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Franz Fühmann - Wikipedia

Franz Fühmann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Franz Fühmann (* 15. Januar 1922 in Rochlitz an der Iser, Tschechoslowakei; † 8. Juli 1984 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller. Er lebte und wirkte als (Nach-)Erzähler, Essayist und Kinderbuchautor in der DDR. In seiner Jugend durch den Nationalsozialismus geprägt, wurde er nach dem Krieg Anhänger des Sozialismus, dem er aber zunehmend kritisch gegenüber stand und von dem er in seinen späten Jahren bitter enttäuscht war.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Franz Fühmann wurde als Sohn eines Apothekers in Rochlitz an der Iser im Riesengebirge geboren. Nach der Volksschule besuchte er vier Jahre das Jesuitenkonvikt Kalksburg bei Wien, aus dem er 1936 flüchtete. Im Jahr 1941 legte er sein Abitur in Hohenelbe (Vrchlabí) ab. Nach der Annexion des Sudetenlandes durch Deutschland 1938 war er der Reiter-SA beigetreten.

1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und war als Nachrichtensoldat in der Sowjetunion und in Griechenland im Einsatz. 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. 1946 wurde er zur Antifa-Zentral-Schule in Noginsk bei Moskau kommandiert.

1949 wurde Fühmann aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und kam in die DDR, wo er bis zu seinem Tode in Märkisch Buchholz und Berlin lebte. Er trat in die NDPD - eine der Blockparteien - ein. Bis 1958 war er als kulturpolitischer Angestellter in deren Parteiapparat tätig. Der NDPD gehörte er bis zum Jahr 1972 an. Von 1958 bis zu seinem Tode war er als freier Schriftsteller tätig.

Neben eigener schriftstellerischer Tätigkeit war Fühmann auch kulturpolitisch aktiv. Er förderte viele junge Autoren und setzte sich in späteren Jahren für Schriftsteller ein, die unter Schikanen und Repressionen der DDR-Führung zu leiden hatten. 1976 gehörte er zu den Erstunterzeichnern eines Protestbriefes gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR.

Franz Fühmann erhielt 1956 den Heinrich-Mann-Preis, wurde 1957 und 1974 mit dem Nationalpreis der DDR und 1982 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Er erhielt weitere nationale und internationale Auszeichnungen und war Mitglied der Akademie der Künste.

[Bearbeiten] Schaffen

Franz Fühmann war ein sehr vielseitiger Autor, der neben frühen eigenen Gedichten, Nachdichtungen aus dem Tschechischen und Ungarischen, vielen Büchern für Kinder und junge Leser, Essays und einem reichhaltigen erzählerischen Werk auch viele ungewöhnliche literarische Versuche unternommen hat. So schrieb er beispielsweise ein Ballett, brachte zusammen mit dem Fotografen Dietmar Riemann ein Buch über Menschen mit geistiger Behinderung heraus (Was für eine Insel in was für einem Meer), mit denen er drei Jahre lange immer wieder gearbeitet hatte, und arbeitete an einem Buch mit Gedichten, die er nicht etwa geschrieben (nur die manchmal recht langen Überschriften waren von ihm), sondern einem Reimlexikon entnommen hatte (Urworte. Deutsch).

Literatur für Kinder und Jugendliche zu schreiben war Fühmann Zeit seines Lebens ein wichtiges Anliegen. Sein erstes Kinderbuch schrieb er auf Wunsch seiner Tochter Barbara. Später folgte eine Vielzahl weiterer Bücher, unter anderem Märchen, Kasperlstücke, Bücher, die sich mit Sprache beschäftigten und damit spielten (Lustiges Tier-ABC, Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel) und etliche Nacherzählungen von klassischen literarischen Stoffen und Sagen (Reineke Fuchs, Das Hölzerne Pferd (Ilias und Odyssee), Prometheus. Die Titanenschlacht). Fühmann korrespondierte zudem viel mit Kindern, seinen Lesern. So entstanden auch "Auftragswerke" (Märchen auf Bestellung).

Fühmann hinterließ ein umfangreiches erzählerisches Werk. Seine frühen Erzählungen tragen häufig autobiographischen Charakter. Im Erzählungsband Das Judenauto beschreibt er Sujets aus seiner Kindheit und Jugend. In weiteren Erzählungen setzt er sich intensiv mit der Zeit des Dritten Reiches und seiner eigenen Verstrickung auseinander. Der Begriff der "Wandlung", seine persönlichen Wandlung vom Anhänger des Nationalsozialismus zum damals noch überzeugten Sozialisten, die Möglichkeit der Wandlung überhaupt ist für Fühmann dabei sehr wichtig. Diese Themen spielen neben vielen anderen eine große Rolle in Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens, das eines von Fühmanns Hauptwerken ist. In Form eines Tagebuches einer Ungarnreise reflektiert Fühmann darin über unterschiedliche Themen, auch kleine Erzählungen sind eingeflochten.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt von Fühmanns literarischem Schaffen waren Märchen, Sagen und Mythen. Die Beschäftigung damit durchdringt viele seiner Werke von der Kinderliteratur über viele seiner Erzählungen (Das Ohr des Dionysios) bis hin zu seinem essayistischen Werk. Mit seinen Essays hat er auch zur Veröffentlichung von Autoren beigetragen, deren Werke in der DDR kaum oder nicht herausgegeben wurden (Georg Trakl, Sigmund Freud).

Beginnend mit den Zweiundzwanzig Tagen begann sich Fühmann zunehmend kritischer mit der sozialistischen Gesellschaft der DDR auseinanderzusetzen. Er versuchte mit einer Vielzahl von Briefen an DDR-Politiker, diese von Änderungen an ihrer Politik, vor allem der Kulturpolitik, zu überzeugen. Später tat er dies auch öffentlich. Sein Werk spiegelt das zunehmend wider, in besonderer Weise Saiäns-fiktschen. Er zieht sich zunehmend aus kulturpolitischen Zusammenhängen der DDR, wie dem Schriftstellerverband der DDR und der Akademie der Künste, zurück. In seinen letzten Lebensjahren beginnt er, an den politischen Bedingungen in der DDR zu verzweifeln; in seinem Briefwechsel mit Christa Wolf (Monsieur - wir finden uns wieder) wird dies besonders deutlich. Auch sein lange geplantes Hauptwerk, das in seinen Briefen und Notizen immer wieder auftauchende "Bergwerksprojekt", kann er nicht vollenden. Es erscheint postum, versehen mit dem von ihm selbst hinzugefügten Untertitel "Fragment eines Scheiterns" unter dem Titel Im Berg. Dieses 1993 erschienene Buch, das neben dem Fragment weitere Texte enthält, zeigt aber auch, dass dieses Spätwerk dennoch vom literarischen Gesichtspunkt aus gelungen ist. Die unter Literaturwissenschaftlern nicht einheitliche Beurteilung zeigt sich darin, dass manche, wie die Literaturwissenschaftlerin und sehr gute Kennerin des Werks, Dr. Sigrid Damm, Fühmanns Selbsteinschätzung direkt auf ebendies Werk beziehen.

Zitat aus seinem Testament, ein Jahr vor seinem Tod:

Ich habe grausame Schmerzen. Der bitterste ist der, gescheitert zu sein: In der Literatur und in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten.

Den literarischen Nachlass Fühmanns pflegt die Akademie der Künste in Berlin, seine etwa 17.000 Bände umfassende, mit vielen Anstreichungen und Notizen versehene Arbeitsbibliothek ist Teil der Historischen Sammlungen der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.

Die Faszination des Werkes Fühmanns zeigt sich unter anderem darin, dass sich auch heute noch junge Künstler wie beispielsweise Barbara Gauger für sein Werk einsetzen.

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Kinder- und Jugendliteratur

  • Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen. Erzählung. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1960
  • Lustiges Tier-ABC. Lyrik. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1962
  • Das hölzerne Pferd: die Sage vom Untergang Trojas und von den Irrfahrten des Odysseus. Nach Homer und anderen Quellen neu erzählt. Neues Leben, Berlin 1968
  • Shakespeare-Märchen. Nacherzählung. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1968
  • Prometheus. Die Titanenschlacht. Roman. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1974
  • Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel. Sprachspielbuch. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1978. Neuauflage Hinstorff Verlag, Rostock 2005, ISBN 3356010980.
  • Märchen auf Bestellung. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1990

[Bearbeiten] Gedichte und Nachdichtungen

  • Die Fahrt nach Stalingrad. Poem. Aufbau, Berlin 1953
  • Die Richtung der Märchen. Lyrikband. Aufbau, Berlin 1962
  • Miklós Radnóti: Ansichtskarten. Nachdichtungen. Volk und Welt, Berlin 1967

[Bearbeiten] Erzählende Prosa

  • Kameraden. Novelle. Aufbau, Berlin 1955
  • Kabelkran und blauer Peter. Reportage. Hinstorff, Rostock 1961
  • Böhmen am Meer. Novelle. Hinstorff, Rostock 1962
  • Das Judenauto. Erzählungen. Aufbau, Berlin 1962
  • Barlach in Güstrow. Erzählung. Hinstorff, Rostock 1963
  • König Ödipus. Gesammelte Erzählungen. Aufbau, Berlin 1966
  • Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens. Tagebuch. Hinstorff, Rostock 1973
  • Der Geliebte der Morgenröte. Erzählungen. Hinstorff, Rostock 1978
  • Saiäns-fiktschen. Erzählungen. Hinstorff, Rostock 1981
  • Kirke und Odysseus. Ballett. Hinstorff, Rostock 1984
  • Das Ohr des Dionysios. Nachgelassene Erzählungen. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1985

[Bearbeiten] Essayistische Prosa

  • Das mythische Element in der Literatur. Vortrag. Überarbeitete und erweiterte Fassung in: Erfahrungen und Widersprüche. Versuche über Literatur. Hinstorff, Rostock 1975
  • Vor Feuerschlünden. Erfahrung mit Georg Trakls Gedicht. Essay, Briefe und Lyrik hrsg. von F. Fühmann. Hinstorff, Rostock 1982
  • Meine Bibel; Erfahrungen. Essay. In: Beiheft zu Luthers "Biblia". Reclam, Leipzig 1983

[Bearbeiten] Andere literarische Formen

  • Was für eine Insel in was für einem Meer. Leben mit geistig Behinderten. Mit Fotografien von Dietmar Riemann. Hinstorff, Rostock 1985
  • Die Schatten. Hörspiel. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1986
  • Urworte. Deutsch. Aus Steputats Reimlexikon. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1988
  • Alkestis. Libretto. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1989

[Bearbeiten] Zusammenstellungen aus dem Nachlass

  • Im Berg. Texte aus dem Nachlaß. Hrsg. von Ingrid Prignitz. Hinstorff, Rostock 1991
  • Prometheus. Die Zeugung. Hrsg. von Sigurd Schmidt. Hinstorff, Rostock 1996
  • Das Ruppiner Tagebuch. Hinstorff, Rostock 2005, ISBN 3356010824

[Bearbeiten] Briefe

  • Briefe. 1950-1984. Eine Auswahl. Hrsg. von Hans-Jürgen Schmitt. Hinstorff, Rostock 1994
  • Monsieur - wir finden uns wieder. Briefe 1968-1984. Briefwechsel mit Christa Wolf. Hrsg. von Angela Drescher. Aufbau, Berlin 1995
  • Margarete Hannsmann: Protokolle aus der Dämmerung. 1977-1984. Begegnungen und Briefwechsel zwischen Franz Fühmann, Margarete Hannsmann und HAP Grieshaber. Rostock: Hinstorff, 2000

[Bearbeiten] Werkausgaben

  • Autorisierte Werkausgaben in Einzelbänden. Hinstorff, Rostock 1977-1988
    • Erzählungen 1955-1975. 1977
    • Gedichte und Nachdichtungen. 1978
    • Das Judenauto, Kabelkran und Blauer Peter, Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens. 1979
    • Irrfahrt und Heimkehr der Odysseus, Prometheus, Der Geliebte der Morgenröte u. a. En. 1980
    • Reineke Fuchs, Märchen nach Shakespeare, Das Nibelungenlied, Märchen auf Bestellung. 1981
    • Essays, Gespräche, Aufsätze 1964-1981. 1983
    • Vor Feuerschlünden. Erfahrung mit Georg Trakls Gedicht. 1984
    • Simplicius Simplicissimus, Der Nibelunge Not u. a. Arbeiten für den Film. 1987
    • Unter den PARANYAS. Traum-Erzählungen und -Notate. 1988

[Bearbeiten] Filmographie

Filme, die nach Werken von Franz Fühmann entstanden sind:

[Bearbeiten] Literatur

  • Horst Simon (Hrsg.): Zwischen Erzählen und Schweigen. Ein Buch des Erinnerns und Gedenkens. Franz Fühmann zum 65.. Hinstorff, Rostock 1987, ISBN 3-356-00064-0 (enthält eine umfangreiche Bibligraphie, die auch Beiträge in Zeitschriften und Literatur über Fühmann sowie Rezensionen seiner Werke berücksichtigt)
  • Hans Richter: Franz Fühmann. Ein deutsches Dichterleben. Aufbau Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-746-61743-X.
  • Franz Fühmann. Es bleibt nichts anderes als das Werk. Ausstellungskatalog. Akademie der Künste, Berlin 1993.
  • Barbara Heinze (Hg.): Franz Fühmann: eine Biographie in Bildern, Dokumenten und Briefen. Geleitwort von Sigrid Damm. Hinstorff Verlag, Rostock 1998, ISBN 3-356-00716-5.
  • Arne Born: Fühmanns Offener Brief vom November 1977. Ein Postulat und seine Unterdrückung. Mit unveröffentlichten Schriftstücken. In: Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens 3 (2000), S. 81-115. ISSN 0949-5371

[Bearbeiten] Weblinks

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