Severer
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Als Severer bezeichnet man die von Septimius Severus begründete römische Dynastie von Kaisern. Sie regierte – mit einjähriger Unterbrechung durch Macrinus (April 217 bis Juni 218) – von 193 bis 235. Genau genommen waren aber nur die bis 217 herrschenden Kaiser Severer, denn die späteren waren mit Septimius Severus nicht blutsverwandt, sondern stammten von seiner Schwägerin ab.
Die Epoche der Severer wird als eine letzte Phase relativer Ruhe vor der Ära der Soldatenkaiser angesehen. Dennoch war sie keineswegs friedvoll, sondern teilweise von blutigen Machtkämpfen und von Kriegen geprägt. Ein Hauptmerkmal war die zunehmende Bedeutung militärischer Gesichtspunkte und Interessen für die politischen und insbesondere finanzpolitischen Entscheidungen. Die Verwöhnung der Soldaten auf Kosten der übrigen Bevölkerung erwies sich als verhängnisvoll, da es machtpolitisch kaum möglich war, diese wirtschaftlich schädliche Entwicklung einzudämmen oder rückgängig zu machen.
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[Bearbeiten] Severische Kaiser
- Septimius Severus (193–211)
- Caracalla (211–217) und Geta (211)
- Elagabal (218–222)
- Severus Alexander (222–235)
Mit einer fiktiven Adoption des Septimius Severus durch den sehr populären Kaiser Mark Aurel wollten sich die Severer Legitimität und Ansehen verschaffen. Daher trugen Caracalla und Elagabal offiziell den Namen Marcus Aurelius Antoninus, und auch Severus Alexander nannte sich Marcus Aurelius (auf den Namen Antoninus verzichtete er, da dieser durch seinen Vorgänger diskreditiert war).
[Bearbeiten] Die frühen Severer
Die Severerzeit begann mit zwei aufeinanderfolgenden, sehr verlustreichen Bürgerkriegen. Septimius Severus setzte sich gegen zwei Gegenkaiser durch, weil seine Truppen quantitativ und teils auch qualitativ überlegen waren und weil seine Gegner keine fähigen Strategen waren. Er war sich des Umstands bewusst, dass seine Herrschaft nur auf der Loyalität seiner Legionen beruhte, denn im Senat und in der hauptstädtischen Bevölkerung mangelte es ihm an Popularität, vielmehr waren die Sympathien für seine Widersacher groß. Ab 197 ruhten zwar im Inneren die Waffen, doch ging der Sieger dann mit großer Härte gegen die Anhänger der unterlegenen Rivalen vor. Er ließ zahlreiche Senatoren hinrichten und bestrafte eine Reihe von Städten – darunter die Großstadt Antiocheia – streng dafür, dass sie auf der Verliererseite gestanden hatten.
Dennoch wurde seine gesamte Regierungszeit insofern als Stabilitätsepoche erlebt, als es ihm im Gegensatz zu seinen Vorgängern von Anfang an gelang, sich in der Hauptstadt Respekt zu verschaffen. Er trat als Rächer des ermordeten Kaisers Pertinax auf und beendete mit der Auflösung der bisherigen Prätorianergarde die Disziplinlosigkeit in Rom, die Ursache der chaotischen Verhältnisse des „zweiten Vierkaiserjahrs“ 193, welches fälschlich auch als Fünfkaiserjahr bezeichnet wird. Auch nach außen vermochte er das Reich zu stabilisieren. Allerdings scheiterte er an der schwierigen Aufgabe, seine Nachfolge sinnvoll zu regeln.
Nach seinem Tod 211 übernahmen wie vorgesehen seine Söhne Caracalla und Geta gemeinsam die Macht, aber da sie Todfeinde waren, trieb das Reich auf einen Bürgerkrieg zu. Diesen verhinderte nur der Umstand, dass es Caracalla schon nach elf Monaten gelang, seinen Bruder in eine Falle zu locken und ermorden zu lassen. Anschließend errichtete Caracalla eine Terrorherrschaft und veranstaltete Massaker. Das vom Terror erzeugte Klima der Angst und das mit ihm verbundene Spitzel- und Denunziantenwesen trugen wesentlich zur Zerrüttung des Staates und der Gesellschaft bei, deren verhängnisvolle Auswirkungen von einigen begrenzten militärischen Erfolgen des Kaisers nicht wettgemacht wurden. 217 wurde Caracalla auf Veranlassung seines Prätorianerpräfekten Macrinus während eines Partherfeldzuges ermordet.
[Bearbeiten] Unterbrechung der Severerherrschaft
Da Caracalla kinderlos war, starb mit seinem Tod die männliche Nachkommenschaft des Dynastiegründers Septimius Severus aus. Bei den Soldaten, die Caracalla verwöhnt hatte, war die severische Dynastie aber weiterhin sehr populär. Macrinus hingegen, der militärisch unbegabt war und die Bevorzugung und Verwöhnung der Soldaten vorsichtig reduzieren wollte, war im Heer unbeliebt. Er sah sich gezwungen, seine Beteiligung an dem Mordanschlag zu verheimlichen. Das so entstandene Machtvakuum nutzte Julia Maesa, die Schwester der Frau des Septimius Severus, um ihrer eigenen Nachkommenschaft die Kaiserwürde zu verschaffen. Sie begann gegen Macrinus zu agitieren. Ihr Enkel, der vierzehnjährige Elagabal, wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben. Damit konnte das severertreue Militär zum Aufstand gegen Macrinus bewogen werden. Schon im Jahr 218 wurde Macrinus besiegt und getötet. Damit kam die syrische Sippe der Frau des Septimius Severus an die Macht. Dieses Geschlecht war nur scheinbar – wegen der erfundenen Abstammung des neuen Kaisers Elagabal von Caracalla – severisch.
[Bearbeiten] Die späten Severer (syrische Dynastie)
Wegen Elagabals Jugend und weil er sich mehr für Religion als für Politik und Verwaltung interessierte, fiel die Besorgung der Regierungsgeschäfte in erster Linie seiner Großmutter Maesa zu. Maesa konnte aber nicht verhindern, dass sich der sehr eigenwillige Elagabal bald mit seinen orientalischen Sitten und seiner unbesonnenen Religionspolitik verhasst machte. Vergeblich empfahl sie ihm Rücksichtnahme auf die Erwartungen der Römer und vor allem der Soldaten.
Die Dynastie hatte in Rom, wo Caracallas Tod im Senat bejubelt worden war, keinen eigenen Rückhalt und war völlig auf das Wohlwollen der dort stationierten Soldaten angewiesen. Angesichts der sich abzeichnenden Katastrophe begann Maesa zusammen mit ihrer jüngeren Tochter Julia Mamaea, deren jugendlichen Sohn Severus Alexander als Nachfolger seines Vetters Elagabal aufzubauen. Auch er wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben. Elagabal musste ihn adoptieren und zum Caesar erheben. Aus der Rivalität zwischen den beiden Vettern entwickelte sich ein Existenzkampf. Am 11. März 222 wurde Elagabal von meuternden Soldaten ermordet, und Severus Alexander übernahm die Kaiserwürde. Es zeugt von Maesas taktischem Geschick, dass dieser heikle Machtwechsel glatt verlief, obwohl der neue Kaiser erst dreizehnjährig war, die Syrer nach den Erfahrungen mit Elagabal alles andere als beliebt waren und die Soldaten ohne Weiteres eine Person ihrer eigenen Wahl hätten zum Kaiser ausrufen können.
Damit war der Fortbestand der Dynastie vorerst gesichert. Julia Maesa starb aber schon bald (wohl im Jahre 224), und nun übernahm ihre Tochter Julia Mamaea, die Mutter des Severus Alexander, die Macht, die sie von da an bis zum Ende nicht mehr aufgab, auch als ihr Sohn längst erwachsen war. Julia Mamaea machte auch nach außen in ihrer Selbstdarstellung kein Hehl aus ihrer dominierenden Rolle. Diese Art Regierung konnte aber nur in Friedenszeiten funktionieren. Im Krieg respektierte das Heer den unselbständigen Kaiser nicht, und seine Mutter hatte als Frau an der Front keine Autorität. Da Severus Alexander keine Nachkommen hatte und die Nachfolge nicht geregelt war, war für tüchtige und beliebte Kommandeure die Versuchung zum Staatsstreich groß. Auf einem verlustreichen Feldzug gegen die Perser im Jahr 232 entstand Unmut. Für diesen Feldzug waren die nördlichen Grenzen teilweise entblößt worden, was zu Angriffen der Germanen führte. Dies erbitterte die an den europäischen Grenzen stationierten Soldaten, die die Syrerin Julia Mamaea einer Bevorzugung ihrer Heimatregion verdächtigten. Als der Kaiser und seine Mutter sich nach Mainz begaben, um die Nordgrenze zu sichern, kam es dort im Jahr 235 zu einer Meuterei. Julia Mamaea und Severus Alexander wurden getötet. Das war das Ende der Dynastie.
[Bearbeiten] Gesellschaftliche und politische Umwälzungen
Die Severer stammten aus Nordafrika, der Heimat des Septimius Severus, und aus Syrien, der Heimat seiner Frau und seiner Schwägerin. Septimius Severus pflegte die Verbindung mit seiner Heimat. Unter dieser Dynastie gewannen die Provinzen gegenüber der Hauptstadt Rom an Gewicht. Der Konflikt mit den Parthern bzw. später den Persern trat zunehmend in den Mittelpunkt der römischen Außenpolitik. Die Bedrohung durch die Germanen hingegen konnten die Severer gut eindämmen; erst am Ende ihrer Epoche entstand an den nördlichen Grenzen eine ernsthafte Bedrohung.
Politisch öffnete sich die römische Gesellschaft stärker als bisher den nichtrömischen Bewohnern des Riesenreiches. Durch die Verfassungsreform Caracallas (Constitutio Antoniniana), die fast allen freien Bewohnern des Imperiums das Bürgerrecht gewährte, wurde diese Entwicklung vorangetrieben.
[Bearbeiten] Rezeptionsgeschichte
Unter den Severern kam es zu einem beispiellosen Einfluss der Frauen am Hof und vorübergehend – unter Elagabal – zu einem schweren Konflikt zwischen syrischen und römischen Bräuchen und religiösen Vorstellungen. Dieses Zusammentreffen weiblicher Machtausübung mit einem Eindringen orientalischer Sitten, dazu der Terror Caracallas und die Unselbständigkeit des „Muttersöhnchens“ Severus Alexander haben in der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts zu einer oft sehr negativen Beurteilung der Severerzeit als einer Dekadenzepoche geführt. Dabei machten sich klischeehafte Vorstellungen über typisch orientalische Eigenschaften, denen man eine zersetzende Rolle zuschrieb, bemerkbar. Die neuere Forschung hat sich davon emanzipiert und bemüht sich auch um eine unbefangene Würdigung der Leistungen der syrischen Frauen. Dabei hat sie gegen den Einfluss populärer Sachbücher anzukämpfen, die – ebenso wie schon manche antike Quellen – das sensationell, krankhaft und dekadent Wirkende aufbauschen und damit den Blick auf die historisch relevanten Fakten verstellen.
[Bearbeiten] Literatur
- Brian Campbell: The Severan Dynasty, in: Alan K. Bowman u.a. (Hgg.): The Cambridge Ancient History 12. The Crisis of the Empire, AD 193–337, Cambridge 2005, S. 1ff. (gut lesbarer Überblick über den aktuellen Forschungsstand).
- Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. Aufl., München 2002, S. 600–634 und S. 839 (Bibliographie).
- Gerold Walser: Die Severer in der Forschung 1960–1972, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II.2 (1975), S. 614–656.