Stadttheater Magdeburg
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Das Stadttheater Magdeburg war ein Theater in der Altstadt von Magdeburg und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Errichtung
Zwischen 1873 und 1876 wird auf dem Gelände der zuvor abgebrochenen Festungsanlagen eine neues Stadttheater an der Kaiserstraße errichtet. Bauherr war eine zuvor eigens gegründete Aktiengesellschaft. Die Planung war dem Direktor der Berliner Bauakademie Richard Lucae übertragen. Die Bühnenmaschinerie wurde von einer Darmstädter Firma erstellt, die auch für das Festspielhaus Richard Wagners in Bayreuth tätig war.
Das Theater verfügte über 1200 Plätze.
Die Eröffnung fand am 6. Mai 1876 mit Goethes Egmont statt.
[Bearbeiten] Beginn unter Friedrich Schwemer, 1876-1877
Erster Theaterdirektor wird der zugleich auch als Oberregisseur agierende Friedrich Schwemer. Er ist einem Generaldirektor und einem Major als Vertreter des Aufsichtsrates unterstellt. Das Theater wird in 3 Sparten (Oper, Operette und Schauspiel) gegliedert, wobei die Oper dominiert.
Der erste Spielplan stellte sich weder politisch gewagt noch ästhetisch innovativ dar. Neben Egmont werden Der Freischütz, Der Widerspenstigen Zähmung und Fidelio gezeigt. In den ersten 8 Monaten stehen insgesamt dann 19 Opern auf dem Spielplan
Einziges Wagnis ist die Inszenierung des Stücks Ein Falissement von Bjørnstjerne Bjørnson. Tatsächlich gerät diese Inszenierung zum finanziellen Fiasko. Schwemer muss Konkurs anmelden und wird entlassen.
[Bearbeiten] Ludwig Ubrich, 1877-1882
Nachfolger wird Ludwig Ubrich. Mit Sparmaßnahmen und deutlich schlichteren Aufführungen versucht Ubrich das Theater wirtschaftlich zu führen. Es gibt bereits Forderungen, dass die Stadt das Theater übernehmen soll.
[Bearbeiten] Adolf Varena, 1882-1891
Unter dem Nachfolger Adolf Varena gewinnt die große Oper am Stadttheater weiter an Gewicht. Die vorhandenen Kapazitäten ermöglichen es auch Wagner-Aufführungen ausschließlich mit eigenem Personal durchzuführen. Strukturell zieht sich der Aktienverein aus der Theaterarbeit bereits 1882 zurück. Die Stadt Magdeburg übernimmt 1890, 6 Jahre vor dem ursprünglich geplanten Termin, sämtliche Aktien und wird somit Eigentümerin der Immobilie. Zu gleich wird das Theater auf 30 Jahre verpachtet. Vorsitzender des gebildeten Verwaltungsausschuß wird Oberbürgermeister Friedrich Bötticher.
[Bearbeiten] Arno Cabisius, 1891-1907
Unter Arno Cabisius setzt sich der künstlerische Aufstieg des Theaters fort. Eine Ring-Inszenierung und ein Mozart-Zyklus bringen überregionale Beachtung. Die Qualität des Stadttheaters erfährt in der Fachpresse positive Kritiken. Der Schwerpunkt liegt weiterhin auf der Oper, an deren Erfolge das Schauspiel nicht heranreicht.
1901 werden mit großem Erfolg die Maifestspiele, anlässlich des 25. Theaterjubiläums, gefeiert.
1897 wird das Orchester städtisch und wird nunmehr vom Theater angemietet.
Im März 1907 verstirbt Cabisius überraschend. Seine Witwe führt den Betrieb bis zum Ende der Spielzeit 1907/1908 fort.
[Bearbeiten] Carl Coßmann, 1908-1912
Als neuer Theaterdirektor wird Carl Coßmann gewonnen. Auch er muss, wie seine Vorgänger, das Theater von der Stadt pachten. Es setzt ein schneller Niveau- und Bedeutungsverlust des Theaters ein. Die ungünstige Pachtsituation und die durch Eröffnung des neuen Zentral-Theaters (am heutigen Universitätsplatz) verschärfte Konkurrenzlage führen zunehmend zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Zwar gelingt es dem neuen Oberspielleiter Heinrich Vogeler dem Schauspiel wieder eine größere Bedeutung zu geben, 1912 wird jedoch über das Vermögen Coßmanns ein Konkursverfahren eröffnet.
[Bearbeiten] Heinrich Hagin, 1912-1913
Nachfolger wird Heinrich Hagin. Er bleibt jedoch zeitgleich Direktor des Stadttheaters Karlsruhe und der Kroll-Oper Berlin. Nach nur 2 Jahren gibt er sein Amt in Magdeburg wieder auf.
[Bearbeiten] Heinrich Vogeler, 1913-1930
Der frühere Oberspielleiter Heinrich Vogeler wird daraufhin gebeten als Leiter des Stadttheaters nach Magdeburg zurück zukehren. Vogeler pachtet das Theater von der Stadt zu gleich erhält er jedoch erstmalig ein jährliches Einkommen (12.000 Mark) garantiert. Er tritt ein schweres Erbe an. Magazin, Garderobe und Bibliothek des Theaters sind durch Pfändungen völlig leer.
Die erste Spielzeit wird jedoch bereits ein Erfolg. Schwerpunkte liegen bei Verdi und Wagner. Vogeler holt bekannte Sänger der großen Opernhäuser für die eigenen Inszenierungen.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges führt auch am Theater zu erheblichen Problemen. Erst mit 3-wöchiger Verspätung beginnt am 17. September 1914 die neue Spielzeit. Der Spielplan ist bald von national-konservativen Stücken wie Das eiserne Kreuz, Lieb Vaterland, magst ruhig sein und Das Volk in Waffen geprägt. Vogeler lässt jedoch die Stücke von Autoren aus nun feindlichen Ländern (Verdi, Shakespeare und Puccini) im Programm. Bereits ein Jahr später sind die vaterländischen Stücke wieder vom Spielplan verschwunden. Statt dessen geht der Geschmack des Publikums zu traditionellen Stücken von Hebbel, Grillparzer und Ibsen. Die in anderen Orten beginnenden Aufführungen expressionistischer Werke geht am Magdeburg Stadttheater in dieser Zeit völlig vorbei.
Neben den Problemen mit Einberufungen von Mitarbeitern zum Militär, schlagen jedoch auch bald die beginnenden wirtschaftlichen Probleme der Bevölkerung auf das Theater durch. Um den dadurch sinkenden Zuschauerzahlen zu begegnen, senkt Vogeler die Eintrittspreise und die Sologagen deutlich. Bis Kriegsende gelingt es so stabile wirtschaftliche Verhältnisse für das Theater zu schaffen.
Im Sommer 1917 pachtet Vogeler das Magdeburger Viktoriatheater als zweite Spielstätte und erhöht so die Flexibilität des Theaters.
Trotz Kriegsende und Niedergang der Monarchie 1918 zeigt das Stadttheater, abgesehen von einer zeitweisen Hinwendung der Oper zum Verismus, keine Auseinandersetzung mit den veränderten politischen Verhältnissen.
Wichtigstes künstlerisches Ereignis ist in dieser Zeit die Erstaufführung der Parsifal-Inszenierung im April 1920. Sie wird 32 mal wiederholt.
Im strukturellen Bereich erfolgen jedoch bald Änderungen, die zu einer deutlichen Stärkung des Theaters führen. Auf Beschluss des neu gewählten Stadtrats, SPD und USPD verfügen nun über 45 von 81 Sitzen, wird zunächst die Spielzeit verlängert und Eintrittspreise erhöht. Es folgt der Abschluss eines ersten Tarifvertrags und am 1. Mai 1920 die Übernahme des Theaters in städtische Regie. Es werden die Städtischen Bühnen Magdeburg gegründet, zu denen neben dem Stadttheater auch die angepachteten Häuser Viktoria-Theater und Wilhelm-Theater gehören. Oberbürgermeister Hermann Beims übernimmt den Vorsitz des Theaterausschusses.
Vogeler nutzt die neue Situation zu einer Neuordnung der Sparten. Das Stadttheater wird zur Opern-Spielstätte. Das Schauspiel nutzt das Stadttheater nur noch an 6 Tagen im Monate. Die Vorherrschaft der klassischen Stücke bleibt. Zeitgenössische Stücke haben nur eine untergeordnete Bedeutung. Etwas ausgenommen hiervon sind Stücke Albert Mattauschs, der Dirigent am Stadttheater ist.
Die Weltwirtschaftskrise führt auch am Stadttheater zu erheblichen Problemen. Die Stadt will die ständig steigenden Zuschüsse senken. Ende der zwanziger Jahre gibt es jährlich Anträge von rechtsgerichteten Fraktionen im Stadtrat mit dem Ziel einer gänzlichen Schließung der Theater. Dies wird mit Mehrheit von SPD, KPD und DDP zwar abgelehnt, es gibt aber Pläne für eine Halbierung des Zuschusses bei Senkung des künstlerischen Anspruchs. Vogeler tritt am 22. Januar 1930 zurück.
[Bearbeiten] Egon Neudegg, 1930-1932
Zum Nachfolger wird Egon Neudegg bestimmt. Er legt ein besonderen Schwerpunkt auf die Operrete, die erstmals ein eigenes Ensemble bildet. Durch erhebliche Werbeanstrengungen, dem verstärkten Einsatz von Schwank und Operette und einer Vielzahl von Premieren (10 Premieren in 4 Wochen) gelingt kurzfristig eine Erhöhung der Besucherzahlen. Bereits 1931 stellt sich jedoch eine weitere Erhöhung des Zuschussbedarfs heraus.
Auf Vorschlag Neudeggs wird nun auch das Zentral-Theater den städtischen Bühnen angegliedert. Dort finden die Operetten-Aufführungen statt. Das Stadttheater konzentriert sich nun auf Oper, großes Schauspiel und Sinfoniekonzerte.
Trotz dem der Anteil der Operetten unter Neudegg von 4% auf 40% gesteigert wurde, entwickelt sich die wirtschaftliche Lage und auch der Zuschauerzuspruch immer schlechter. Die Anmietung des Zentral-Theaters erweist sich als finanzieller Fehlschlag. 1932 wird das Zentral-Theater aus den städtischen Bühnen wieder ausgegliedert - Neudegg erklärt seinen Rücktritt.
[Bearbeiten] Hellmuth Götze, 1932-1933
Erst am 11. Mai 1932 entscheidet der Magdeburger Stadtrat das das Theater um zunächst ein Jahr weiter geführt wird. Trotz extremer Anfeindungen durch die erstarkten Nationalsozialisten, knapper Mittel und knapper Zeit gelingt es Götze innerhalb von 7 Monaten am Theater ein hohes künstlerisches Niveau und einen künstkerischen Neuanfang zu schaffen, welcher zu positiven Kritiken in der überregionalen Presse führt.
Durch ein von Carl Werckshagen entwickeltes neues Preis- und Anrechtssystem gelingt es auch eine wirtschaftliche Stabilisierung zu erreichen.
Die Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten nimmt jedoch ständig an Schärfe zu. Anlässlich einer Aufführung Des Stücks Der Silbersee von Georg Kaiser wird Götze von Seiten der NSDAP "unkünstlerische Bolschewierungsversuche" vorgeworfen. Die NSDAP fordert die Bevölkerung zum Theater-Boykott auf. Am 27. Februar 1933, dem Tag des Reichstagsbrandes, wird das Stück zum letzten Mal aufgeführt. Es setzt die nationalsozialistische Verfolgung ein. Bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 erreicht die NSDAP mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot die absolute Mehrheit im Stadtrat.
[Bearbeiten] Dr. Fritz Landsittel, 1933
Kurzzeitiger Nachfolger Götzes wird das NSDAP-Mitglied Dr. Fritz Landsittel. Er führt die von Götze geplante Spielzeit zu Ende, wobei Stücke jüdischer Autoren (Jacques Offenbach) abgesetzt werden. Nach nur 3 Monaten wird Landsittel wegen menschlicher und künstlerischer Bedenken des Preußischen Theaterausschusses wieder abgesetzt.
[Bearbeiten] Edgar Klitsch, 1933-1934
Edgar Klitsch wird am 11. Juli als Nachfolger Landsittels eingesetzt. Künstlerisch verliert das Stadttheater dramatisch an Qualität und Bedeutung. Viele ehemalige Mitarbeiter dürfen nicht mehr Arbeiten, andere verlassen die Stadt und gehen an andere Bühnen. Auch Klitsch verlässt Anfang 1934 Magdeburg und wird Intendant in Königsberg.
[Bearbeiten] Erich Böhlke, 1934-1939
Nach langwierigen Auseinandersetzungen über die Nachfolge wird schließlich der Parteilose Erich Böhlke Intendant. Aufbauend auf seinem fachlichen Können entwickelt er Magdeburg zu einem der wichtigsten Musikzentren Deutschlands. Er begründet einen 300-Personen umfassenden städtischen Chor. Die Bühnen-Aufführungen unterliegen der Zensur. Die Spielpläne werden vorab in Berlin vorgelegt und erforderlichenfalls den dortigen Vorgaben angepasst.
[Bearbeiten] Das Ende unter Kurt Ehrlich, 1939-1945
1939 wird NSDAP- und SS-Mitglied Kurt Ehrlich Intendant. Böhlke bleibt als Generalmusikdirektor am Stadttheater. Durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges steht zunächst die Fortführung des Theaterbetriebs in Frage. Das Propagandaministerium teilt jedoch am 20. September 1939 mit, dass die städtischen Bühnen Magdeburg als staatswichtiger Betrieb gelten und die Spielzeit 1939/1940 durchzuführen ist.
Problematisch ist die Einberufung vieler Ensemblemitarbeiter zum Militär. Bereits 1940 häuft sich der Luftalarm (September 1940, 11 mal Luftalarm). Es werden daher nur Stücke mit kurzer Spieldauer aufgeführt, der Vorstellungsbeginn wird auf 18.00 Uhr vorverlegt. Direkt vor dem Stadttheater wird ein Bunker errichtet. Im Theater fehlt es zunehmend an Arbeitskräften und Material.
Am 1. September 1944 werden auf Weisung von Goebbels sämtliche deutschen Theater geschlossen. Auch das Stadttheater Magdeburg stellt seinen Spielbetrieb ein. Die letzte Vorstellung nach 68 Jahren zeigt am 31. August 1944 Figaros Hochzeit.
Bei den späteren Luftangriffen, insbesondere am 16. Januar 1945, wird das Stadttheater schwer getroffen und zerstört.
[Bearbeiten] Nach 1945
Die Ruine des Stadttheaters bleibt noch über mehrere Jahre stehen. In der Zeit der DDR erfolgt 1958 die Sprengung der Ruine. Die Steine werden zum Teil für den Wiederaufbau der Stadthalle Magdeburg und für andere Bauvorhaben verwendet. An der Stelle des Stadttheaters entsteht statt der ursprünglichen dichten Bebauung eine Grünanlage.
Nach der Wende von 1989 erfolgte eine Neubebauung des Gebiets. An das Stadttheater erinnert heute der neu vergebene Straßenname Am Alten Theater.
Die städtischen Bühnen befinden sich heute im Opernhaus am Universitätsplatz und dem Schauspielhaus an der Otto-v.-Guericke-Straße.
Siehe Theater Magdeburg
[Bearbeiten] Literatur
- Jürgen Goldammer: Theaterruine: Spur der Steine bis Cracau, in: Magdeburger Volksstimme vom 19. März 2005
- Friedemann Krusche: Theater in Magdeburg 2 Bände. Mitteldeutscher Verlag, Halle 1994-1995, ISBN 3-354-00835-0 und ISBN 3-354-00880-6
Koordinaten: 52,1292° N; 11,6302° O