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Bourgeoisie - Wikipedia

Bourgeoisie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Bourgeoisie [burʒwaˈzi] (französisch) heißt wörtlich übersetzt: "Bürgertum" und bezeichnete im Europa des feudalistischen und absolutistischen Zeitalters bis Ende des 18. Jahrhunderts / Anfang des 19. Jahrhunderts - namentlich in Frankreich -, den bis zur Französischen Revolution von 1789 politisch eher einflusslosen so genannten Dritten Stand der Gesellschaft - nach dem Klerus und dem Adel. Durch die französische Revolution wurde, historisch betrachtet, mit der Machtergreifung des Bürgertums das Zeitalter des Absolutismus durch das bürgerliche Zeitalter, das bis zum Ersten Weltkrieg dauern sollte, abgelöst.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] 19. Jahrhundert

Im Laufe des 19. Jahrhunderts spalteten sich nach verschiedenen bürgerlichen Revolutionen wie der Julirevolution 1830, der Februarrevolution 1848 und der Märzrevolution von 1848 / 1849 gegen die Politik der Restauration in Europa, zunehmend die Klasse des 3. Standes und des sich im Zuge der Industriellen Revolution verstärkenden 4. Standes, des Proletariats, in zwei entgegengesetzte vor allem soziale und ökonomische Interessengruppen auf. Die ehemals als fortschrittlich-revolutionär verstandene Bourgeoisie entwickelte sich als Juste Milieu zur herrschenden Klasse und wurde, freier übersetzt, zum Synonym für das "Großbürgertum".

Einer der ersten Sozialisten, die einen unvereinbaren Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie (im Sinne von kapitalistischem Großbürgertum) formulierten, war der Schneidergeselle Wilhelm Weitling. Weitling prägte entscheidend den 1836 in Paris aus dem Bund der Geächteten hervorgegangenen Bund der Gerechten, dem Vorläufer der späteren sozialistischen und Kommunistischen Parteien. Weitlings Einfluss ging in Folge von Auseinandersetzungen mit Karl Marx zurück, nachdem der Bund der Gerechten in London in Bund der Kommunisten umbenannt worden war und unter den vorrangigen Einfluss von Karl Marx und Friedrich Engels geriet. Marx / Engels bauten die Theorie des Gegensatzes von Proletariat und Bourgeoisie mit wissenschaftlichem Anspruch aus. Sie veröffentlichten 1848 "das Kommunistische Manifest", in dem sie zum internationalen Klassenkampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie aufriefen, um den Kommunismus als klassenlose Gesellschaft durchzusetzen.

[Bearbeiten] Marxistische Definition

Nach Karl Marx ist die als kapitalistisches Großbürgertum definierte Bourgeoisie die im Kapitalismus herrschende der beiden Grundklassen Bourgeoisie (Großbürgertum) und Proletariat (= abhängig beschäftigte Arbeiterschaft). Historisch hat sie sich aus dem 3. Stand der Feudalgesellschaft heraus entwickelt (Handwerker, Händler, freie und landbesitzende Großbauern). Ein Teil der Handwerker wurde zu Fabrikbesitzern. Nach der Ablösung des Feudalismus durch den Kapitalismus beuten die mit Bourgeoisie gemeinten Kapitalisten die Arbeiterklasse (das Proletariat) aus.

Im Rahmen der marxistischen Theorie ist die Geschichte eine Abfolge von Klassenkämpfen, in denen durch Revolutionen die vorher herrschende Klasse gestürzt wird und durch ein neues Gesellschaftssystem mit neuen, vor allem ökonomischen Regeln, zu ersetzen. Die Bourgeoisie hatte in diesem Kontext die historisch fortschrittliche Rolle, die herrschende Klasse des Adels in der Feudalgesellschaft zu stürzen, um den Kapitalismus durchzusetzen.

Die Durchsetzung des Kapitalismus und die Herrschaft der Bourgeoisie wiederum ist nach Marx die Voraussetzung für den Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Dieser Klassenkampf würde in einer weiteren Revolution zum Sturz der Bourgeoisie und zum Sieg des Proletariats führen, das durch eine "Diktatur des Proletariats" über den Sozialismus zur klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus führe.

In der marxistischen Diktion ist der aggressivste Teil der Bourgeoisie die so genannte Monopol-Bourgeoisie, da sie über die entscheidenden Produktionsmittel verfügt.

[Bearbeiten] Definition von Bourgeoisie nach Immanuel Wallerstein

Zunächst stellt die Bourgeoisie ein gesellschaftliches Konstrukt und somit ein dynamisches, sich also in stetigem Wandel befindendes Phänomen dar, so dass auch kein Idealtypus des Bourgeois existiert.

Es existieren verschiedene räumlich und zeitlich eingegrenzte, dominierende Organisationsformen der Bourgeoisie. Diese sind abhängig vom erreichten Grad der Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt, der Rolle des räumlich eingrenzten Gebietes (z.B. des Staates) in der Weltwirtschaft und den daraus entstehenden Formen des Klassenkampfes in der Weltwirtschaft und in diesem Gebiet. Ein Individuum, welches Teil dieser Klasse ist durch die Teilhabe an dem folgenden Prozess (die Definition über Prozesse und nicht über bestimmte Eigenschaften leitet sich aus dem Umstand ab, dass eben keine Idealtypen für Klassen existieren) gekennzeichnet: ein Bourgeois erhält aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung, zu bestimmten Kreisen etc. einen Teil eines Mehrwertes, der nicht durch ihn selbst produziert wurde und setzt diesen (gänzlich oder partiell) zur Kapitalakkumulation ein.

Dabei erfährt die Zugehörigkeit zur Bourgeoisie keine Beschränkung durch das Ausüben bestimmter Berufe oder die Verfügung über ein irgendwie geartetes Eigentum. Der Eintritt in die Bourgeoisie kann auch mittels eines „Sprungbrettes“ oder aufgrund besonderer Strebsamkeit oder Talentiertheit erfolgen. Jedoch garantiert die Zugehörigkeit zur Klasse nicht den Verbleib in dieser. An dieser Stelle werden laut Wallerstein dann doch bestimmte Eigenschaften maßgeblich, nämlich Cleverness, Härte und Fleiß, denn das wichtigste Kriterium für den „Klassenerhalt“ ist der Erfolg auf dem Markt.

Für die Individuen, die sich dauerhaft als der Bourgeoisie zugehörig zählen stellt sich mit der Zeit die Frage wie die Gratifikationen zu halten sind ohne ständig diesem enormen Konkurrenz- und Leistungsdruck ausgesetzt zu sein. Die Strategie zur Lösung dieses Problems liegt in der Ummünzung des ökonomischen Erfolges in gesellschaftlichen Status.

Daraus resultiert allerdings ein weiteres Problem für die Bourgeoisie, nämlich die Tatsache, dass aufgrund der ökonomischen Dynamik des Kapitalismus neue Bourgeois erzeugt werden, die aber noch nicht über gesellschaftlichen Status verfügen, ihn aber für sich beanspruchen. Da das wertvolle Gut des gesellschaftlichen Status aber seinen distinktiven Charakter und damit seinen eigentlichen Wert verliert, wenn zu viele darüber verfügen, kommt es zu „Ausscheidungskämpfen“ zwischen den „neuen“ und den „alten“ Bourgeois.

Quelle: Wallerstein, Immanuel (1998): Der Klassenkonflikt in der kapitalistischen Weltwirtschaft, in: Balibar, Etienne/Wallerstein, Immanuel (1998): Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg, S. 141-153


[Bearbeiten] Definition von Bourgeoisie nach Luis Buñuel

Die Bourgeoisie ist die herrschende Grund­klasse der kapitalistischen Gesell­schaft (Kapitalismus). Im Gegen­satz zur beherrschten und ausgebeu­teten Grundklasse dieser Gesell­schaftsordnung, der Arbeiterklasse, deren Angehörige nur über ihre Ar­beitskraft verfügen, ist die Bourgeoisie im Kapitalismus Eigentümer der entschei­denden Produktionsmittel (Fabriken, Transportmittel, Bodenschätze usw.). Sie existiert und entwickelt sich auf der Grundlage der Ausbeutung der Lohnarbeiter. Die Klasseninteressen der Bourgeoisie und des Proletariats sind objektiv gegensätzlich und unversöhn­lich, d.h. antagonistisch (Antago­nismus), und bedingen den Klassenkampf zwischen beiden, der vom Proletariat bis zum Sturz der Bourgeoisie und zur Errichtung seiner eigenen Macht geführt werden muß.


[Bearbeiten] Siehe auch

Bobo, Bürger, Bürgergesellschaft, Bürgertum, Citoyen, Kleinbürger

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