Berlin-Hansaviertel
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Lage des Hansaviertels im Bezirk Mitte |
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Basisdaten | |
Bundesland: | Berlin |
Stadtbezirk: | Bezirk Mitte |
Einwohner: | 5.934 |
Geografische Lage: | Koordinaten: 52° 31' 0" N, 13° 20' 20" O 52° 31' 0" N, 13° 20' 20" O |
Vorwahl: | 030 |
Kfz-Kennzeichen: | B |
Das Hansaviertel ist ein Ortsteil im Bezirk Mitte von Berlin. Er ging 2001 als eigenständiger Ortsteil aus dem entsprechenden Stadtquartier des ehemaligen Stadtbezirks Tiergarten hervor.
Das Hansaviertel erstreckt sich nach Süden und Osten bis zum Tiergarten (bzw. zum Park des Schlosses Bellevue), nach Westen und Norden bis zur Trasse der Berliner Stadtbahn und wurde überregional bekannt durch die Internationale Bauausstellung 1957 (Interbau), eine Demonstration moderner Stadtplanung und Architektur jener Zeit.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Das alte Hansaviertel
1874 begann die Berlin-Hamburger Immobilien-Gesellschaft damit, das Gelände der "Schöneberger Wiesen" zu erschließen und zu bebauen. Zentrum des neuen Viertels wurde der Hansaplatz. Die Bebauung bestand aus wenigen Ein- und Mehrfamilienhäusern im Landhausstil und vorwiegend aus fünfgeschossigen Mietwohnhäusern mit zahlreichen Hinterhöfen, Seiten- und Quergebäuden. Bis zur Mitte der 1920er Jahre entstanden drei Synagogen, eine evangelische und eine katholische Kirche, eine Realschule und mehrere Privatschulen. Es hatte sich ein gutbürgerliches Stadtviertel entwickelt, größer als das jetzige Hansaviertel, dicht besiedelt, zentral gelegen und dennoch ruhig. 1943, im Zweiten Weltkrieg, wurde es durch mehrere Luftangriffe fast vollständig zerstört.
[Bearbeiten] Die Neuplanung
Die Geschichte des neuen Hansaviertels ist eng verbunden mit der städtebaulichen Gesamtplanung für Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Katastrophe für die Stadt - 500 000 Wohnungen waren verloren, alle Industrie- und Arbeitsstätten von einiger Bedeutung zerstört oder demontiert - bot Stadtplanern eine einmalige Chance. Der Architekt Hans Scharoun erhielt 1946 vom Alliierten Kontrollrat den Auftrag, ein Konzept zur Neugestaltung Berlins zu entwickeln. Unter seiner Leitung entstand der sogenannte Kollektivplan, der eine völlige Neuaufteilung und Dezentralisierung der Stadt vorsah. Bestimmende Elemente sollten die Wohnzellen sein, Wohneinheiten für jeweils 4000-5000 Menschen, von Grün umgeben und versehen mit allen notwendigen Versorgungseinrichtungen.
Der Plan lieferte wichtige Denkanstöße, war aber in reiner Form undurchführbar - aus rechtlichen, finanziellen und politischen Gründen. Zwei Hauptziele wurden in den Flächennutzungsplan von 1950 übernommen: die Innenstadtgebiete sollten wesentlich lockerer bebaut werden als zuvor, und die Stadt sollte so weit wie möglich mit Grünflächen durchsetzt werden.
Diese Grundsätze der Planung sollten im Idealfall für ganz Berlin gelten, für den Ost- wie den Westteil der Stadt, für Innenstadt- wie für Randgebiete. In der Realität ergaben sich andere Abläufe. Die Vorstellung der locker bebauten, durchgrünten Stadt ließ sich nach und nach in einigen Neubaugebieten am Rande Westberlins verwirklichen, viel später auch an der Peripherie Ostberlins. In innerstädtischen Gebieten aber zwangen Geldmangel und die unmittelbare Wohnungsnot dazu, auf große Ideallösungen zu verzichten. Statt dessen galt es, die alten, eng beieinander stehenden Mietshäuser so schnell wie möglich wieder bewohnbar zu machen und die zahlreichen Lücken mit einfachen Neubauten zu schließen. Zwar wurde darauf geachtet, nicht so dicht zu bauen wie zuvor, die alten Stadtstrukturen blieben aber schließlich in beiden Hälften der politisch geteilten Stadt im Wesentlichen erhalten.
Dazu gab es zwei erklärte Ausnahmen. Im sowjetisch verwalteten Ostberlin sollten Teile des besonders stark zerstörten Stadtbezirks Friedrichshain im Anklang an Scharouns Ideen neu gestaltet werden. Nach zaghaften Anfängen wurde das Unternehmen rigoros abgebrochen. Die Ende 1949 neu gegründete DDR orientierte sich jetzt für ihr repräsentatives Bauprojekt an der sowjetischen Monumentalarchitektur - es entstand die Stalinallee (danach: Karl-Marx-Allee). So blieb das südliche Hansaviertel in Westberlin das einzige große innerstädtische (Trümmer-)Gebiet, das mit völlig neu aufgeteilten Grundstücken und unter starker Veränderung auch des Straßen- und Versorgungsnetzes nach den Vorstellungen der damaligen Moderne wieder aufgebaut wurde. Privatkapital war kaum vorhanden, fast alle Bauten entstanden mit öffentlicher Förderung. Städtebauliche Absichten ließen sich dadurch leichter durchsetzen, trotzdem war die Neuordnung der 159 Altgrundstücke außerordentlich schwierig, sie dauerte annähernd drei Jahre. Alles geschah auf privatrechtlicher Grundlage - zwar waren alle Grundstücke vorübergehend in einer Hand, die neugebildeten Grundstücke und die neuen Gebäude wurden aber wieder Privateigentum.
Den organisatorischen Rahmen für das Großprojekt bildete die Internationale Bauausstellung Berlin 1957 (Interbau), den politischen Hintergrund eine für die Zeit des "Kalten Krieges" symptomatische Konkurrenzsituation: Stalinallee und Hansaviertel wurden nahezu gleichzeitig gebaut, beide als Demonstrationsobjekte für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gesellschaftssystems.
[Bearbeiten] Die Bebauung
In die Interbau integriert waren zwei räumlich isolierte Bauten, die sich auf der begrenzten Fläche des neuen Hansaviertels nicht sinnvoll unterbringen ließen. In der Nähe des Olympiastadions baute Le Corbusier eine Wohneinheit von 135 m Länge (Unité d´Habitation), unweit des Reichstagsgebäudes entstand, als Beitrag der USA, die Kongresshalle mit ihrer seinerzeit in Europa einmaligen Dachkonstruktion.
Die Zielvorstellung für das Hansaviertel selbst war also: aufgelockerte Baustrukturen statt der geschlossenen Blockbebauung der Vorkriegszeit; viel Grün zwischen den Bauwerken - der Tiergarten sollte gewissermaßen von seinen Rändern aus durch das Viertel hindurchfließen. Die Finanzierung im Sozialen Wohnungsbau, die Forderung, mit knapp bemessenen, öffentlich kontrollierten Budgets das Bestmögliche für die späteren Bewohner zu leisten, bedeuteten für die Architekten eine Beschränkung, aber auch eine interessante Herausforderung. Am Ende ergab der Ideenwettbewerb der gemeinsam beteiligten, aber natürlich auch untereinander konkurrierenden Architekten vielfältige, auch anderswo anwendbare Anregungen für Grundrisse, Konstruktion und Gestaltung im öffentlich geförderten Wohnungsbau - auch dies ein wichtiges Ergebnis des Projekts.
Zu einem Wettbewerb von 1952 wurden 53 Architekten aus 13 Ländern eingeladen, allesamt Verfechter westlich-moderner Vorstellungen vom "Neuen Bauen", darunter Alvar Aalto, Egon Eiermann, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer und Max Taut. Nach ihren Entwürfen wurden schließlich 35 Objekte verwirklicht. Die Wohnhäuser mit insgesamt 1160 Wohneinheiten gruppieren sich in lockerer Mischung aus Hoch- und Flachbauten um das Zentrum am Hansaplatz, mit Ladenpassage, Kirche, Kino (später Spielstätte des Grips-Theaters), Bibliothek und Kindergarten sowie dem Eingang zur U-Bahnstation "Hansaplatz" (1961 eröffnet).
Das Prinzip der aufgelockerten, "durchgrünten" Stadt verlangte nach enger Zusammenarbeit mit Fachleuten der Gartenarchitektur (heute: Landschaftsarchitektur). Der Berliner Gartenarchitekt Walter Rossow wirkte von Beginn an bei der Gesamtplanung mit. Das ganze Gelände wurde zur gärtnerischen Gestaltung in fünf Bereiche aufgeteilt, insgesamt zehn angesehene deutsche und internationale Gartenarchitekten, unter ihnen Ernst Cramer (Zürich), hatten die Aufgabe, die Grünflächen zu gestalten und sie für die Anwohner und ihre Kinder nutzbar zu machen.
Es gibt im Hansaviertel drei große Gruppen von Wohngebäuden:
- Ein Beispiel für die Gruppe der ein- und zweigeschossigen Einfamilienhäuser sind die vier Bauten des Dänen Arne Jacobsen. Sie umschließen offene Innenhöfe, sind nach Süden geöffnet und nach Norden an eine Wohnstraße angeschlossen. Bei ihnen, wie bei allen anderen Gebäuden dieser Kategorie, wird die Tendenz erkennbar, die übliche einfache Reihung, das beziehungslose Nebeneinander der Häuser zu vermeiden.
- Eine zweite Gruppe ist die der Zeilenbauten mit vier bzw. sieben bis 10 Etagen. Zeilenbauten mit nur vier Etagen waren besonders kostengünstig - spezielle Bautechnik wurde nicht benötigt, auf Fahrstühle konnte man verzichten. Allerdings war die Flächennutzung (Wohnungen pro Flächeneinheit) nicht optimal, die Gebäude mussten ziemlich eng beieinander stehen, der Gesamteindruck ist etwas monoton. - Zeilenbauten mit sieben bis zehn Etagen dagegen erlaubten ringsherum größere Freiräume für Parkplätze und Grüngestaltung, erforderten aber höhere relative Kosten für Bau und innere Erschließung, durch Fahrstühle zum Beispiel. Einige Gebäude dieses Typs werden besonders häufig genannt, wenn vom Hansaviertel die Rede ist: ein achtgeschossiges Wohnhaus des Finnen Alvar Aalto, ein siebengeschossiges Gebäude des Brasilianers Oscar Niemeyer auf V-förmigen Stützen und mit freistehendem Fahrstuhlturm, schließlich ein leicht geschwungener, neungeschossiger Zeilenbau von Walter Gropius (USA), seine besonderen Merkmale sind die um 90° gedrehten Wohnungsblöcke an den Schmalseiten.
- Eine dritte Gruppe besteht aus sechs sogenannten Punkthäusern, der Grundriss konzentriert sich hier mit möglichst vielen Wohnungen um ein Zentrum, das Treppenhaus bzw. den Fahrstuhlschacht. Ein Beispiel dieser Kategorie ist das Gebäude der Holländer Van den Broek/Bakema, mit der Besonderheit gegeneinander verschobener Halbetagen statt durchgehender Stockwerke. Eine lockere Reihe von fünf Punkthäusern mit 16 bzw. 17 Etagen liefert den weithin sichtbaren Akzent des Hansaviertels.
Die Stadtplaner glaubten seinerzeit, mit ihren Konzepten einen sicheren Weg zur "Stadt von Morgen" zu zeigen. Diese Überzeugung gilt inzwischen als überholt. Dennoch bleibt das Hansaviertel ein sehenswertes Beispiel für moderne Architektur und Stadtplanung der 1950er Jahre. 1995 wurde es vollständig unter Denkmalschutz gestellt.
[Bearbeiten] Literatur
- "Interbau Berlin 1957". Amtlicher Katalog der Internationalen Bauausstellung Berlin 1957. Herausgeber: Internationale Bauausstellung Berlin GmbH, Berlin-Charlottenburg.
- Gabi Dolff-Bonekämper/Franziska Schmidt: "Das Hansaviertel - Internationale Nachkriegsmoderne in Berlin", Verlag Bauwesen, Berlin 1999, ISBN 3345006391
- Udo Weilacher: "Visionäre Gärten. Die modernen Landschaften von Ernst Cramer." Basel Berlin Boston 2001, ISBN 3764365684
- Walter Rossow: "Die Landschaft muss das Gesetz werden." Stuttgart 1991, ISBN 3421030014
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Berlin-Hansaviertel – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Internetpräsenz mit vielen Bildern zum Hansaviertel
- "Hansaviertel - Beschauliche Atmosphäre zwischen alten Villen und moderner Nachkriegsarchitektur", Berlin-Mitte.de, 28. Januar 2005
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