Europäische Kommission
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Die Europäische Kommission ist im politischen System der Europäischen Union die Exekutive und als solche für die Umsetzung der Beschlüsse von Ministerrat und Parlament zuständig. Sie schlägt darüber hinaus in Ausübung ihres Initiativrechtes Rechtsvorschriften, politische Maßnahmen und Programme vor. Die Kommission ist ein von den Mitgliedstaaten unabhängiges und somit supranationales Organ der Europäischen Gemeinschaften. Die Kommissare dienen alleine der Union als Ganzem, nicht ihren jeweiligen Herkunftsstaaten.
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[Bearbeiten] Organisation
Die Europäische Kommission besteht aktuell aus 25 Kommissaren, von denen einer als Kommissionspräsident die Kommission leitet. Sie wird grundsätzlich alle fünf Jahre binnen sechs Monaten nach der Wahl des Europäischen Parlamentes neu besetzt. Der Kommissionspräsident wird vom Rat, in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs, bestimmt und benötigt ein Zustimmungsvotum des Parlaments. Als designierter Präsident wählt er anschließend im Dialog mit den Mitgliedstaaten die Mitglieder seiner Kommission aus - dieses Mitspracherecht hat der Präsident erst seit 1999. Aus jedem Mitgliedsland kommt ein Kandidat. Daraufhin befragt das neu gewählte Parlament diese Kandidaten ausführlich und gibt eine Stellungnahme ab - es kann die Kommission jedoch nur als Ganzes ablehnen. Abschließend wird die Kommission von den Mitgliedsstaaten ernannt. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Nizza am 1. Januar 2005 entsendet jeder der 25 EU-Mitgliedstaaten je einen Kommissar. Sie sind alle gleichberechtigte Mitglieder des Kollegiums und vertreten die gefassten Entschlüsse nach dem Kollegialprinzip. Die Amtsdauer der Kommission beträgt fünf Jahre und ist mit der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments abgestimmt.
Jedes Kommissionsmitglied verfügt über einen eigenen Mitarbeiterstab (das Kabinett) aus sechs bis neun politischen Beamten. Die Kabinettchefs bereiten die Sitzungen des Kollegiums vor und stimmen sich bereits untereinander ab: bei den sogenannten "A-Punkte" (A items) herrscht Einigkeit unter den Diensten, sie sind ohne größere Beratung beschlussfähig. Die sogenannten "B-Punkte" (B items) dagegen bedürfen eingehender Diskussion im Kollegium. Die Sitzungen des Kommissionskollegiums finden meist am Mittwoch Vormittag statt. Weitere Regelungen zur Organisation enthält die Geschäftsordnung der Europäischen Kommission.
Der Europäischen Kommission unterstehen verschiedene Generaldirektionen und Dienste für die interne Organisation und die jeweiligen Politikbereiche der Europäischen Union.
[Bearbeiten] Aufgaben
Die Kommission ist der Motor des institutionellen Systems der Gemeinschaft:
- Sie hat das Initiativrecht und schlägt demnach Rechtsakte vor, die sie dem Parlament und dem Rat unterbreitet. Im Gegensatz zu den sogenannten "agenda setter organs" in anderen politischen Systemen (also Organen, die lediglich die zu bearbeitenden Themen definieren), wie zum Beispiel der deutschen Bundesregierung, kann die Kommission einen Gesetzesvorschlag jederzeit wieder zurücknehmen, solange er noch nicht beschlossen wurde.
- Als Exekutivorgan sorgt die Kommission für die korrekte Ausführung der europäischen Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen), die Umsetzung des Haushalts und der Programme.
- Als "Hüterin der Verträge" sorgt sie gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts.
- Als Vertreterin der Gemeinschaft auf internationaler Ebene handelt sie vor allem in den Bereichen Handel und Zusammenarbeit internationale Übereinkommen aus.
[Bearbeiten] Rechtsgrundlage
Als Organ ist sie bislang in Art. 211ff. EGV, Art. 124ff. EURATOM als Gemeinschaftsorgan verankert. In der zukünftigen Europäischen Verfassung hat sie ihre Rechtsgrundlage in den Art. 25, III-250 des Verfassungsentwurfs.
In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU sowie in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (also in der zweiten und dritten Säule) hat die Kommission bisher kaum Kompetenzen. Dies wird sich durch die Verfassung ändern, die der Europäische Konvent ausgearbeitet hat - vorausgesetzt, diese wird von allen 25 Mitgliedstaaten akzeptiert und kann somit in Kraft treten.
[Bearbeiten] Geschichte der Kommission
Die Europäische Kommission hat ihren Ursprung in der Hohen Behörde, die im Rahmen des Pariser Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl geschaffen wurde, jedoch auch schon als Kommission bezeichnet wurde. Als ausführendes Organ der Gemeinschaft mit Sitz in Luxemburg oblag ihr der Vollzug der Beschlüsse der Montanunion. Die sechs Unterzeichnerstaaten bestimmten acht Mitglieder selbst, ein neuntes wurde von der Behörde gewählt. Die Mitglieder der Hohen Behörde entschieden mit einfacher Stimmenmehrheit.
1967 wurde die Hohe Behörde der EGKS im Rahmen des Fusionsvertrages mit dem Exekutivorgan der anderen europäischen Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) zur EG-Kommission verschmolzen. In der Folgezeit ragten vor allem die Amtszeiten der Kommissionen Jenkins und Delors als bedeutende Phasen der Europäischen Integration heraus.
Die EU-Kommission Santer (1995-1999) wurde gegen Ende von einem Korruptionskandal um Edith Cresson erschüttert, was schließlich am 16. März 1999 zum Rücktritt der gesamten Kommission führte.
Europäische Kommissionen | ||||||||
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EGKS | EWG | EURATOM | EG / EU | |||||
Nr. | Kommission | Amtszeit | Kommission | Amtszeit | Kommission | Amtszeit | Kommission | Amtszeit |
1. | Monnet | 1952 - 1955 | Hallstein I | 1957 - 1962 | Armand | 1958 - 1959 | Rey | 1967 - 1970 |
2. | Mayer | 1955 - 1958 | Hallstein II | 1962 - 1967 | Hirsch | 1959 - 1962 | Malfatti | 1970 - 1972 |
3. | Finet | 1958 - 1959 | Chatenet | 1962 - 1967 | Mansholt | 1972 - 1973 | ||
4. | Malvestiti | 1959 - 1963 | Ortoli | 1973 - 1977 | ||||
5. | Del Bo | 1963 - 1967 | Jenkins | 1977 - 1981 | ||||
6. | Thorn | 1981 - 1985 | ||||||
7. | Delors I | 1985 - 1989 | ||||||
8. | Delors II | 1989 - 1993 | ||||||
9. | Delors III | 1993 - 1995 | ||||||
10. | Santer | 1995 - 1999 | ||||||
11. | Prodi | 1999 - 2004 | ||||||
12. | Barroso | Seit 2004 |
[Bearbeiten] Zukunft der Kommission
Der Vertrag über eine Verfassung für Europa sieht in Art. I-26 Abs. 5 und 6 vor, dass die Zahl der Kommissare langfristig auf 2/3 der Zahl der Mitgliedstaaten reduziert wird.
Nur die erste Kommission, die in Anwendung der Verfassung ernannt wird, besteht noch aus je einem Staatsangehörigen jedes Mitgliedstaats. Ab dem Ende dieser ersten Amtszeit besteht sie - einschließlich ihres Präsidenten und des Außenministers der Union - aus einer Anzahl von Mitgliedern, die zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht, sofern der Europäische Rat nicht einstimmig eine Änderung dieser Anzahl beschließt.
Die Verkleinerung soll insgesamt der Effizienz und Handlungsfähigkeit der Kommission in einer erweiterten Union dienen. Das Prinzip der gleichberechtigten Rotation, nach dem die Mitglieder der verkleinerten Kommission zwischen den Mitgliedstaaten ausgewählt werden, ist auch im Verfassungsvertrag vorgesehen.
Dem Verfassungsvertrag nach soll der Präsident der Kommission durch das Parlament, jedoch auf Vorschlag des Europäischen Rates gewählt werden, was die demokratische Legitimation der Kommission fördern und die Stellung des Präsidenten insgesamt gegenüber dem Europäischen Rat und dem Ministerrat stärken sollte.
[Bearbeiten] Mitglieder der Kommission
Die derzeitige Kommission wurde vom Europäischen Parlament am 18. November 2004 gewählt. Sie trat ihr Amt am 22. November 2004 für eine Amtszeit von fünf Jahren an.
Präsident und Vizepräsidenten:
- José Manuel Durão Barroso (Portugal), Präsident der Kommission
- Siim Kallas (Estland), Vizepräsident, Verwaltung, Audits und Betrugsbekämpfung
- Günter Verheugen (Deutschland), Vizepräsident, Unternehmen und Industrie
- Jacques Barrot (Frankreich), Vizepräsident, Verkehr
- Franco Frattini (Italien), Vizepräsident, Justiz, Freiheit und Sicherheit
- Margot Wallström (Schweden), Vizepräsidentin, Institutionen und Kommunikationsstrategie
Die übrigen Kommissare sind:
- Joaquín Almunia (Spanien), Wirtschaft und Währung
- László Kovács (Ungarn), Steuer und Zollunion
- Danuta Hübner (Polen), Regionalpolitik
- Charlie McCreevy (Irland), Binnenmarkt und Dienstleistungssektor
- Joseph Borg (Malta), Fischerei
- Janez Potočnik (Slowenien), Wissenschaft und Forschung
- Markos Kyprianou (Zypern), Gesundheits- und Verbraucherschutz
- Vladimír Špidla (Tschechische Republik), Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit
- Ján Figeľ (Slowakei), Ausbildung, Kultur und Sprachenvielfalt
- Mariann Fischer Boel (Dänemark), Landwirtschaft und Ernährung
- Dalia Grybauskaite (Litauen), Finanzen und Haushalt
- Andris Piebalgs (Lettland), Energie
- Peter Mandelson (Vereinigtes Königreich), Handel
- Olli Rehn (Finnland), Erweiterung
- Neelie Kroes (Niederlande), Wettbewerb
- Louis Michel (Belgien), Entwicklung und Humanitäre Hilfe
- Benita Ferrero-Waldner (Österreich), Außenbeziehungen und EU-Nachbarschaftspolitik
- Viviane Reding (Luxemburg), Informationsgesellschaft und Medien
- Stavros Dimas (Griechenland), Umwelt
Zum Verfahren der Berufung dieser Kommission vgl. EU-Kommission Barroso.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Website der EU
- Website der Kommission
- Generaldirektionen und Dienste der Europäischen Kommission
- Vertretung der Kommission in Österreich
- Vertretung der Kommission in Deutschland
- Ausführliches Dossier zur Kommission bei Europa Digital
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