein Herrenhaus der Familie von Leipzig. Um 1730 erwarb der preußische Offizier Gottfried Emmanuel von Einsiedel den Besitz und ließ auf den Grundmauern des Herrenhauses das Schloss erbauen. Als General bei König Friedrich II. von Preußen in Ungnade gefallen, starb Einsiedel 1745 auf dem Schloss und wurde in der Schlosskapelle beigesetzt. Gerüchte um seine angebliche Ermordung auf Befehl des Königs wollten nie verstummen. Angeblich soll der Geist des Generals nachts ruhelos durch Schloss und Park wandeln.
[Bearbeiten] Familie von Arnim
Der Schwiegersohn Einsiedels verkaufte 1780 den Besitz an den preußischen Kammerherrn Joachim Erdmann von Arnim. Dessen Sohn Ludwig Achim von Arnim und seine Frau Bettina zogen 1814 von Berlin nach Wiepersdorf. Bettina von Arnim verließ jedoch 1818 zumindest zeitweise wieder das Gut und ging zurück nach Berlin, während sich ihr Mann nur zu kurzen Besuchen in Berlin aufhielt. Nach dem Tod Achims von Arnim 1831 wurde sein Sohn Freimund von Arnim Herr auf Wiepersdorf. Im Jahr 1844 kehrte auch Bettina von Arnim für längere Aufenthalte in das Schloss zurück.
Um die Gerüchte über die angebliche Ermordung des vormaligen Schlossherrn Gottfried Emmanuel von Einsiedel endlich auszuräumen, ließ König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1856 das Grab des Generals öffnen. Da das Skelett unversehrt und vollständig war, schloss man das Grab wieder und betrachtete von Staats wegen die Sache als erledigt. Die Spukgeschichten in Dorf und Schloss konnte man dadurch jedoch nicht beenden.
[Bearbeiten] Das Dritte Reich
Bis zum Ende des Dritten Reiches blieben Schloss und Gut im Besitz der Familie von Arnim. Friedmund von Arnim, der sich um eine große Familie und die tief verschuldeten Gutsbetriebe von Zernikow und Wiepersdorf zu kümmern hatte, und seine Frau Clara, als Mutter von sechs Kindern mit der Führung des großen Gutshaushalts voll ausgelastet, konnten sich allerdings kaum um die Pflege des literarischen Nachlasses kümmern.
Viel war damals ohnehin nicht zu erreichen, da die offizielle Germanistik vollständig von den Nationalsozialisten beherrscht wurde. Friedmund von Arnim sorgte jedoch dafür, dass sein Schwager Walther Encke, der wegen seines Widerstands gegen den umstrittenen Regierungsantritt von Papens in Preußen am 20. Juli 1932 seinen Posten als Polizeimajor in Berlin verloren hatte und nach der Machtergreifung der Nazis zusätzlich gefährdet war, eine erste Bestandsaufnahme vornahm.
In Schloss Wiepersdorf, wo Friedmunds Mutter Agnes von Arnim wohnte, fanden u. a. der von den Nazis als "entarteter Künstler" verfemte Maler Fritz Kuhr und der als "Halbjude" eingestufte Germanist Werner Milch ein Refugium. Werner Milch konnte dort die Arbeit an seinem Buch "Die junge Bettine" beginnen, das nach seinem Tod von Peter Küpper vollendet wurde.
Ohne es zu ahnen, trugen Friedmund von Arnim und seine Schwester Bettina Encke mit ihrer Handlungsweise, die mit dem literarischen Nachlass nicht unmittelbar zu tun hatte, aber ganz dem Denken ihrer Urgroßmutter Bettina entsprach, dazu bei, dass nach dem Kriege Schloss Wiepersdorf und die darin enthaltenen Schätze vor völliger Zerstörung und Vernichtung bewahrt werden konnten: Sie gewährten jemandem Unterschlupf, der in den Augen der Nazis in seiner Person die größten aller denkbaren Übel vereinigte, nämlich Kommunist und Jude zugleich zu sein. Es handelte sich um Dr. Iwan Katz, einen ehemaligen Reichstagsabgeordneten der KPD und Freund Walther Enckes. Friedmund von Arnim hielt ihn zunächst auf seinen Gütern versteckt, während des Krieges verbarg ihn Bettina Encke in ihrer Wohnung in Berlin. Iwan Katz überlebte so die Naziherrschaft und kam nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in eine einflussreiche Position, indem er Mitglied des Berliner Magistrats wurde.
[Bearbeiten] Die Zeit der DDR
1945 wurde das Schloss für kurze Zeit sowjetische Kommandantur und Unterkunft für Kriegsflüchtlinge. Dabei gingen durch Plünderung bereits zahlreiche Einrichtungsgegenstände und Bücher der Bibliothek verloren. Als sich abzeichnete, dass im Zuge der Bodenreform Umsiedler in Schloss Wiepersdorf einziehen würden, drohte diesem weitere Plünderung und Verwahrlosung. Doch Bettina Encke gelang es mit der Unterstützung von Iwan Katz, Mitglieder der damaligen "Abteilung Kunst und Literatur" in der "Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung" in Berlin für den Gedanken zu gewinnen, in dem ehemaligen Arnimschen Familienbesitz ein Dichterheim einzurichten.
Am 16. Juli 1946 wurde eine Stiftung gegründet, die in § 2 ihrer Satzung Schloss Wiepersdorf dazu bestimmte, "Dichtern und Schriftstellern, deren künstlerische Leistung eine Förderung verdient, auf vorübergehende Zeit eine Stätte zu ungestörter und sorgenfreier Arbeit zu bieten." Allerdings wurden das Schloss und die Arnimsche Bibliothek erst im Oktober 1948 unter Denkmalschutz gestellt, so dass bis dahin weitere wertvolle Stücke durch Plünderung verloren gingen. 1951 wurden die Bestände der Bibliothek und der handschriftliche Nachlass des Dichterpaares, soweit in Wiepersdorf noch vorhanden, dem "Bettina-von-Arnim-Archiv" in Berlin eingegliedert. Später wurden sie nach Weimar verbracht, wo sie sich nunmehr als Teil der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek unter der Obhut der Stiftung Weimarer Klassik befinden. Bettina Encke indessen war zwischenzeitlich in Luckenwalde vom NKWD inhaftiert und später in die Westzonen Deutschlands ausgewiesen worden.
In Schloss Wiepersdorf verbrachten in den Folgejahren zahlreiche Schriftsteller, so z. B. Anna Seghers, Alfred Kantorowicz, Arnold Zweig und Sarah Kirsch z. T. wiederholt einige Arbeitswochen . Das Schloss wurde von der DDR unter Denkmalschutz gestellt, mehrmals umgebaut, saniert und modernisiert. Es befand sich in der Rechtsträgerschaft des Ministeriums für Kultur der DDR und ab 1979 des Kulturfonds der DDR. Das Schloss wurde dann als Ferienheim für Mitglieder der Kulturverbände der DDR genutzt.
[Bearbeiten] Nach der Wende
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 kam Schloss Wiepersdorf als Künstlerhaus zur Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer. 1992 erfolgten erneut Umbau und Sanierung sowie der Einbau von Ateliers. Einige Räume wurden als Unterkunft für Pensionsgäste genutzt. Meist hielten sich auf Schloss Wiepersdorf jedoch Künstler auf, die von verschiedenen Stipendiengebern, u.a. einer Jury der Stiftung, ein mehrmonatiges Aufenthaltsstipendium erhalten hatten.
1998 kündigte der Freistaat Sachsen einseitig den bei Gründung der Stiftung Kulturfonds geschlossenen Staatsvertrag unter Mitnahme des in diesem Vertrag allen beteiltigten Ländern zugeschriebenen Anteils am Stiftungsvermögen. Zum Ende des Jahres 2004 folgten diesem Beispiel die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen. Infolge des damit verbundenen Kapitalverlustes musste die Stiftung Kulturfonds in die Liquidation gehen. Eine Rettung des Künstlerhauses durch eine Übernahme in die Zuständigkeit des Bundes gelang nicht, nachdem durch ein Veto Bayerns im Zuge der Debatte um die Föderalismusreform keine Fusion der Kulturstiftung der Länder mit der Kulturstiftung des Bundes zustande kam. Zum Ende des Jahres 2004 wurde allen Beschäftigten gekündigt, und die Stipendiaten mussten bis Mitte Dezember 2004 das Schloss verlassen. Die Zukunft der Immobilie Schloss Wiepersdorf war zu dieser Zeit ungeklärt.
[Bearbeiten] Die jüngere Entwicklung
Das 2004 vorübergehend geschlossene Künstlerhaus wurde am 13. September 2006 unter neuer Trägerschaft wieder eröffnet. Neuer Träger ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, neue Leiterin Anne Frechen, die vorher in Worpswede tätig war. Der Bund kündigte die Finanzierung des noch vorhandenen Defizits der Einrichtung für die nächsten drei Jahre an. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz nahm den viermonatigen Stipendiatenbetrieb wieder auf. Seit August 2006 erhalten die Autoren Yitzhak Laor aus Tel Aviv, Norbert Lange aus Leipzig, Margaret Obexer aus Berlin sowie Rita König aus Rathenow und Wolfgang Zander aus Potsdam Aufenthaltsstipendien.
Clara von Arnim (jetzt Ehrenvorsitzende) initiierte die Gründung des „Freundeskreis Schloss Wiepersdorf“, der ein Museum im Schloss eingerichtet hat und das Erbe des Dichterpaares Achim und Bettina von Arnim bewahren möchte. Bis zur vorübergehenden Schließung im Jahr 2004 hatte der Freundeskreis, unter Vorsitz von Hartwig Schultz vom Freien Deutschen Hochstift (Goethehaus) in Frankfurt am Main, in Wiepersdorf jährlich mehrtägige literarische Kolloquien und „Die Romantischen Tage“ mit Vorträgen und musikalischen Darbietungen zu Bettina und Achim von Armin veranstaltet.
[Bearbeiten] Sehenswürdigkeiten
- Grablege der von Arnims an der evangelischen Kirche. Eine Gedenktafel an der Kirchenwand besagt: „Zum Gedenken an Friedmund Ernst Freiherr von Arnim geboren am 24. Mai 1897 Zernikow/Mark Brandenburg, gestorben am 13. Januar 1946 in Tula/Russland, letzter Herr auf Zernikow, Baerwalde und Wiepersdorf.“
- Callot-Figuren neben dem Schloss: Westlich des Schlosses stehen noch fünf der ehemals sieben sogenannten Callot-Figuren, benannt nach Jacques Callot, der 1616 am Hof Cosimos II. in den Stichen „Varie figure gobbi“ zwergenhafte Krüppel darstellte. Matthias Bernhard Braun (?) schuf nach diesen Vorlagen Skulpturen für das Spital Kuks, die 1740 infolge eines Elbhochwassers überwiegend verloren gingen. Allerdings tauchten später einige dieser Figuren unter der Hand wieder auf, wovon Kurfürst Friedrich August II. sieben Stück heimlich erwarb und in Schloss Pillnitz unterbringen ließ. Als die inzwischen unmodern gewordenen Figuren 1870 bei einem Umbau des Schlosses zum Vorschein kamen, wurden sie an Achim von Arnim-Bärwalde unter der Bedingung verkauft, dass er nichts über ihre Herkunft verraten dürfe. Eine der Figuren wurde 1891 wegen ihrer Anzüglichkeit abgebaut und liegt möglicherweise im Schlossteich, eine weitere wurde 1978 vom DDR-Außenhandelsimperium nach West-Deutschland verkauft und soll sich seit 1992 im privaten BESM (Böblinger Erotisches Skulpturen-Museum) befinden.
[Bearbeiten] Siehe auch
Liste der Burgen und Schlösser
[Bearbeiten] Literatur
- Verena Nolte (Hrsg.): Schloß Wiepersdorf: Künstlerhaus in der Mark Brandenburg, Wallstein-Verlag, Göttingen, 1997. ISBN 3-89244-251-7
- Angelika Fischer (Fotos), Bernd Erhard Fischer (Text): Wiepersdorf: Bettina und Achim von Arnims Schloss und Park; eine Spurensuche, arani-Verlag, Berlin, 2. Aufl. 1996, ISBN 3-7605-8660-0