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Familienformen - Wikipedia

Familienformen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Zur Beschreibung der Familie benötigt die Familiensoziologie eine Reihe von Begriffen. Generell ist seit der Antike in Europa eine Entwicklung von der Groß- zur Kleinfamilie festzustellen. In der Soziologie ist das Gegenstück zur Großfamilie nicht die Kleinfamilie, sondern die "Kernfamilie" (s. u.). Sie ist als Gattenfamilie, die aus Eltern (Vater, Mutter) und Kindern besteht (und in der soziologischen Diskussion kaum eine Rolle spielt), die Basis aller Familienformen.

Dabei besteht das Problem, dass gleiche Begriffe zu ganz unterschiedlichen Epochen ganz Unterschiedliches umfassten; so ist die "Kernfamilie" (als Gattenfamilie mit Kindern) im Feudalismus zwar in der Form mit jener in der Moderne gleich, im Machtgefüge und im sozialen Ansehen bestehen jedoch gravierende Unterschiede.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Antike Familie

Familia bedeutet in der Antike eine umfassende Lebens- und Rechtsform z. T. auch mehrerer Generationen - z. B. Väter/ Söhne - mit u. U. sehr vielen Sklaven in einem "Haus". Basis der "Antiken Familie" ist die Rechtsform, die später als "Haus" bezeichnet wird, in der der Hausvater nach außen rechtlicher Vertreter und Schutzherr der Familie ist, nach innen als Patriarch Inhaber aller Machtbefugnis (bis hin zum Töten von Sklaven uwm.).

[Bearbeiten] Große Haushaltsfamilie

Im Mittelalter entspricht dem die "Große Haushaltsfamilie", in der mehrere Generationen, z. T. auch parallele Ehen (z. B. von Brüdern) und ggf. Verwandte zusammen mit dem Gesinde eine Lebens- und Wirtschaftsform bilden. In der historischen Entwicklung ist die "Große Haushaltsfamilie" eher in Nordeuropa zu finden.

[Bearbeiten] Anwesen

Als eine besondere Form ist das (bäuerliche) "Anwesen" bestimmter Regionen mit großbäuerlicher Landwirtschaft (z. B. Nordwestdeutschlands) zu nennen, in dem auf einem (Bauern-) Hof einerseits eine "Kernfamilie" plus Gesinde/Verwandte als "Erweiterter Haushalt" den Haupthaushalt des Hausvaters stellt (s. u.), andererseits aber weitere Haushalte einbezogen sein können, nämlich die von Insten und Altenteilern. Beide können wiederum "Erweiterte Haushalte" sein (selten; s. u.). Während Inste zumeist Arbeitskräfte auf dem Hof gewesen sein werden, sind Altenteiler die früheren Hofhalter, die einerseits Eltern einer der Gatten des Haupthaushalts oder auch nicht mit jenen verwandt gewesen sein können. Sie hatten zumindest Anteil an den Produkten des Hofes. Das Auszählen nur aller Haushalte würde methodisch die Verhältnisse dieser Form des Dorfes zugunsten der "Kernfamilie" verschleiern.

[Bearbeiten] Haus / Ganzes Haus / Erweiterter Haushalt

Das "Haus" im Mittelalter - später als "Ganzes Haus" oder "Erweiterter Haushalt" benannt - basiert auf der o. g. Rechtsform des "Hauses" (Hausvater als rechtliche Vertretung und Schutzherr...) und wird (in Abgrenzung zu 1. - 3.) zumeist als auf nur einer "Kernfamilie" plus Gesinde (evtl. incl. Verwandten) bestehend definiert. Als "Ganzes Haus" wird es im 19./ 20. JH zum ideologisch eingefärbten Begriff, der die Harmonie von Herr und Gesinde unter der patriarchalen Führung des Hausvaters betont. Präziser ist es, vom "Erweiterten Haushalt" (in der Rechtsform des "Hauses") auszugehen, um methodisch eindeutig auf nur eine "Kernfamilie" plus Gesinde und ggf. Verwandte zu verweisen. Der "Erweiterte Haushalt" ist eher Bestandteil der Familienformen Westeuropas.

[Bearbeiten] Subfamilie

Sinnvoll wäre es, einen neuen Begriff "Subfamilie" einzuführen, der sich von der "Kernfamilie" noch unterscheidet, die meist im Sinne der Moderne (Industrialisierung) definiert wird (s. u.). Die soziologische Diskussion um die historische Familie leidet darunter, den Begriff der "Kernfamilie" sowohl für die Moderne als auch für die Vormoderne (Aufklärung) und den Feudalismus zu verwenden. "Subfamilien" sind jene Familien aus Gatten und Kindern (ohne Gesinde), die in Quellen zwar als eigenständige (zumeist Miet-) Haushalte erkennbar, zugleich aber dem "Haus" (oder "Anwesen") untergeordnet sind. Das trifft eine große Zahl vormoderner Haushalte vor allem auf dem Land. Nicht dazu gehören frühe "Bürgerliche Familien" (s. u.) etwa des entstehenden Bildungsbürgertums (Bildung, Recht, Kirche usw.). Schwierig wird die Abgrenzung bei solchen Haushalten der Unterschichten, die in Städten z. B. als Arbeitsleute manchmal sogar eigenen Hausbesitz aufweisen (und z. T. aus dem Handwerk abgestiegen sein mögen). Im Bereich der Seefahrt und des Baugewerbes sind eigenständige Haushalte, auch die von Bau-Gesellen, schon früh anzutreffen.

[Bearbeiten] Bürgerliche Familie

Die "Bürgerliche Familie" entwickelt sich aus dem "Haus" der städtischen Kaufleute und des sich bildenden Bildungsbürgertums in der Vormoderne. Das häufig eingestellte Gesinde hat eine andere Stellung als noch bei Handwerkern oder gar Bauern (bei denen Gesinde oft aus der eigenen Schicht kam). Hier wird die Kernfamilie zum alleinigen Fokus des Hauses. Die Distanz zu den DienstbotInnen wird stilbildend.

[Bearbeiten] Kernfamilie

Am Ende der Entwicklung steht in der Industrialisierung die Kernfamilie (2 Bedeutungsinhalte), die Funktion und Rechte des "Hauses" übernimmt und in der zugleich beide Gatten als bürgerliche Individuen rechtsfähig werden (Aufhebung des "Hauses"; wenn auch noch lange einseitig zugunsten des Mannes). Sie entsteht sowohl aus der "Bürgerlichen Familie" des Bildungs- und Besitzbürgertums (vornehmlich der Städte), aus dem Handwerk bei Ausgliederung der Werkstätten und Beschäftigten als auch aus der entstehenden Arbeiterschaft.

[Bearbeiten] Postmoderne Familie

Als "Postmoderne Familie" entwickeln sich primär in Westeuropa Formen, die die Auflösung der Gattenfamilie tangieren. Wenn auch die Ehe der Ehegatten in der Kernfamilie zahlenmäßig weiter deutlich überwiegt, ist doch eine Reihe entsprechender Entwicklungen festzustellen. Sie reicht von Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften über Einelternfamilien bis hin zur Verbindung zweier Eltern mit je eigenen Kindern zu einer Patchworkfamilie ohne rechtliche Bindung. Staatlicherseits wird die nicht-eheliche Verbindung formalisiert, sei es durch Anrechnung von Einkommen nicht-ehelicher Partner in der Armengesetzgebung (Deutschland: eheähnliche Lebensgemeinschaft, Bedarfsgemeinschaft), sei es durch Anerkennung der Verbindung homosexueller Paare (eingetragene Lebenspartnerschaft), oder - andererseits - durch gemeinsames Sorgerecht nicht-verheirateter Eltern bei gemeinsamen Kindern. Doch auch in modernen rechtsgültigen Ehen werden Lebensbeziehungen alltäglich, die solchen Entwicklungen entsprechen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Gestrich, Andreas/ Krause, Jens-Uwe/ Mitterauer, Michael, 2003: Geschichte der Familie, Stuttgart
  • Hennings, Lars, 1995: Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Moderne - Haus, Dorf, Stadt und Sozialstruktur zum Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel Schleswig-Holsteins, Berlin;
  • Laslett, Peter, 1991: Verlorene Lebenswelten, Geschichte der vorindustriellen Gesellschaft, Frankfurt
  • Lüscher, Kurt/ Schultheis, Franz/ Wehrspaun, Michael, 1988, Hrsg., Die "postmoderne" Familie - familiale Strategien und Familienpolitik in einer Übergangszeit, Konstanz
  • Opitz, Claudia, 1994: Neue Wege der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto Brunners Konzept des "ganzen Hauses", Geschichte und Gesellschaft 1
  • Rosenbaum, Heidi, 1981: Formen der Familie, Frankfurt
  • Tönnies, Ferdinand, 1979: Gemeinschaft und Gesellschaft, Darmstadt
  • Weber-Kellermann, Ingeborg, 1974: Die deutsche Familie, Frankfurt

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