Atmosphärische Gegenstrahlung
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Die atmosphärische Gegenstrahlung ist die von der Atmosphäre emittierte und auf die Erdoberfläche treffende Wärmestrahlung.
Wie jede Substanz mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunkts emittieren auch die Gase der Atmosphäre und die in ihr enthaltenen Aerosole Wärmestrahlung. Die von einem Volumenelement der Atmosphäre ausgehende Strahlung wird gleichförmig in alle Richtungen abgestrahlt; der nach oben gerichtete Anteil trägt zur Ausstrahlung an den Weltraum bei, der nach unten gerichtete Anteil bildet in der Summe über alle Volumenelemente die atmosphärische Gegenstrahlung.
Die atmosphärische Gegenstrahlung ist ein wichtiger Bestandteil der Energiebilanz an der Erdoberfläche. Während die Erdoberfläche aufgrund ihrer Temperatur Wärmestrahlung in die Atmosphäre abstrahlt (terrestrische Ausstrahlung), erhält sie von der Atmosphäre die Gegenstrahlung zugesandt, die einen Teil der Strahlungsverluste kompensiert.
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[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Atmosphärengase
Die Hauptbestandteile der Atmosphäre, Stickstoff und Sauerstoff, sind nicht infrarotaktiv und senden daher keine nennenswerte Strahlung aus. Verschiedene Spurengase jedoch, vor allem Wasserdampf, Kohlendioxid und Ozon (Treibhausgase), emittieren auf bestimmten Wellenlängen (Emissionslinien) sehr intensiv. Da sie aber einerseits wegen des Kirchhoffschen Strahlungsgesetzes auch auf diesen Wellenlängen nicht stärker strahlen können als ein Schwarzer Körper gleicher Temperatur und andererseits auf den Wellenlängen zwischen den Emissionslinien praktisch keine Ausstrahlung stattfindet, ist die gesamte von den Atmosphärengasen ausgesandte Strahlungsleistung geringer als die eines Schwarzen Körpers gleicher Temperatur. Diese Temperatur kann im Wesentlichen der von einer Wetterstation in 2 m Höhe gemessenen Lufttemperatur gleichgesetzt werden. Da wegen des Kirchhoffschen Strahlungsgesetzes die Atmosphärengase auf denjenigen Wellenlängen, auf denen sie gut emittieren, auch gut absorbieren, haben die Eigenemissionen der Gase nur eine kurze freie Weglänge, bevor sie von den Gasen wieder absorbiert und erneut emittiert werden. Die am Erdboden eintreffende Gegenstrahlung stammt also maximal aus einigen hundert Metern Höhe, und damit aus einer Luftschicht, in der sich die Temperatur nur unwesentlich gegenüber dem bodennahen Wert ändert.
[Bearbeiten] Aerosole
In der Atmosphäre enthaltene Aerosole (also Flüssigkeitströpfchen oder kleine Festkörper) senden keine Linienspektren sondern kontinuierliche Spektren aus und strahlen daher auch in den von den Emissionslinien der Gase gelassenen Lücken des Spektrums. Sie können in hinreichender Konzentration die Gesamtstrahlung deutlich erhöhen und das Strahlungsdefizit gegenüber einem Schwarzen Körper stark vermindern. Von besonderer Bedeutung sind Wolken, deren Wassertröpfchen oder Eiskristalle praktisch Schwarze Strahler darstellen. Bei niedrig liegenden Wolken entspricht die Temperatur der Wolkenunterseite (Kondensationsniveau) in guter Näherung der von einer Wetterstation in 2 m Höhe gemessenen Taupunkttemperatur. Bei hinreichender Dicke der Bewölkungsschicht strahlen die Wolken als Schwarze Strahler mit dieser Temperatur.
[Bearbeiten] Strahlungsbilanz
[Bearbeiten] Nachts bei klarem Himmel
Bei klarem Himmel besteht die Gegenstrahlung hauptsächlich aus der Wärmestrahlung der Atmosphärengase. Die für die Emission maßgebliche Temperatur ist praktisch identisch mit der bodennahen Lufttemperatur und damit ähnlich der Temperatur des ebenfalls abstrahlenden Erdbodens. Der Erdboden emittiert jedoch praktisch als Schwarzer Strahler, während die Intensität der atmosphärischen Strahlung wegen der Lücken im Emissionsspektrum trotz ähnlicher Temperatur deutlich geringer ist.
Die terrestrische Ausstrahlung kann daher durch die atmosphärische Gegenstrahlung nur teilweise kompensiert werden und die Erdoberfläche kühlt ab: klare Nächte sind besonders kühl. Die Erdoberfläche und andere terrestrische Oberflächen (Hausdächer, Hausfassaden, Autoscheiben, etc.) können dabei nicht nur unter die Lufttemperatur sondern sogar unter die Taupunkttemperatur abkühlen. Folge dieser nächtlichen Unterkühlung sind Tauwasserausfall und im Winter Reifbildung.
Im Wüstenklima enthält die Luft nur noch geringe Spuren des Treibhausgases Wasserdampf; die Gegenstrahlung hat besonders geringe Intensität und Wüstennächte sind sehr kalt.
Die an Fernrohren angebrachten Taukappen haben den Zweck, den Strahlungsverlust und damit die Unterkühlung der Objektivlinse zu verringern, indem sie einen Teil des Himmels im Gesichtsfeld der Linse abdecken. Aus diesem Bereich des Himmels erhält die Linse Strahlung von der gut abstrahlenden Taukappe anstelle der geringeren Strahlung aus der fast gleich warmen aber weniger gut strahlenden Atmosphäre.
[Bearbeiten] Nachts bei bedecktem Himmel
Bei bedecktem Himmel ist die Gegenstrahlung merklich intensiver. Da in gemäßigten Breiten nachts die relative Feuchte im Mittel etwa 80% und mehr beträgt, liegt die Taupunkttemperatur und damit die für die Gegenstrahlung der Bewölkung maßgebliche Temperatur nur knapp unter der Lufttemperatur.
Erdboden und Atmosphäre verhalten sich also wie Schwarze Strahler ähnlicher Temperatur, ihre Strahlungsbilanz ist fast ausgeglichen und die Erdoberfläche kühlt nur wenig ab: bedeckte Nächte sind wärmer, es fällt nur wenig oder gar kein Tau aus.
[Bearbeiten] Tagsüber
Tagsüber liegt dieselbe mehr oder weniger unausgeglichene Bilanz von terrestrischer Ausstrahlung und atmosphärischer Gegenstrahlung vor. Die während des Tages einfallende Sonnenstrahlung wird jedoch hauptsächlich vom Erdboden und nur zu einem geringen Anteil von der Atmosphäre absorbiert, so dass die Strahlungsbilanz des Erdbodens positiv wird und die Erdoberflächentemperatur über die Lufttemperatur steigt.
[Bearbeiten] Literatur
- Malberg H. (2002): Meteorologie und Klimatologie. Eine Einführung 4. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York. ISBN 3-540-42919-0
- Liljequist G.H., Cehak K. (1984): Allgemeine Meteorologie 3. Aufl. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden. ISBN 3-540-41565-3