Weißbeerige Mistel
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Weißbeerige Mistel | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Viscum album | ||||||||||||
L. |
Die Weißbeerige Mistel (Viscum album) ist eine ausdauernde, überwiegend Gehölze parasitierende Pflanzenart aus der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae) Mistelgewächse (nicht zu verwechseln mit Mispeln). Früher wurden die Misteln in einer eigenen Familie Viscaceae geführt, diese Einteilung findet sich noch in vielen Bestimmungsbüchern.
Sie ist, mit mehreren Unterarten, in fast ganz Europa anzutreffen, so von Süd-Italien bis Südschweden; außerdem durch das gemäßigte Eurasien bis hin nach Japan.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Beschreibung
Die Weißbeerige Mistel ist ein ausdauernder, immergrüner und weitgehend kugelig wachsender Halbschmarotzer von bis zu einem Meter Durchmesser. Ihre Blütezeit dauert von Februar bis Mai. Die gelb-grünen eingeschlechtlichen Blüten sind dabei knäuelig angeordnet und eher unscheinbar. Die Früchte sind runde weiße Scheinbeeren. Sie enthalten jeweils nur einen einzigen Samen mit allerdings 1 bis 4 grünen Embryonen in einem ebenfalls grünen Nährgewebe. Die Samen der Laubholz-Mistel sind sehr oft 2-embryonig. Der Samenkern ist in ein zäh-klebriges Fruchtfleisch eingebettet. Diese eigenartig zäh-klebrige bis -schleimige Umhüllung des Samenkerns ermöglicht die für die allermeisten Mistelarten typische Ausbreitung ("Verdauungsverbreitung") durch Vögel. Die europäischen Weißbeerigen Misteln wachsen sowohl auf Laub- als auch auf Nadelbäumen bis in Höhen von rund 1200 m über NN.
[Bearbeiten] Lebensweise
Misteln sind Halbschmarotzer (Hemiparasiten), die ihrem Wirt über das Xylem Wasser und Nährsalze entziehen. Im Gegensatz zu Vollschmarotzern (Holoparasiten) sind sie aber noch selbst in der Lage, Photosynthese zu betreiben. Wie fast alle Parasiten, bringen Misteln ihren Wirtsbaum in aller Regel nicht zum Absterben. Allerdings kann ein massiver Befall dazu führen, dass einzelne Äste oberhalb von Mistelpflanzen nicht mehr genügend Wasser erhalten und vertrocknen.
[Bearbeiten] Unterarten
Nach der Bindung an unterschiedliche Wirtsbaumarten werden innerhalb der Art Viscum album mehrere Unterarten oder "Wirtsrassen" unterschieden:
- Laubholz-Mistel (Viscum album subsp. album; synonym Viscum album) - auf Pappeln, Weiden, Apfelbäumen, Weißdorn, Birken, Haseln, Robinien, Linden, Ahornbäumen, amerik. Rot-Eiche, amerik. Schwarznuß, amerik. Eschen, Hainbuche und anderen, nicht aber z.B. auf Rot-Buche, Süßkirsch- und Pflaumenbäumen, Walnußbaum, Platanen, Paulownien, Götterbäumen oder Magnolien.
- Tannen-Mistel (Viscum album subsp. abietis; synonym Viscum abietis) - auf Weißtannen.
- Kiefern-Mistel (Viscum album subsp. austriacum; synonym Viscum laxum) - auf Kiefern, selten auf Fichten. In Bayreuth wurde sie erstmalig auf der europäischen Lärche entdeckt. Vorkommen in Süd- und Ostdeutschland, Österreich (Wachau) und Japan.
- Im Jahr 2002 wurde mit der Kretischen Mistel (Viscum album subsp. creticum) eine weitere Unterart beschrieben, die als Endemit nur auf Kreta vorkommt und dort auf der Brutia-Kiefer (Pinus halepensis subsp. brutia) schmarotzt.[1]
[Bearbeiten] Giftigkeit
Alle Pflanzenteile außer den Beeren enthalten giftige, basische Polypeptidgemische. Die Giftstärke sei angeblich wirtsabhängig, am größten bei Ahornbewohnern und auf Linden, am geringsten bei Pflanzen von Apfelbäumen. Fütterungs- und Selbstversuche erwiesen keine Giftigkeit. Durch Stürme heruntergebrochene oder beim Bäumefällen gewonnene Mistel-Buschen werden vom Wild gern gefressen und sollten insbesondere während des winterlichen Frischfuttermangels an Rinder, Schafe, Ziegen oder Pferde verfüttert werden. Auch Hauskaninchen fressen meist gern das Mistellaub. Da die Pflanze für die meisten potentiellen Fraßfeinde unzugänglich ist, liegt es nicht nahe, dass sich aus ihrem Stoffwechsel ein Gift herausgebildet hat (im Gegensatz zu Bodenpflanzen wie z. B. dem Fingerhut).
Misteln enthalten weiterhin Tyramin, welches bei Anreicherung im Blut Hochdruckkrisen bewirken kann. Das biogene Amin kann in den Beeren von Misteln toxische Konzentrationen erreichen. Außer in Misteln finden sich geringe Mengen von natürlich vorkommendem Tyramin auch in Bananen, reifem Käse und Schokolade.
[Bearbeiten] Nutzung
Des weiteren wurde die Mistel medizinisch als Heilpflanze verwendet. 2003 wurde sie zur Heilpflanze des Jahres gekürt. Genutzt wurden dabei vor allem Blätter und junge Zweige, die als Wirkstoffe Aminosäuren, Saponine, organische Säuren enthalten. Als Aufguss oder Tinktur fanden entsprechende Essenzen Verwendung mit angeblich blutdrucksenkender und krampflösender Wirkung. Auch gegen Arteriosklerose wurden Mistelpräparate eingesetzt. Besonders bekannt ist die medizinische Verwendung im Rahmen der Mistel-Therapie in der Anthroposophisch erweiterten Medizin. In der wissenschaftlichen Medizin sind Mistelpräparate inzwischen allerdings "wegen erwiesener Unwirksamkeit" obsolet. Die angebliche medizinische Wirkung der Mistel dürfte auf jene Kelten, welche im heutigen Westfrankreich lebten, zurückzuführen sein. Den Kelten war die Eiche heilig und alles, was darauf wuchs. Im Westen Frankreichs und in England aber gibt es (ganz vereinzelt auch heute noch) Vorkommen von auf Eichen schmarotzenden Weißbeerigen Misteln (Viscum album).
[Bearbeiten] Inhaltsstoffe
Die biochemische und pharmakologische Mistelforschung konzentriert sich heute auf die Inhaltsstoffe Viscotoxine (Polypeptide), Mistellektine (ML-1, ML-2, ML-3) und Polysaccharide (Lit.: Büssing 2000, 2003, 2005; Kienle, Kiene 2003). (Siehe Misteltherapie)
[Bearbeiten] Naturschutz
Das Pflücken wild wachsender Misteln ist in Deutschland aus Naturschutzgründen weitgehend untersagt. Neuerdings wird eine auffällige Expansion aller unserer drei einheimischen Mistel-Rassen (Tannen-, Kiefern- und vor allem Laubholz-Mistel) beobachtet.
In der Schweiz gab es in einzelnen Kantonen und Gemeinden strafbewehrte Verpflichtungen zur Bekämpfung von Misteln in Obstbaumkulturen. Diese Verordnungen oder Vorschriften bestehen heute nicht mehr, da das Verschwinden von Hochstammkulturen zu einem Rückgang der Misteln geführt hat.[2]
[Bearbeiten] Kultur
Insbesondere in nordischen Ländern ist bis heute der Brauch verbreitet, zur Wintersonnenwende Misteln auf unterschiedliche Art als symbolische Schutzgaranten und Glücksbringer zum Julfest zu nutzen.
Die alten Germanen glaubten, sie sei vom Himmel gefallen und betrachteten sie daher als heilig. In der germanischen Mythologie wurde der Gott Baldur von seinem blinden Bruder Hödur mit einem von Loki aus einem Mistelzweig gefertigtem Speer (Pfeil) getötet.
In der keltischen Mythologie gelten Misteln auch als Zauberpflanzen der Druiden.
In England und den USA werden zur Weihnachtszeit Mistelzweige aufgehängt. Die Frau, die um Weihnachten herum unter einem Mistelzweig steht, darf geküsst werden, ob sie will oder nicht.
In der Populärkultur spielt die Mistel in den Asterix-Geschichten eine Rolle. Der Druide Miraculix verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, auf Eichen wachsende Misteln mit seiner goldenen Sichel zu schneiden.
[Bearbeiten] Sonstiges
- Vergleiche auch:
- Eichenmistel, Riemenblume (Loranthus europaeus),
- Zwergmistel (Viscum minimum) - Vollparasit/Endophyt im Inneren einiger kakteenähnlichen Wolfsmilch-Arten in Südafrika, mit roten Beeren,
- Zwergmisteln im eigentlichen Sinne sind die blattlosen, unscheinbaren, aber forstlich teilweise schädlichen Arten der Viscaceae-Gattung Arceuthobium. Diese parasitieren nur in Nadelgehölzen. Sie sind über die ganze Nordhemisphäre verbreitet. Sie schleudern ihre Samen mit extremem Wasserdruck bis zu zwanzig Meter weit, ein im Pflanzenreich äußerst seltener Ausbreitungsmechanismus (Canadian Journal of Botany, Bd. 82, S. 1566). Besonders artenreich treten sie in Nordamerika auf. In Europa kommt aus dieser etwas über 30 Arten umfassenden Gattung nur die sehr unauffällige Wacholdermistel vor, z. B. in Südfrankreich.
[Bearbeiten] Literatur
- Karl von Tubeuf: Monographie der Mistel. 1923 (über 800 Seiten)
- Polhill & Wiens: Mistletoes of Africa. 1998
- Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-10529-X
- Hans Christian Weber: Schmarotzer: Pflanzen, die von anderen leben. Belser, Stuttgart 1978, ISBN 3-7630-1834-4
- Calder & Bernhardt: The Biology of Mistletoes. 1983
- Press & Graves: Parasitic Plants. 1995 (Verl. Chapman & Hall)
- Unsere Misteln von Fritz Stopp 75 S. Westarp Wissenschaften 2002 ISBN 3894327146
- Thomas Göbel: Nuytsia floribunda und Viscum album (Verl. Freies Geistesleben 2004)
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Mistel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
Commons: Viscum album – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Karte des Gesamtareals
- Verbreitung in Deutschland:
- www.mistletoe.org.uk - britische Seite mit ausführlichen Informationen
- www.giftpflanzen.com - Die Mistel als Giftpflanze
- www.botanischer-garten.uni-erlangen.de - Die Mistel: Geschichte und Naturschutz
- halsbandsittiche.papageien.org - Mistel als Nahrung von Papageien und anderen Vögeln
- www.zauber-pflanzen.de - Die Mistel als Zauberkraut
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ N. Böhling u. a.: Notes on the Cretan mistletoe, Viscum album subsp. creticum subsp. nova (Loranthaceae/Viscaceae). In: Israel Journal of Plant Sciences 50 (Supplement, 2002), S77–S84.
- ↑ Dagmar Nierhaus-Wunderwald & Peter Lawrenz: Zur Biologie der Mistel. Merkblatt für die Praxis 28 (1997), 8 Seiten, ISSN 1422-2876.
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