Chanten
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Chanten (Ханты) | |
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Gesamtbevölkerung | ca. 28.700 |
Siedlungsgebiete | Autonomer Kreis der Chanten und Mansen, Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen, Republik Komi, Oblast Tomsk |
Sprache | Chantisch, Russisch |
Religion | Schamanismus, Russisch-orthodox |
Verwandte Ethnien | Mansen |
Die finno-ugrische Ethnie der Chanten (alter Name: Ostjaken, Eigenbez. und russisch Chanty, indekl.) spricht eine zum finno-ugrischen Zweig der uralischen Sprachen gehörende ugrische Sprache, das in vier Dialekte unterteilte Chantische. Gemeinsam mit den Mansen werden sie als die Ob-Ugrier bezeichnet. Sprachlich sind sie die nächsten lebenden Verwandten der Ungarn. Es gibt jedoch Grund zur Annahme, daß Chanten und Mansen einen anderen ethnischen Ursprung haben und erst im Laufe der Zeit Sprache und Teile der Kultur der Ugrier angenommen haben.
Die ursprünglichen Jäger und Rentierzüchter kamen im 11. Jahrhundert mit Russen in Kontakt und kamen im 16. Jahrhundert unter erheblichem Widerstand unter russische Herrschaft. Erst im 18. Jahrhundert setzte die Christianisierung der Chanten ein.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Bevölkerung
Bei der Volkszählung 2002 gaben 28678 Personen "Chantisch" als Nationalität an. Mit 26694 lebte der weitaus größte Teil von ihnen in der Oblast Tjumen, davon 17128 im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen und 8760 im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen. In der Oblast Tomsk gaben 873 Einwohner "chantisch" als Nationalität an, in der Republik Komi waren es 88[1].
[Bearbeiten] Sprache
Die Umgangssprache in Städten und größeren Siedlungen ist heute hauptsächlich das Russische. In kleineren Dörfern, in ethnischen Enklaven innerhalb größerer Siedlungen sowie auf den Wohnplätzen der in der Taiga lebenden Halbnomaden stellen die chantischen Dialekte bis heute ein wichtiges und teilweise das Hauptkommunikationsmittel dar.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] 11. bis 16. Jahrhundert
In russischen Quellen werden die Chanten erstmals im 11. Jahrhundert untern dem Namen Jugra erwähnt. Im 15. und 16. Jahrhundert befinden sie sich unter der Herrschaft des Kanats Sibir, eines Zerfallsprodukts der Goldenen Horde. Neben den Mansen gehören sie zu den ersten Völkern Sibiriens, denen die Expedition Jermaks begegnet. Die Russen installieren eine indirekte Herrschaft, deren Hauptziel die Zahlung von Tributen (Jassak) in Form von Zobel-Fellen ist. Lokale Führungspersönlichkeiten, entweder traditionelle oder von den Kolonialherren eingesetzte, sind dabei für die Einsammlung und Entrichtung des Tributs zuständig. Dieser Tribut war das ursprüngliche Hauptziel der russischen Eroberung Sibiriens. Lange Zeit waren sibirische Zobelfelle die wichtigste Einnahmequelle des Staates.
[Bearbeiten] Lebensweise
Viele Chanten waren traditionell Halbnomaden mit saisonalem Wohnsitzwechsel, anders als die benachbarten Nenzen, von denen ein größerer Teil vollnomadisch lebt. In der sowjetischen Epoche wurden zahlreiche chantische Siedlungen zwangsweise geräumt und ihre Bewohner in neu errichtete größere Dörfer umgesiedelt, in denen heutzutage die Mehrheit der Chanten lebt. Ein kleinerer Teil von ihnen geht nach wie vor einer halbnomadischen Lebensweise nach, die jedoch infolge des Zusammenbruchs des sowjetischen Versorgungssystems und des Ausgreifens der Erdölförderung immer schwieriger durchzuhalten ist. Gleichzeitig befinden sich die in der sowjetischen Zeit errichteten Dörfer oftmals in einer prekären Lage, da ihre Erbauer nicht berücksichtigten, ob das Umland geeignet ist, eine größere Zahl von Menschen zu ernähren.
[Bearbeiten] Kultur
Einer der wichtigsten Erforscher der chantischen oralen Literatur, Mythologie und Folklore war der Finno-Ugrist und Volksliedsammler Wolfgang Steinitz, dessen "Ostjakologische Arbeiten" 1939 im estnischen Tartu erscheinen.
[Bearbeiten] Politik
Politisch gehören die Chanten zu den "kleinen Völkern des Nordens", die gemeinsam mit den anderen indigenen Völkern des Autonomen Kreises in der Assoziation zur Rettung der Jugra («Ассоциация Спасение Югры») mit Sitz in Chanty-Mansijsk organisiert sind. Diese gehört ihrerseits der gesamtrussischen Indigenenvereinigung RAIPON an.
Zu den bekannteren Persönlichkeiten gehört der chantische Schriftsteller Jeremej Ajpin (Еремей Айпин), dessen Werk sich zum großen Teil mit dem Konflikt zwischen seinem Volk und der der Ölindustrie auseinandersetzt.
[Bearbeiten] Siehe auch
Autonomer Kreis der Chanten und Mansen Mansen
[Bearbeiten] Weblinks
- Informationen und Bilder zu den Chanten und Waldnenzen
- Informationen zur sozialen und menschenrechtlichen Lage
- Kurzinformationen zur Assoziation zur Rettung der Jugra
- RAIPON-Artikel über Chanty
- Redbook: The Khants
- Centre for Russian Studies — Norwegian studies of Russian peoples
[Bearbeiten] Literatur
- STEINITZ, Wolfgang: Ostjakologische Arbeiten in vier Bänden. Budapest: Akadémiai Kiadó, Berlin: Akademie-Verlag, Den Haag: Mouton (1976 ff.)
- BALZER, Marjorie M.: Strategies of Ethnic Survival: Interaction of Russians and Khanty (Ostiak) in Twentieth Century Siberia. Bryn Mawr College, Ph.D..1979 Als Manuskript gedruckt.
- BALZER, Marjorie M.: The Route to Eternity: Cultural Persistance and Change in Siberian Khanty Burial Rituals. In: Arctic Anthropology, 17.Jg. (1980), H.1, S.77-98.
- BALZER, Marjorie M.: Rituals of Gender Identity: Markers of Siberian Khanty Ethnicity, Status and Belief. In: American Anthropologist, 83.Jg. (1981), H.4, S.950-867.
- BALZER, Marjorie Mandelstam: Doctors or Deceivers? Siberian Khanty Shamans and Soviet Medicine. Aus: Romanucci-Ross, Lola; Moerman, Daniel; Tancredi, Lawrence (Hrsg.): The Anthropology of Medicine. South Hadley, Mass. (Bergin) 1982.
- BALZER, Marjorie M.: Ethnicity without Power: The Siberian Khanty in Soviet Society. In: Slavic Review, Jg.1983, S.633-648.
- BALZER, Marjorie M.: Khanty. Aus: Friedrich, Paul (Hrsg.): Encyclopedia of World Cultures, Vol VI. New Haven (Yale University) 1994. S.189-192.
- WIGET, Andrew; BALALAEVA, Olga: National Communities, Native Land Tenure, and Self-determination among the Eastern Khanty In: Polar Geography, 21.Jg. (1997), H.1, S.10-33.