Friedrich Fromhold Martens
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Friedrich Fromhold Martens oder Fjodor Fjodorowitsch Martens und russisch Фёдор Фёдорович Мартенс (* 15. August / 27. August 1845 in Pärnu; † 7. Juni / 20. Juni 1909 in Sankt Petersburg) war ein russischer Diplomat und Jurist. Er wirkte insbesondere im Bereich des Völkerrechts und war Unterhändler Russlands bei den Verhandlungen zu einer Reihe von internationalen Abkommen. Darüber hinaus war er auch als Vermittler in Konflikten zwischen verschiedenen Ländern tätig, so beispielsweise beim Streit zwischen Frankreich und Großbritannien um Neufundland.
Während der Ersten Haager Friedenskonferenz im Jahr 1899 schlug er die nach ihm benannte Martens'sche Klausel vor, die noch heute als wichtiger Grundsatz des Humanitären Völkerrechts gilt. Sie besagt, dass in allen Situationen während eines bewaffneten Konflikts, die nicht durch geschriebenes internationales Recht geregelt sind, Menschlichkeit, die Maßstäbe des öffentlichen Gewissens und allgemein übliche Gebräuche das Handeln bestimmen sollen. Darüber hinaus wurde 1899 sein Entwurf für eine Konvention zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges, den er 1874 für eine Staatenkonferenz in Brüssel ausgearbeitet hatte, als Haager Konvention II angenommen. Martens gilt damit als Begründer des Haager Zweiges des humanitären Völkerrechts.
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[Bearbeiten] Biographische Informationen
Friedrich Fromhold Martens wurde als Sohn estnischer Eltern in der Stadt Pärnu geboren, die zur damaligen Zeit zu Russland gehörte. Sein Vater war Schneider, die Familie lebte in einfachen Verhältnissen. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Aufgrund seiner Erziehung und Bildung wuchs er deutschsprachig auf. Im Alter von neun Jahren verlor er seine Eltern und gelangte in ein evangelisch-lutherisches Waisenhaus in Sankt Petersburg. Hier schloss er die Schule ab und begann 1863 ein Studium an der Juristischen Fakultät der Universität von Sankt Petersburg. Aufgrund seiner sehr guten Studienleistungen und seiner Fähigkeiten wurde er durch den Dekan der Fakultät gefördert.
Durch Studienaufenthalte an den Universitäten in Wien, Heidelberg und Leipzig wurde er von Völkerrechtsexperten der damaligen Zeit beeinflusst, unter ihnen Lorenz von Stein in Wien und Johann Caspar Bluntschli in Heidelberg. Im Jahr 1868 trat er für das russische Außenministerium in den Staatsdienst ein. Drei Jahre später bekam er einen Lehrauftrag im Bereich des Völkerrechts an der Universität von Sankt Petersburg, 1872 wurde er Professor für öffentliches Recht am Lyzeum Zarskoje Selo im heutigen Puschkin. Im Jahr 1874 wurde er zum Assistenten des russischen Kanzlers Alexander Michailowitsch Gortschakow ernannt.
Seine erste bekannte Veröffentlichung war seine 1869 unter dem Titel „Privateigentumsrecht im Krieg“ erschienene Abschlussarbeit. Durch weitere Veröffentlichungen, die auch in andere Sprachen übersetzt wurden und in anderen Ländern erschienen, wurde er international bekannt und trug zum Ansehen Russlands im Bereich des Völkerrechts bei. Der Bereich des internationalen Rechts entwickelte sich in dieser Zeit in Russland zu einer eigenständigen Disziplin, was unter anderem in der Gründung von entsprechenden Fakultäten für internationales Recht an mehreren traditionsreichen russischen Universitäten zum Ausdruck kam. Zu den bekanntesten Werken von Martens zählt das 1881/1882 in zwei Bänden veröffentlichte Buch „Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisierten Nationen“, das 1883 auf Deutsch erschien und in insgesamt sieben Sprachen übersetzt wurde. Von 1874 bis 1909 veröffentlichte er, parallel in Russisch und Französisch, unter dem Titel „Recueil des traités et conventions conclus par la Russie“ eine Sammlung von 15 Bänden zu den Verträgen, die Russland mit anderen Staaten abgeschlossen hatte. Durch die darin enthaltenen Abhandlungen zu den einzelnen Abkommen und ihrer jeweiligen Entstehunggeschichte trägt dieses Werk den Charakter einer Enzyklopädie der russischen Außenbeziehungen seiner Zeit.
Im Gegensatz zur damals aufkommenden Friedensbewegung hielt er die völlige Beseitigung von Kriegen in der näheren oder fernen Zukunft für eine Utopie. Als realisierbar sah er hingegen die Verminderung des durch Krieg verursachten Leidens durch klar definierte Regeln an. Für die auf Initiative des russischen Zaren Alexander II. im Jahr 1874 in Brüssel stattfindende Internationale Konferenz arbeitete er einen Entwurf für eine Konvention zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges aus, der zwar von dieser Konferenz mit Änderungen angenommen wurde, jedoch mangels späteren Ratifikationen nie völkerrechtlich verbindenden Charakter erlangte. Eine wichtige Rolle spielte er darüber hinaus bei den von Zar Nikolaus II. initiierten Friedenskonferenzen in Den Haag in den Jahren 1899 und 1907. Während der von ihm mitorganisierten ersten Konferenz im Jahr 1899, auf der sein Entwurf von 1874 als Haager Konvention II angenommen wurde, war er Generalbevollmächtigter Russlands und Präsident des Komitees zu den Regeln und Gebräuchen des Krieges. Zur Schlichtung eines Streits um die Behandlung von Zivilpersonen, die sich in einem Krieg an Kampfhandlungen beteiligt hätten, schlug er im Rahmen der Konferenz die nach ihm benannte Martens'sche Klausel vor. Diese gibt für Situationen, die nicht ausdrücklich durch geschriebenes internationales Recht geregelt sind, die Maßstäbe der Menschlichkeit, des öffentlichen Gewissens und der allgemein üblichen Gebräuchen als Handlungsrichtlinie vor. Die Klausel ist Bestandteil der Präambel der Haager Landkriegsordnung und wurde 1977 in den Artikel 1 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen von 1949 aufgenommen. Sie gilt noch heute als wichtiger Bestandteil des Humanitären Völkerrechts. Im Rahmen der zweiten Konferenz acht Jahre später leitete er das Komitee zum Seerecht. In Vorbereitung zu dieser Konferenz besuchte er zum Beginn des Jahres 1907 eine Reihe von europäischen Ländern. An der Ausarbeitung der Revision der Genfer Konvention, die ein Jahr zuvor beschlossen wurde, war er ebenfalls wesentlich beteiligt.
In mehreren internationalen Streitfällen wirkte er erfolgreich als Vermittler, beispielsweise in der Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Großbritannien um Neufundland im Jahr 1891 und im Disput zwischen Mexiko und den USA 1902. Auch an den Verhandlungen zwischen Russland und Japan, die 1905 zum Friede von Portsmouth führten, war er wesentlich beteiligt. Er war aktives Mitglied des 1873 im belgischen Gent gegründeten Institut de droit international (Institut für Völkerrecht). Ab 1884 vertrat er Russland auf allen Internationalen Rotkreuz-Konferenzen. Zu den Auszeichnungen, die ihm für sein Wirken verliehen wurden, gehören unter anderem Ehrendoktorate der Universitäten von Oxford, Cambridge und Yale. In allen Jahren von 1901 bis 1908 wurde er jeweils von verschiedenen Persönlichkeiten für den Friedensnobelpreis nominiert, insbesondere 1902 galt er als Mitfavorit für die Auszeichnung.
[Bearbeiten] Erhebung in den Adelsstand
Obwohl er seit den frühen 1870er Jahren in seinen Veröffentlichungen seinen Familiennamen in der Form von Martens beziehungsweise de Martens schrieb, sind die genauen Umstände einer Erhebung in den Adelsstand unklar. Zum einen könnte ihm eine entsprechende Ehrung von einem russischen Ritterorden verliehen worden sein. Aber auch eine Ernennung im Zusammenhang mit seiner Berufung zum Professor ist möglich.
[Bearbeiten] Trivia
Friedrich Fromhold Martens ist die Hauptfigur des 1984 erschienenen historischen Romans „Professor Martens' Abreise“ des estnischen Autoren Jaan Kross.
[Bearbeiten] Literatur
- Vladimir Vasilievich Pustogarov, William Elliott Butler (Übers.): Our Martens. F.F. Martens: International Lawyer and Architect of Peace. Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn 2000, ISBN 9-04-119602-1
- Vladimir Vasilievich Pustogarov: Fyodor Fyodorovich Martens (1845-1909) - a humanist of modern times. In: International Review of the Red Cross. 312/1996. ICRC, S. 300-314, ISSN 1560-7755
- Dieter Fleck: Friedrich von Martens: A Great International Lawyer from Pärnu. In: Baltic Defence Review. 10/2003, Baltic Defence College, S. 19-26, ISSN 1736-1257
[Bearbeiten] Weblinks
- The Martens Society (englisch)
- Eintrag in der vorrevolutionären rusisschen Enzyklopädoe Brockhaus-Efron (russisch)
Personendaten | |
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NAME | Martens, Friedrich Fromhold |
ALTERNATIVNAMEN | Martens, Fjodor Fjodorowitsch |
KURZBESCHREIBUNG | Jurist und Völkerrechtsexperte |
GEBURTSDATUM | 27. August 1845 |
GEBURTSORT | Pärnu |
STERBEDATUM | 20. Juni 1909 |
STERBEORT | Sankt Petersburg |