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Hans Henny Jahnn - Wikipedia

Hans Henny Jahnn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hans Henny Jahnn geb. Jahn (* 17. Dezember 1894 in Stellingen (heute Teil Hamburgs); † 29. November 1959 in Hamburg) war ein deutscher Schriftsteller, Orgelbauer, Musikverleger (Ugrino-Verlag) und Hormonforscher.

Im Zentrum von Hans Henny Jahnns schriftstellerischem Werk steht durchgehend die existentielle Angst vor dem Dasein, die dem Menschen unauflöslich bleibt und nur von der Liebe und dem Mitleiden mit anderen Menschen und mit der Schöpfung überwunden werden kann. Der Verlust von Liebe und Zuwendung ist daher immer ein tragischer Sturz in fundamentale Qualen über die reine Trauer hinaus. Diese seine Einstellung bezieht Hans Henny Jahnn aus der harmonikalen pythagoreischen Ästhetik, welche sich in tief verankerter Religiosität für die Würde des Menschen ausspricht und gegen die fehlgeleiteten Entwicklungen in Gesellschaft und Kultur wendet.

Mit seinem Werk ist Hans Henny Jahnn eine singuläre Erscheinung in der deutschen Literatur und lässt sich keiner Bewegung zuordnen. Die spätexpressionistischen Elemente in seinem Frühwerk überwand er schnell zugunsten eines originären Stils in der Art eines „magischen Realismus“. Seine Werke kommen dem Surrealismus in der Malerei am nächsten.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Biographie

Der Sohn eines Schiffbauers ging auf das Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer in Hamburg-Eimsbüttel, auf dem er 1914 sein Abitur machte. Jahnn emigrierte zusammen mit Gottlieb Harms 1915 nach Norwegen, um dem Ersten Weltkrieg zu entgehen. 1918 kehrte er zunächst nach Hamburg zurück, zog dann aber aufs Land (Eckel bei Klecken). Hier lebte er mit Gottlieb Harms (1893-1931, Musikschriftsteller) und Franz Buse (1900-1971, damals Bildhauer. Auch andere Personen, wie Ellinor Philips (1893-1970), Jahnns spätere Ehefrau, wohnten dort.

1919 gründeten Jahnn, Harms und Buse gemeinsam die Glaubensgemeinschaft Ugrino, die aus heutiger Sicht wohl angemessener als Künstlergemeinschaft bezeichnet werden müsste. Sie entstand - wie viele ähnliche Gruppen in der Weimarer Republik - aus dem Bedürfnis nach neuer Sinnstiftung heraus und als Flucht vor der von vielen als enttäuschend empfundenen Wirklichkeit der Zeit. Die Glaubensgemeinschaft Ugrino wollte alte Kunstwerke aller Art erhalten und neue schaffen. Insbesondere sollten auf einem riesigen eigenen Grundstück, das teilweise auch gekauft wurde, Sakralbauten errichtet werden (Architekt: Jahnn). Letztlich blieben aber die meisten Pläne der Glaubensgemeinschaft Ugrino unausgeführt. Erfolgreich war lediglich die Gründung des Ugrino-Verlags (1921) zusammen mit Gottlieb Harms, in dem Werke barocker und vorbarocker Komponisten erschienen. Jahnn selbst war aber nur Verleger, nie Herausgeber.

Gleichfalls im Jahr 1919 veröffentlichte Jahnn zum ersten Mal ein Drama, Pastor Ephraim Magnus, für das er 1920 mit dem renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet wurde (UA 1923). Weitere Dramen folgten. Viele Zuschauer taten sich schwer mit Jahnns Stücken, stellten sie doch oft extreme Gefühlslagen und krasse Handlungen dar (Inzest, Homosexualität, Verstümmelung...). Die Stücke wurden oft harsch kritisiert und erlebten nur wenige Aufführungen. Entsprechend schwer hatte es Jahnn auch, einen Verleger zu finden.

Seit Beginn der Zwanziger Jahre befasste sich Jahnn mit dem Orgelbau. Er wollte wertvolle norddeutsche Barockorgeln restaurieren (z.B. St. Jacobi, Hamburg), darüberhinaus forderte er eine Weiterentwicklung des Orgelbaus auf der norddeutsch-barocken Tradition unter Berücksichtigung der harmonikalen Gesetzmäßigkeiten (norddeutsche Orgelbewegung). Trotz ähnlicher Forderungen bekannter Personen wie Albert Schweitzer hatte Jahnn es nicht leicht, seine Vorstellungen durchzusetzen. Auch sein Ruf als Autor skandalumwitterter Theaterstücke machte es ihm zeitweise schwer, Aufträge zu bekommen. Dennoch soll Jahnn in seinem Leben bei ca. hundert Orgelprojekten als Berater und Planer mitgewirkt haben. Die meisten davon sind heute, zu Beginn des 21. Jhs. nicht mehr in spielfähigem Zustand. Auf der von Karl Kemper 1931 gebauten, mittlerweilen restaurierten „Jahnn-Orgel“ der Heinrich-Hertz-Schule (ehemals Lichtwark-Schule) in Hamburg werden jedoch regelmäßig Konzerte gegeben. Ebenfalls 1931 entstand in der Ansgari Kirche zu Hamburg-Langenhorn eine Orgel nach seinen Plänen, gebaut von der Firma Furtwängler & Hammer.

In den ausgehenden Zwanziger Jahren verfasste Jahnn den Roman Perrudja.

Obwohl Jahnn seit Beginn der Dreißiger Jahre vor den Nationalsozialisten gewarnt hatte, wollte er doch nicht endgültig emigrieren und den Kontakt mit Deutschland nicht verlieren. Er war überzeugt, dass er als Schriftsteller nur in Deutschland seinen Lebensunterhalt sichern konnte. Darum blieb er z.B. Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Die Nationalsozialisten standen ihm skeptisch gegenüber (aufgrund seiner Stücke wurde er in der Nazi-Presse u. a. als „Kommunist und Pornograph“ bezeichnet) und durchsuchten mehrfach seine Wohnung in Hamburg. Darum verließ Jahnn bereits im Frühjahr 1933 Deutschland und hielt sich während der Nazi-Zeit meistens im Ausland auf, kehrte aber immer wieder für kurze Zeit nach Deutschland zurück. Seit 1934 wohnte er auf Bornholm in Dänemark, wo seine Schwägerin Sibylle, gen. Monna Harms, auf Jahnns Rat einen Bauernhof erworben hatte, den er bis 1950 bewirtschaftete. Auf Bornholm verfasste er auch den größten Teil seines Hauptwerkes Fluß ohne Ufer, einer gewaltigen Trilogie von über 2000 Seiten, deren letzten Band Epilog er nicht abschloss. 1950 kehrte er zurück nach Hamburg und setzte sich vor allem gegen die Entwicklung von Atombomben und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ein. 1956 reiste er nach Moskau, 1959 verstarb er in Hamburg an einem Herzinfarkt. Sein letzter, wiederum unvollendeter Roman Jeden ereilt es erschien erst postum 1968, die Erzählung Die Nacht aus Blei, ein Auszug daraus, erschien schon im Jahr 1956.

In Hamburg wurde eine Straße nach ihm benannt.

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Werkausgaben

  • Werke und Tagebücher in sieben Bänden. Mit einer Einleitung von H. Mayer. Hrsg. von Th. Freeman und Th. Scheuffelen. Hamburg 1974
  • Werke in Einzelbänden (Hamburger Ausgabe). Hrsg. von U. Schweikert. Hamburg 1985 ff.

[Bearbeiten] Prosa

  • Perrudja, Roman, 1. Teil 1929, 2. Teil unvollendet
  • Fluß ohne Ufer, Romantrilogie
    • Das Holzschiff, 1949, überarbeitete Fassung 1959
    • Die Niederschrift des Gustav Anias Horn nachdem er 49 Jahre alt geworden war, 1949/50
    • Epilog, aus dem Nachlass veröffentlicht 1961
  • Die Nacht aus Blei, Erzählung, 1956
  • Ugrino und Ingrabanien, Romanfragment, aus dem Nachlass veröffentlicht, 1968

[Bearbeiten] Dramen

  • Pastor Ephraim Magnus, 1919
  • Die Krönung Richards III., 1921
  • Der Arzt / Sein Weib / Sein Sohn, 1922
  • Der gestohlene Gott, 1924
  • Medea (Tragödie), 1926 (Neudruck Vlg. Hentig, 1988), 2. Fassung 1959
  • Neuer Lübecker Totentanz, 1931
  • Straßenecke, 1931
  • Armut, Reichtum, Mensch und Tier, 1933, 2. Fassung 1948
  • Spur des dunklen Engels, 1952
  • Thomas Chatterton (Tragödie), 1955
  • Die Trümmer des Gewissens, 1961

[Bearbeiten] Auswahlbände

  • Dreizehn nicht geheure Geschichten, Erzählungen, Hamburg 1954
  • Eine Auswahl aus dem Werk. Mit einer Einleitung von W. Muschg. Freiburg i. Br. 1959
  • Das Hans Henny Jahnn Lesebuch. Hrsg. von U. Schweikert. Hamburg 1984

[Bearbeiten] Sonstiges

[Bearbeiten] Literatur

  • Elsbeth Wolffheim: Hans Henny Jahnn. Reinbek bei Hamburg 1989 (rororo-Bildmonografie)
  • Thomas Freeman: Hans Henny Jahnn. Hamburg 1986
  • Hanns Henny Jahnn / Ugrino. Jochen Hengst und Heinrich Lewinski. Revonnah Verlag Hannover 1991. ISBN 3-927715-08-5
  • Reiner Niehoff: Hans Henny Jahnn. Die Kunst der Überschreitung. München 2001.
  • Hans Mayer: Versuch über Hans Henny Jahnn. Aachen 1994.
  • Walter Muschg: Gespräche mit Hans Henny Jahnn. Aachen 1994.
  • Richard Anders: Begegnung mit Hans Henny Jahnn. Aachen 1988.
  • Ulrich Bitz / Jan Bürger / Alexandra Munz: Hans Henny Jahnn – Eine Bibliographie. Aachen 1996.

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen

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