Digitaler Wahlstift
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Ein digitaler Wahlstift ist ein sowohl analoges als auch elektronisches Wahlgerät und wird wie ein herkömmlicher Kugelschreiber benützt. Er ist etwas dicker als ein herkömmlicher Stift, da in ihm zusätzlich eine digitale Minikamera eingebaut ist, die das engere Stiftspitzenumfeld filmt und dadurch registrieren kann, an welcher Position der Stift verwendet wird. Sein Einsatz bei der Stimmenabgabe bei Wahlen dient der einfachen und schnellen Stimmauszählung, welche bei einem Wahlrecht, welches lange Kandidatenlisten und mehrere Stimmen vorsieht, wie z.B. dem Wahlrecht in Hamburg aus dem Jahr 2004, das händische Auszählen sehr langwierig macht.
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[Bearbeiten] Stimmabgabe
Der Wähler erhält wie bisher seinen Stimmzettel und macht in der Wahlkabine mit der Tinte des digitalen Wahlstiftes seine Kreuze auf das Papier. Dabei registriert der Stift automatisch, an welchen Positionen auf dem Stimmzettel der Stift aufgesetzt wurde. Nachdem der Wähler seine Kreuze gemacht hat, wirft er wie bisher seinen Stimmzettel in die Wahlurne, gibt jedoch zusätzlich auch den digitalen Wahlstift bei dem Wahlvorstand ab. Dieser verbindet den Wahlstift mit einem Lesegerät, welches die gespeicherten Stiftaufsetzkoordinaten liest und auf dem angeschlossenen lokalen Personalcomputer (PC) abspeichert. Die Speicherung erfolgt ohne Zeitpunkt- und Reihenfolgeinformationen, um das Wahlgeheimnis zu wahren. Nach erfolgter Datenübertragung schaltet der Wahlvorstand den Wahlstift für die nächste Stimmabgabe elektronisch frei und der nächste Wähler kann seine Stimme abgeben.
Hat der Wähler sich während des Ankreuzens versehen, so kann er sich einen neuen Stimmzettel geben lassen. Der alte Stimmzettel wird zerrissen, der Wahlstift zurückgesetzt und neu freigeschaltet, und der Wähler kann mit dem neuen Stimmzettel erneut wählen.
[Bearbeiten] Technik der Digitalisierung
Die Digitalisierung des Schreib- bzw. Ankreuzvorgangs ist möglich, da das Papier des Stimmzettels, vom Menschen kaum sichtbar, fein gemustert ist. Die Musterung teilt den Stimmzettel in ein Raster auf, dessen Gitterabstand 0,3 mm beträgt. Jedes Feld dieses Rasters ist wiederum eindeutig durch winzige Punkte kodiert. Wenn der Stift aufgesetzt wird, erkennt der Stift dies anhand eines eingebauten Minendrucksensors, und die digitale Kamera im Wahlstift erkennt anhand der Musterung des Stimmzettels die Koordinaten, an denen die Stiftspitze aufgesetzt ist und speichert diese Koordinaten auf einem Speicher im Stift ab. Es handelt sich bei dieser Technik um die sogenannte Anoto-Technik, welche die schwedische Firma Anoto Group AB entwickelt und etabliert hat.
[Bearbeiten] Auswertung
Die Auswertung geschieht durch Software, kann dabei jedoch jederzeit vom Wahlvorstand auf Korrektheit überprüft werden. In der Auswertungs-Software sind gültige (Ankreuzfelder) und ungültige (der Rest des Stimmzettels) Koordinatenbereiche des Stimmzettels definiert. Anhand definierter Regeln (wurde nur in gültigen Bereichen geschrieben? wurde in maximal n gültigen Bereichen geschrieben? wurden in den gültigen Bereichen Kreuze gemacht?) ordnet die Software die einzelnen Stimmzettel-Datensätze den Kategorien "gültig", "zu prüfen" oder "ungültig" zu. Der Wahlvorstand hat nun die Möglichkeit, sich jeden Stimmzettel-Datensatz, insbesondere die "zu prüfenden" und die "ungültigen", anzeigen zu lassen. Dafür werden die Koordinaten, an denen der Stift aufgesetzt war, mit einer entsprechenden digitalen Stimmzettelgrafik überlagert. Die Schreibinformationen werden also visualisiert: Es ist ersichtlich, an welchen Positionen auf dem Stimmzettel der Stift aufgesetzt wurde. Der Wahlvorstand berät nun wie bisher über die Gültigkeit des Stimmzettels und den ersichtlichen Wählerwillen und ordnet ihn dann entsprechend endgültig den Kategorien "gültig" oder "ungültig" zu. Jeder gültige Koordinatenbereich (=Ankreuzfeld) ist genau einem Kandidaten zugeordnet. Dadurch ergibt sich aus den gültig angekreuzten Koordinatenbereichen das Wahlergebnis.
[Bearbeiten] Stimmauszählung
Das Wahlergebnis liegt digital sofort vor. Die händische Auszählung entfällt, ist jedoch bei Bedarf möglich. Auch die nachträgliche Überprüfung der digitalen Stimmzettel-Datensätze und die nachträgliche Überprüfung der Auswertung durch die Software/den Wahlvorstand ist möglich. Insbesondere sind Stichprobenvergleiche zwischen digital (Stift/Software) und analog (Stimmzettel aus Wahlurne/Wahlhelfer) ermittelten Ergebnissen möglich.
Allerdings fehlt hier eine rechtliche Regelung, dass im Falle einer Differenz zwischen dem Ergebnis von Computer und Stimmzettelauszählung letzteres das verbindliche Wahlergebnis ist. Bei einer Wahl in Belgien wurde bei einer achtprozentigen Differenz die Computerzählung zum endgültigen Wahlergebnis erklärt.[1]
[Bearbeiten] Anwendung
Am 31. Oktober 2006 beschloss der Hamburger Senat den flächendeckenden Einsatz des digitalen Wahlstiftes bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2008. Innensenator Udo Nagel (parteilos) sagte, dass der digitale Wahlstift sicher sei. Die Übereinstimmung von papierenem und elektronischem Ergebnis solle bei Stichproben überprüft werden. Nach Kenntnis des Landeswahlleiters Willi Beiß handelt es sich bei dem ausschließlichen Einsatz des digitalen Wahlstiftes in Hamburg um eine Weltpremiere.
[Bearbeiten] Rechtliches
Der Digitale Wahlstift besitzt keine Zulassung der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) für Bundestagswahlen. Dazu müsste auch erst die Bundeswahlgeräteverordnung angepasst werden da diese auf Geräte mit Tasten und Bildschirm zugeschnitten ist.[2]
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- c't 6/2006, S. 90: e-Voting: Der Stift-Kompromiss
- Stadt Hamburg: Hamburgs erster digitaler Urnengang erfolgreich
- Stadt Hamburg: Bürgerschaft und Bezirksversammlungen werden 2008 digital gewählt
- Welt online vom 01.11.2006: Weltpremiere des Digitalstifts bei Bürgerschaftswahl
- Heise Online News vom 01.11.2006: E-Voting: Hamburg führt den digitalen Wahlstift ein
- Mainz Online: Digitaler Wahlstift - Testergebnisse
- Firma Anoto Group AB]