Elisar von Kupffer
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Elisar von Kupffer (*1872 in Tallinn/Estland; †1942) war ein Künstler, Anthologe, Dichter, Historiker, Übersetzer, und Bühnenschriftsteller. Für die meisten seiner schriftstellerischen Arbeiten benutze er das Pseudonym Elisarion.
Er studierte in St. Petersburg und Berlin. Nach Italien-Reisen von 1902 bis 1915 etablierte er sich zusammen mit seinem Partner, dem Historiker und Philosophen Eduard von Mayer, als Maler in Locarno, sowohl für Gemälde als auch für Wandmalerei. Zwischen 1925 und 1929 verwandelten sie ihre Villa in Minusio am Lago Maggiore in eine umfangreiche Kunstsammlung, dem 'Sanctuarium Artis Elisarion'. Seit 1981 ist sie ein Museum, das dem Werk v. Kupffers gewidmet ist.
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[Bearbeiten] Lieblingminne und Freundesliebe in der Weltliteratur
1899/1900 veröffentlichte Adolf Brand eine von v. Kupffer zusammengestellte Anthologie homoerotischer Literatur unter dem Titel Lieblingminne und Freundesliebe in der Weltliteratur. V. Kupffer erstellte die Anthologie teilweise aus Protest gegen die Haft von Oscar Wilde in England.
[Bearbeiten] Gedichte
Die Gedichte im Buch stammen aus einer Vielzahl von Quellen und Orten wie dem antiken Griechenland, dem römischen Reich, der Bibel, der arabischen Welt, Japan, Italien der Renaissance, England im elisabethanischen Zeitalter und Deutschland des 19. Jahrhunderts. Das Buch enthält auch einige wenige Gedichte des Herausgebers selbst.
Zu der Zeit, als v. Kupffer das Buch schrieb, gab es noch keine derartige Zusammenstellung, so dass es aufwändiger Nachforschungen bedurfte, um passende Texte zu finden. Erschwert wurde dieses Unterfangen noch dadurch, dass es entweder noch keine Übersetzungen fremdsprachlicher Gedichte gab oder diese durch homophobe Zensur verstümmelt waren, z.B. durch die Ersetzung männlicher Pronomen durch weibliche. V. Kupffer musste zunächst einmal also etliche Gedichte übersetzen bzw. von Freunden übersetzen lassen, falls sie in einer Sprache vorlagen, die er nicht beherrschte. Im Lichte dieser Schwierigkeiten erscheint es beachtlich, dass v. Kupffers Auswahl an Gedichten zeitlos geworden und sich in den Kanon der schwulen Dichtung eingereiht hat.
[Bearbeiten] Von Kupffers Vorwort
Wohl ebenso interessant wie die Anthologie selbst ist das 1899 in Pompeii von v. Kupffer verfasste, überaus politische Vorwort. In ihm spricht er sich dafür aus, dass Homosexualität nicht bloß durch die Gesellschaft toleriert sondern zu einem ihrer Grundpfeiler gemacht werden solle, bestehend aus (im wesentlichen platonischen) homosozialen Bindungen zwischen Jungen und Männer und Männern untereinander, wodurch die Gesellschaft in einem stärkeren Maße als durch heterosexuelle Beziehungen alleine jemals erreichbar gestärkt werden solle.
V. Kupffer greift auch die Bezeichnung drittes Geschlecht an, ein Konzept das seiner Meinung nach von Schwulenrechtsaktivisten wie Magnus Hirschfeld erfunden wurde um eine rechtliche Anerkennung der Homosexuellen zu erreichen und bestehende Gesetze gegen homosexuelle Praktiken aufzuheben. Er wendet sich auch gegen eine revisionistische Geschichtsschreibung, in der historische Personen wie etwa Alexander der Große oder Julius Caesar als Schwule dargestellt werden, wobei er davon ausgeht, dass das moderne Konzept des Schwulseins sich um das feminisierte männliche Verhalten nach dem Modell des dritten Geschlechts dreht, das auf die Verhältnisse in der damaligen Zeit schlicht nicht zutreffe.
Weiterhin kritisiert v. Kupffer den "Kult der Frau", von dem er behauptet, er entspringe dem kaiserlichen Frankreich und dem Hof Ludwig XIV. Ein Klima, in dem Mann-Frau-Beziehungen gefördert und Mann-Mann-Bindungen als verdächtig angesehen werden, sei schädlich für die Gesellschaft. Die alleinige Befürwortung von Heterosexualität führe zu einer vergleichsweise einsamen Gesellschaft, in der solziale Interaktionen und Kultur in größerem Maßstab (wie etwa in der griechischen Polis) weitgehend fehlen.
Trotz Kupffers Argument jedoch, dass heutige Männer wie die idealen griechischen Bürger der Vergangenheit sowohl entschieden maskulin in ihrem Verhalten als auch gleichzeitig kultiviert genug zur Führung homoerotischer oder homosexueller Beziehungen sein sollten, betont v. Kupffer, dass er kein Misogynist sei und die Misogynie in Wahrheit von heterosexuellen Männern ausgehe, die sich unbewusst eingeschränkt in ihren Ehen fühlten.
Dieses Vorwort bleibt auf vielfältige Weise auch heute noch aktuell, denn die Meinungsverschiedenheit zwischen v. Kupffer und Hirschfeld spiegelt sich später in ähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Adolf Brand und Hirschfeld oder ab den 1960er Jahren zwischen Befürwortern päderastischer Beziehungen und der Hauptströmung der Schwulenbefreiungsbewegung.
Alles in allem läuft es auf die fundamentale Frage hinaus, ob Homosexualität eine bloße Alternative zur Heterosexualität ist und es deswegen gleiche Rechte wie z.B. die Schwulenehe geben sollte, oder ob sie wichtiger als heterosexuelle Beziehungen ist, nämlich ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, der durch seine Bindungen, seien sie mit einem Altersunterschied verbunden oder nicht, der Gesellschaft als Ganzem nützt.
[Bearbeiten] Weitere Publikationen
- Irrlichter (1900, drei Bühnenstücke Andrei, Erich und Narkissos)
- ein Buch über den Renaissance-Künstler Sodoma
- Ein Bühnenstück von 1912, Aino und Tio;
- der Gedichtband Hymnen der Heiligen Burg (1912)
Seine Arbeiten wurden auch im Schwulenmagazin Akadémos von Baron Jacques d'Adelswärd-Fersen veröffentlicht.
Außerdem war v. Kupffer auch Fotograf, der fotografische Studien von Jungen anfertigte, die er als Vorlagen für seine Gemälde benutzte.
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Cecile Beurdeley (Trans.: M. Taylor). L'Amour bleu (1978) (enthält viele Abblidungen von Kupffers Wandmalereien bei Locarno). ISBN 0847801292
- Graziano Mandozzi. Elisarion : un santuario per il Clarismo (1996) (ISBN 889001590X)