Alexandra Ramm-Pfemfert
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Alexandra Ramm-Pfemfert (* 31. Januar 1883 in Starodub, Russland; † 17. Januar 1963 in West-Berlin; geborene Alexandra Gilelewna Ramm) war eine deutsch-russische Übersetzerin, Publizistin und Galeristin.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] 1883 - 1900
Alexandra Ramm-Pfemfert wurde als fünftes von neun Kindern einer orthodoxen jüdischen Familie in der Kreisstadt Starodub, zirka 400 Kilometer südwestlich von Moskau, geboren. Ihr Vater Gilel betrieb ein Handelsgeschäft in der Stadt, Serafima, die Mutter, war Hausfrau. Starodub gehörte zu einem Ansiedlungsrayon für Juden, die dort fast völlig abgesondert vom Rest der Bevölkerung lebten. Da sich ihre älteren Geschwister früh gegen die religiös-konservative Haltung des Vaters auflehnten, war es Alexandra Ramm-Pfemfert möglich, das örtliche Mädchengymnasium zu besuchen, wo sie das Abitur machte. Im Alter von 18 Jahren verließ sie das Elternhaus und ging nach Berlin.
[Bearbeiten] 1901 - 1918
In Berlin kam Alexandra Ramm-Pfemfert wahrscheinlich Anfang 1901 an. Vermutlich belegte sie dort anfangs als Gasthörerin philologische Kurse an der Universität. In Berlin hatte sie Kontakt zu der anarchistischen Gruppe Neue Gemeinschaft und speziell zu Senna Hoy. Durch Hoy lernte sie 1903 auch Franz Pfemfert kennen, den sie 1912 heiratete. 1911 gründete Franz Pfemfert die Zeitschrift Die Aktion zu deren Mitarbeitern dann auch seine Frau gehörte. Redaktionssitz der Zeitschrift war die Wohnung der Pfemferts in der Nassauischen Straße 17 in Berlin-Wilmersdorf. Ein wichtiger Mitarbeiter aus den Anfangstagen der Aktion, Carl Einstein, heiratete 1913 Alexandra Ramm-Pfemferts Schwester Maria.
Zur Aktion trug Alexandra Ramm-Pfemfert außer als Rezensentin auch als Übersetzerin literarischer und politischer Texte aus dem Russischen bei. Außerdem organisierte sie Lesungen des Aktionskreises sowie die Aktionsbälle, die beide dazu beitrugen, die Zeitschrift zu finanzieren. Am 1. November eröffnete sie die Aktions-Buch- und Kunsthandlung in der Kaiserallee 222 (heute Bundesallee). 1917 und 1918 fanden hier auch Ausstellungen mit Werken von u.a. Karl Schmidt-Rottluff und Egon Schiele statt. Die Buchhandlung bestand bis 1927.
Alexandra Ramm-Pfemfert und ihr Mann hatten schon vor dem Ersten Weltkrieg die nationalistische Politik der SPD scharf angegriffen und sie dann später wegen deren Zustimmung zu den Kriegskrediten energisch verurteilt. Die beiden einzigen SPD-Abgeordneten, die gegen die Kredite gestimmt hatte, Karl Liebknecht und Otto Rühle, wurden zu Freunden und politischen Verbündete der Pfemferts. Während des Krieges beteiligten sich beide am illegalen Widerstand. Franz Pfemfert hatte dazu bereits 1915 die Antinationale Sozialistenpartei gegründet, über die aber, da sie im Verborgenen wirken musste, nur wenig bekannt ist.
[Bearbeiten] 1918 - 1933
Nach Ende des Krieges unterstützten die Pfemferts den Spartakusbund, weshalb sie mehrere Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mussten und Anfang 1919 auch für einige Tage verhaftet wurden. Ab 1920 arbeitete Alexandra Ramm-Pfemfert für verschiedene Verlage immer wieder als Übersetzerin aus dem Russischen, wobei sie neben Romanen auch Sachbücher und politische Texte ins Deutsche übertrug.
1929 kam über den S. Fischer Verlag der Kontakt mit Leo Trotzki zustande, der im türkischen Exil seine Autobiografie schreiben wollte. Aus den Verhandlungen über das Buch entwickelte sich eine enge und vertraute Zusammenarbeit zwischen Trotzki und Alexandra Ramm-Pfemfert, die zu seiner Literaturagentin wurde. In dem umfangreichen Briefwechsel der beiden finden sich Diskussionen zu vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Darüber hinaus versorgte Alexandra Ramm-Pfemfert Trotzki mit Literatur, fungierte als Deckadresse für ihn und stellte Kontakte zu im Exil lebenden Anhängern Trotzkis her. Behauptungen der KPD und der sowjetischen Presse, die Pfemferts seinen Trotzkisten, treffen jedoch nicht zu - die Pfemferts standen Trotzki und einigen seiner Ideen nah, blieben aber ein Leben lang undogmatische Linke.
Alexandra Ramm-Pfemfert übersetzte schließlich eine Reihe von Schriften Trotzkis, darunter seine Autobiografie Mein Leben, Die Geschichte der russischen Revolution und Die permanente Revolution. Daneben kümmerten sich die Pfemferts um Trotzkis Sohn Lew L. Sedow, der von Februar 1931 bis zum Frühjahr 1933 in Berlin studierte, und um seine Tochter Sinaida L. Wolkowa, die auf Drängen ihres Vaters im Herbst 1931 ohne ihren kleinen Sohn schwerkrank von Prinkipo nach Berlin gekommen war, wo sie sich wegen ihrer Lungentuberkulose und gravierenden psychischen Problemen "umgehend in Behandlung von zwei mit Alexandra befreundeten Ärzten" begab, Ernst Mai (Dr. Wilhelm May?) und den Psychiater und Psychotherapeuten Prof. Arthur Kronfeld, "einen der besten Ärzte Berlins" (ihre Psychotherapie bei ihm wurde in dem 1985 in England hergestellten Film ZINA von dem Regisseur Ken McMullen zur Rahmenhandlung gewählt); doch konnte in ihrer objektiv schwierigen Lage niemand verhindern, dass Sina sich am 5. Januar 1933 kurz vor dem Machtantritt Hitlers in Berlin verzweifelt das Leben nahm.
[Bearbeiten] 1933 - 1941
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flohen die Pfemferts Anfang März überstürzt aus Berlin und gingen via Dresden nach Karlsbad, wo Franz Pfemfert, der schon in Berlin auch als Porträtfotograf gearbeitet hatte, ein Fotostudio eröffnete. Alexandra Ramm-Pfemfert arbeitete in dieser Zeit weiterhin an Übersetzungen aus dem Russischen. Ihre Existenz in der Tschechischen Republik war jedoch ständig gefährdet, nicht nur, weil sie auf die finanzielle Unterstützung von Freunden angewiesen, sondern auch, weil sie politisch und gesellschaftlich isoliert waren: Den meist deutsch-national gesinnten Sudetendeutschen war das linksradikale Ehepaar ebenso suspekt, wie tschechischen und dort im Exil lebenden deutschen linientreuen Kommunisten. Im Oktober 1936 gingen sie deshalb nach Paris.
Im Pariser Exil waren die Pfemferts weniger isoliert, da dort nicht nur einige Verwandte Alexandra Ramm-Pfemferts lebten, sondern auch Bekannte aus der Berliner Zeit, wie zum Beispiel Thea Sternheim, Franz Jung, Carl Einstein und Lew L. Sedow. Franz Pfemfert eröffnete auch hier wieder ein Fotoatelier. Politisch waren die beiden zu dieser Zeit nur noch wenig - und dann nur im Verborgenen - aktiv, da zum einen die französische Regierung politische Äußerungen von Emigranten unterdrückte und zum anderen Agenten des sowjetischen Geheimdienstes GPU ein solches Engagement lebensgefährlich machten (ihr Freund Kurt Landau wurde in dieser Zeit von sowjetischen Agenten ermordet, und auch Trotzkis Sohn Lew L. Sedow starb unter rätselhaften Umständen).
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die Pfemferts als "feindliche Ausländer" zuerst in Paris interniert, dann voneinander getrennt und in südfranzösische Lager abgeschoben - Alexandra Ramm-Pfemfert in das Lager Gurs, nahe Pau. Ihr gelang jedoch zusammen mit Thea Sternheim und anderen schon nach etwa zwei Wochen die Flucht aus dem Lager. Nach einer mehrere Wochen dauernden Irrfahrt durch Südfrankreich traf sie Franz Pfemfert schließlich in Perpignan wieder, von wo sie nach Marseille gingen. Nach einem langen Kampf um die korrekten Papiere, gelang es den Pfemferts schließlich über Lissabon nach New York und von dort nach Mexiko auszureisen, wo sie im Frühjahr 1941 ankamen.
[Bearbeiten] 1941 - 1963
In Mexiko-Stadt fanden sich die Pfemferts fast völlig isoliert. Im Alter von 57 respektive 62 befanden sie sich in einem unbekannten Land, sprachen beide kein spanisch, hatten kein Geld und so gut wie keine Bekannten. Allein Natalija Sedowa Trotzki, die Witwe Trotzkis, unterstützte die beiden und stand mit ihnen in laufendem Kontakt. Der Versuch, weiter in die USA zu reisen, scheiterte an der restriktiven Einreisepolitik der USA - und das obwohl Albert Einstein schriftlich für den guten Leumund der Pfemferts bürgte und sich auch ein amerikanischer Industrieller fand, der finanziell für sie einzustehen bereit war.
Auch in Mexiko-Stadt eröffnete Franz Pfemfert wieder ein Fotoatelier, von dessen Einnahmen er und seine Frau jedoch nicht leben konnten. Meist waren sie abhängig von Zuwendungen Dritter und von den Mitteln des International Rescue Committee. 1952 wurde bei Franz Pfemfert Leberkrebs diagnostiziert, an dem er 1954 verstarb. Nach seinem Tod erlitt Alexandra Ramm-Pfemfert einen Nervenzusammenbruch und war für einige Zeit pflegebedürftig.
Anfang 1955 ging sie nach Europa zurück, wo sie sich im Mai in Westberlin niederließ. Eine Schwester, Maria, hatte dort als Jüdin in der Illegalität Krieg und Verfolgung überlebt. Die Wohnung ihrer Schwester in der Laubenheimer Straße 23 in Berlin-Wilmersdorf wurde ihr letzter Wohnsitz. In ihren letzten Jahren hatte sie Kontakt mit Karl Otten, einem ehemaligen Mitarbeiter der Aktion, der 1957 eine Expressionismus-Anthologie Ahnung und Aufbruch herausgab, in der an die größtenteils vergessenen Dichter der Aktion erinnert wurde. Außerdem unterstützte sie Paul Raabe bei der Herausgabe eines Nachdrucks der ersten Jahrgänge der Aktion, der 1961 erschien.
1961 wurde bei Alexandra Ramm-Pfemfert Krebs diagnostiziert. Nach mehreren Behandlungen starb sie geschwächt am 17. Januar 1963 im Westend-Krankenhaus in Berlin-Charlottenburg an einer Lungenentzündung. Beigesetzt wurde sie am 23. Januar 1963 in einem Urnengrab auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße in Berlin-Charlottenburg. Ihre Schwester Maria ließ auf dem Grabstein nachträglich auch den Namen ihres in Mexiko beerdigten Mannes Franz eintragen.
[Bearbeiten] Übersetzungen
- Mohamed Aischin: Die Freiheitsbewegung in der Türkei. Berlin 1909
- Elena A. Nagrodskaja: Kreuzweg der Leidenschaft. Leipzig und Berlin 1912
- Elena A. Nagrodskaja: Die bronzene Tür. Leipzig und Berlin 1912
- Sawaty: Das Buch in Saffian. Die Chronik des Dorfes Ljagawoje. Berlin 1919
- Aleksandr Bogdanbow: Die Wissenschaft und die Arbeiterklasse. Berlin 1920
- Tarassoff-Rodionoff: Schokolade. Eine Erzählung. Berlin 1924
- Wassili Rosanow: Dostojewski und seine Legende vom Großinquisitor. Berlin 1924
- Antoni W. Nemilow: Die biologische Tragödie der Frau. Berlin 1925
- Antoni W. Nemilow: Leben und Tod. Leipzig 1927
- Michael Pokrowski: Geschichte Russlands. Von seiner Entstehung bis zur neuesten Zeit. Leipzig 1929
- Anna A. Karawajewa: Fabrik im Walde. Berlin 1930
- Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. Berlin 1930
- Leo Trotzki: Die permanente Revolution. Berlin 1930
- Leo Trotzki: Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?. Berlin 1930
- Leo Trotzki: Probleme der Entwicklung der UdSSR. Berlin 1931
- Leo Trotzki: Die spanische Revolution und die drohenden Gefahren. Berlin 1931
- Leo Trotzki: Geschichte der russischen Revolution (zwei Bände), Berlin 1931 / 1933
- Alexej S. Nowikow-Priboj: Zussima. Zürich und Prag 1935
- Leo Trotzki: Stalins Verbrechen. Zürich 1937
- Wladimir Asenjew: Dersu Usala. Zürich 1946
[Bearbeiten] Literatur
- Julijana Ranc (2004) Alexandra Ramm-Pfemfert. Ein Gegenleben. Edition Nautilus Hamburg ISBN 3-89401-446-6 (Zur Rezension in Die Zeit sowie: Birgit Schmidt [1])
[Bearbeiten] Weblinks
- Rezensionen zu Julijana Rancs Biografie auf perlentaucher.de
- Biographisches zu L.L.Sedow u. Sinaida L. Wolkowa; zu dem Film ZINA s. ganz unten.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Ramm-Pfemfert, Alexandra |
ALTERNATIVNAMEN | Ramm, Alexandra Gilelewna |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-russische Übersetzerin, Publizistin und Galeristin |
GEBURTSDATUM | 31. Januar 1883 |
GEBURTSORT | Starodub, Russland |
STERBEDATUM | 17. Januar 1963 |
STERBEORT | West-Berlin |