Bremsvermögen
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Beim Durchgang durch Materie ionisieren geladene Teilchen die Atome oder Moleküle, auf die sie treffen. Dabei verlieren sie schrittweise Energie. Mit Bremsvermögen des Materials (englisch: Stopping Power) bezeichnet man den Energieverlust pro Weglängeneinheit der Teilchen, gemessen beispielsweise in MeV/cm. Dieser ist abhängig von der Teilchenart, vom Material und von der augenblicklichen Energie. Da die Erzeugung eines Ionenpaares eine bestimmte Energiemenge kostet (in Luft z.B. 33 eV), ist die Ionisationsdichte längs der Teilchenbahn proportional zum Energieverlust pro Weglängeneinheit.
Der Ausdruck 'Bremsvermögen' beschreibt die Situation sozusagen vom Standpunkt des bremsenden Materials aus, während 'Energieverlust pro Weglängeneinheit' sich auf das Teilchen bezieht. In bezug auf Einheit und Zahlenwert sind beide Größen identisch, bis auf das Vorzeichen (der Energieverlust pro Weglängeneinheit wird üblicherweise mit negativem Vorzeichen -dE/dx geschrieben, wobei E die Energie und x die Weglänge bedeutet).
Meistens steigt der Energieverlust pro Wegeinheit während des Weges, den das Teilchen zurücklegt, an. Die Kurve, die dies beschreibt, heißt Bragg-Kurve.
Kurz vor dem Ende des Weges durchläuft der Energieverlust ein Maximum (Bragg-Peak, benannt nach William Henry Bragg) und fällt dann abrupt auf (fast) Null ab. Dies ist von großer praktischer Bedeutung bei der Strahlentherapie.
Das Bild zeigt, wie der Energieverlust pro Weglängeneinheit (die Stopping Power) - und damit die Ionisationsdichte - der Alphateilchen während des Weges in Luft zunimmt, bis sie das Maximum erreicht. Die Energie von 5.49 MeV entspricht der des natürlichen Radongases (Radon-222), das überall vorkommt, wo es Granit im Boden gibt. Die Darstellung hier unterscheidet sich von der im Bild oben dadurch, dass hier die Teilchen eine fixe Anfangsenergie haben.
Der Weg, den die Teilchen zurücklegen, bis ihre Energie auf Null sinkt, heißt Reichweite. Die Reichweite ist abhängig von der Teilchenart, von der Anfangsenergie und von dem Material, das die Teilchen durchqueren. Man kann die Reichweite berechnen, indem man das reziproke Bremsvermögen über die Energie (von der Anfangsenergie bis Null) integriert.
Das dritte Bild zeigt die Absorption eines Protonenstrahls, der durch einen Teilchenbeschleuniger von 250 MeV erzeugt wurde, in Wasser (orangefarbene Kurve); die Kurve hat einen sehr spitzen Bragg-Peak. Die blaue Kurve zeigt, wie man diese Spitze verbreitern kann (etwa durch Variation der Beschleunigerenergie), um bei der Strahlentherapie einen ausgedehnteren Tumor zu bestrahlen.
Das Bild zeigt zum Vergleich auch die Absorption eines hochenergetischen Photonenstrahls. Diese Kurve ist gänzlich anders (im wesentlichen eine exponentielle Abnahme), da das Photon nicht allmählich durch viele Ionisationen Energie abgibt, sondern meist in einem einzigen Ionisationsprozess seine ganze Energie verliert (siehe auch Teilchenstrahlung). Die Absorption eines Photonenstrahls wird NICHT durch das Bremsvermögen beschrieben, sondern durch einen Absorptionskoeffizienten.
Die englischen Ausdrücke Stopping Power und Bragg-Peak sind auch im Deutschen sehr üblich.