Österreichische Neutralität
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Die Österreichische Neutralität von 1955 ist ein grundlegendes Element in der österreichischen Außenpolitik. Gemeint ist mit dieser Politik, dass Österreich sich keinen Militärbündnissen anschließt. (Siehe: Neutralität in der Internationalen Politik.)
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[Bearbeiten] Geschichte
Österreich hat am 26. Oktober 1955 eine immerwährende Neutralität als Verfassungsgesetz beschlossen. Dieses Gesetz war eine Folge der Moskauer Deklaration im Jahr 1943, die in der Folge zum österreichischen Staatsvertrag (welcher von den Siegermächten USA, UdSSR, Frankreich und Großbritannien und der österreichischen Regierung am 15. Mai 1955 unterzeichnet wurde) und zum Abzug der Besatzungstruppen bis zum 25. Oktober 1955 führte.
Die Neutralitätserklärung Österreichs war Voraussetzung für die Zustimmung der Sowjetunion zum Staatsvertrag, die in der aus Österreich und Schweiz gebildeten neutralen Zone einen größeren Nachteil im kalten Krieg für die NATO als für den Warschauer Pakt sah. Auf Wunsch der USA, die keine durch die Sowjetunion garantierte Neutralität Österreichs wollten, wurde diese Bedingung jedoch bewusst und gewollt nicht explizit in den Staatsvertrag aufgenommen. Neben den formellen Gesetzesbestimmungen war eine wichtige Grundlage der tatsächlichen Neutralität, dass es Österreich aufgrund des Staatsvertrages verboten war, einem wie immer gearteten Bündnis beizutreten, an dem auch Deutschland beteiligt ist. In den Zeiten des Kalten Krieges wurde deshalb die immerwährende Neutralität so interpretiert, dass ein Beitritt zur EWG bzw. zur EU nicht erlaubt war. Erst nach dem Zerfall des Ostblockes konnte Österreich deshalb 1995 der EU beitreten.
mehr darüber: Österreichischer Staatsvertrag
Durch die fehlenden Garantien von fremden Staaten ist Österreich völkerrechtlich nur bedingt als neutral zu bezeichnen. Das heißt, dass Österreich völkerrechtlich nicht dazu verpflichtet ist, das Neutralitätsgesetz und die Neutralitätspolitik beizubehalten.
In dem Neutralitätsgesetz verpflichtet sich die Republik Österreich selbst, eine Neutralität nach Schweizer Muster zu führen. Das besagt, dass sich Österreich keinen Militärbündnissen anschließen darf und sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln selbst verteidigt. Es darf auch keine Militärstützpunkte anderer Länder auf seinem Territorium dulden. Da aber Österreich während des kalten Krieges im Kriegsfall der Gefahr ausgesetzt war, sowohl von den Ost- aber auch von Westmächten überrollt zu werden, übte Österreich immer eine aktive Neutralitätspolitik aus. So wurde Österreich im Gegensatz zur Schweiz bereits 1955 UNO-Mitglied.
Die erste Bewährungsprobe der österreichischen Neutralität ereignete sich im Jahr 1956. Während des Ungarnaufstand hatte das junge Bundesheer den Auftrag, die Grenzen gegen bewaffnete Truppen abzusichern. Andererseits wurden 180.000 - 200.000 ungarische Flüchtlinge kurzfristig aufgenommen und versorgt, bis sie später größtenteils in andere Länder weiterreisen konnten.
Im Rahmen der UNO nahmen auch immer wieder Militäreinheiten bis 2005 an 60 friedenserhaltenden Einsätzen, vor allem mit Sanitätseinheiten, teil, z.B.:
- im vormals Belgisch-Kongo (1960-1964)
- auf Zypern
- auf den Golanhöhen im Nahen Osten.
Seit 1991 kann die Bundesregierung die Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial erlauben, wenn dies zur Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen geschieht, seit 2001 gilt dies auch für entsprechende Beschlüsse des Europäischen Rats, der OSZE und Friedensoperationen anderer internationaler Organisationen nach UNO-Grundsätzen. Von dieser Möglichkeit wurde 1991 durch die Erteilung von Durchfuhr- und Überfluggenehmigungen an die USA im Rahmen des Golfkrieges Gebrauch gemacht.
1994 trat Österreich der Partnerschaft für den Frieden bei.
Ein oftmaliger Streitpunkt innerhalb der Regierungen waren und sind Waffenlieferungen an Länder, die zwar nicht offiziell im Kriegszustand waren, aber nicht als Demokratien bezeichnet werden konnten. siehe hierzu: Österreichisches Militärwesen
[Bearbeiten] Diskussion heute
Politisch und gesellschaftlich gesehen ist die Neutralität im Lauf der Jahrzehnte zu einem Teil der österreichischen Identität geworden. Seit dem Fall des Eisernen Vorhanges und später dem Beitritt zur Europäischen Union ist sie immer wieder im Gespräch ob ihrer Zeitgemäßheit und ob sie einer Beteiligung an einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Weg steht oder nicht. Um an dieser teilnehmen zu können, wurde der Artikel 23f der Bundesverfassung geschaffen. Der Artikel 23f ermöglicht die Teilnahme Österreichs an humanitären Aufgaben und Rettungseinsätzen, friedenserhaltenden Aufgaben sowie Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen (Petersberg-Aufgaben). Eine intensive Diskussion entstand beispielsweise über die Frage der Beistandspflicht im EU-Verfassungsvertrag sowie bei der Beteiligung Österreichs an der EU-Eingreiftruppe.
Rechtlich gesehen ist das Neutralitätsgesetz 1955 ein Verfassungsgesetz. Es kann vom Verfassungsgesetzgeber jederzeit geändert werden. Ob für eine derartige Verfassungsänderung eine Volksabstimmung stattfinden muss, wird von Verfassungsexperten unterschiedlich beurteilt. Dass darin von "immerwährender Neutralität" und dass Österreich "in aller Zukunft" keinen militärischen Bündnissen beitreten wird, die Rede ist, mag politisch relevant und diskussionswürdig sein, ist aber streng rechtlich gesehen ungeklärt. Es ist derzeit eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig, ob eine "Aushebelung" der österreichischen Verfassung durch eine EU-Verfassung ohne Volksabstimmung verfassungskonform ist. (Klagende Person: Hans-Peter Martin)
Seit 1965 ist der 26. Oktober, zum Andenken an die Beschlussfassung des Neutralitätsgesetzes, der Nationalfeiertag Österreichs.
[Bearbeiten] Neutralitätsgesetz
Die gesetzlichen Bestimmungen finden sich im Neutralitätsgesetz von 1955 sowie in der Bundesverfassung selbst:
[Bearbeiten] Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs
Artikel 1
- (1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
- (2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
[Bearbeiten] Art 9a Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz
- Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen.:
[Bearbeiten] Weblinks
- Originaltöne zur Neutralitätsdebatte (7. Juni 1955)
- Originaltöne zum Gesetzesbeschluss (26. Oktober 1955)
- Bundesgesetzblatt über das Neutralitätsgesetz
- Literatur zur immerwährenden Neutralität Österreichs
[Bearbeiten] Siehe auch:
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