Heliozentrisches Weltbild
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Das heliozentrische Weltbild, auch kopernikanisches Weltbild genannt, basiert auf der Annahme, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen. Es steht im Gegensatz zum älteren geozentrischen (ptolemäischen) Weltbild, in dem die Erde als Zentrum des Universums betrachtet wird. Das Wort selbst wird aus dem Griechischen abgeleitet: ἥλιος (helios) = Sonne, κέντρον (kentron) = Mittelpunkt.
Als das geozentrische und später das heliozentrische Weltbild entwickelt wurden, handelte es sich dabeí um Versuche, den Aufbau des damals bekannten Universums zu beschreiben. Die Erkenntnis, dass das Sonnensystem nur einen winzigen Teil des gesamten Universums darstellt, setzte sich erst ab dem 18. Jahrhundert durch. Heute gilt die Ansicht als Weltbild für veraltet und durch das Relativitätsprinzip abgelöst.
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Entwicklung des heliozentrischen Weltbildes
Altes Indien
Die ältesten Nachweise der Idee, dass die Sonne den Mittelpunkt des Sonnensystems bildet und dass es in Wirklichkeit die Erde ist, die sich bewegt, sind in einigen vedischen Sanskrit-Texten zu finden, die im alten Indien geschrieben wurden. Yajnavalkya (9.–8. Jahrhundert v. Chr.) erkannte, dass die Erde rund ist, und glaubte, die Sonne sei „die Mitte der Sphären“, wie er es im Veda zu dieser Zeit beschrieb. In seinem astronomischen Text Shatapatha Brahmana (8.7.3.10) steht: „Die Sonne reiht diese Welten - die Erde, die Planeten, die Atmosphäre - auf einem Gewinde.“ Er erkannte, dass die Sonne viel größer als die Erde ist, was dieses frühe heliozentrische Konzept nachhaltig beeinflusst hat. Er maß auch die relativen Abstände der Sonne und des Mondes von der Erde: 108-mal größer als der Durchmesser dieser himmlischen Körper, ziemlich nah an den modernen Maßen von 107,6 für die Sonne und von 110,6 für den Mond. Der Kalender, den er im Shatapatha Brahmana beschrieb, entspricht einem durchschnittlichen tropischen Jahr von 365,2467 Tagen, was nur 6 Minuten länger ist als der moderne Wert von 365,2422 Tagen.
Im vedischen Sanskrit Text Aitareya Brahmana (9.-8. Jahrhundert v. Chr.) steht auch: „Die Sonne geht weder unter, noch geht sie auf. Wenn Leute denken, die Sonne geht auf, ist es nicht so; sie irren sich.“ Dies soll bedeuten, dass die Sonne stationär ist und folglich die Erde sich um sie bewegt. In einem neueren Kommentar Vishnu Purana (1. Jahrhundert) wird dies ebenfalls herausgearbeitet: „Die Sonne steht während aller Zeit inmitten des Tages still. Bei der Sonne, die immer an ein und demselben Platz ist, gibt es kein Auf- oder Untergehen.“
Altes Griechenland
Im 4. Jahrhundert v. Chr. kritisierte Aristoteles [1] die Lehre der Pythagoräer: „Im Zentrum, sagen sie (die Pythagoräer), ist Feuer, und die Erde ist einer der Sterne und erzeugt Nacht und Tag, indem sie sich kreisförmig um das Zentrum bewegt.“ Die Grundlage für diese Einstufung waren die klassischen vier Elemente der Philosophie statt naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Nach Meinung der Pythagoräer war Feuer kostbarer als Erde und sollte aus diesem Grund zentral sein. Jedoch war für sie das zentrale Feuer nicht die Sonne. Die Pythagoräer glaubten, dass die Sonne zusammen mit allen anderen Himmelskörpern das zentrale Feuer umkreise. Aristoteles verwarf diese These und befürwortete das geozentrische Weltbild.
Aristarch von Samos (2. Jahrhundert v. Chr.) soll als einer der ersten ein heliozentrisches Weltbild vorgeschlagen haben, beeinflusst durch die Überlegungen von Philolaus. Indessen sind Aristarchs Schriften verloren gegangen, und die genaue Natur seiner Argumente ist nicht bekannt. Als er seine Thesen niederschrieb, wurde gerade die Größe der Erde durch Eratosthenes exakt berechnet. Aristarch selbst maß die Größe und den Abstand des Mondes und der Sonne. Während seine Berechnungen für den Mond annehmbar waren, waren die, die er für die Sonne errechnete, ziemlich weit von modernen Standards entfernt, aber immerhin ein ernst zu nehmender Anfang. Möglicherweise haben auch andere Wissenschaftler es für sinnvoller gehalten, dass die Erde sich bewegt, als dass die sehr große Sonne um sie kreist.
Aristarchs Originalarbeit über das heliozentrische Weltbild ist nur bekannt über Sekundärquellen; so ergibt sich die Ungewissheit hinsichtlich seiner Argumentation. Es scheint, dass er auf das Problem der stellaren Parallaxe stieß: Wenn sich die Erde über sehr große Strecken bewegt, dann sollte ein näherer Stern in seiner Eigenbewegung schneller erscheinen als ein entfernterer (wie bei nahe gelegenen im Verhältnis zu entfernten Bergen, wenn man reist). Aristarch erklärte das Ausbleiben eines solchen Effekts (richtigerweise) damit, dass sich die Sterne in extrem großen Abständen befänden: Ob er meinte, dass sich die Sterne unendlich weit entfernt befänden oder dass ein extrem großer Abstand vorliege, ist jetzt nicht mehr möglich festzustellen. Die stellare Parallaxe wurde dann korrekt im 19. Jahrhundert nachgewiesen.
Aristarchs heliozentrisches Modell wurde von Archimedes im „Sandrechner“ analysiert. Der Zweck dieser Arbeit war der Nachweis, dass extrem große Zahlen (wie die Anzahl Sandkörner, die zum Füllen des Universums nötig wären) mathematisch ausgedrückt werden können und nicht vage als „unendlich“ bezeichnet werden müssen. Zu diesem Zweck nahm er das größte vorhandene Modell des Universums (das von Aristarch), um die Menge des Sandes zu errechnen, die sogar dieses Universum füllen würde. Er unterstrich, dass es mathematisch wenig sinnvoll sei, eine Beziehung herzustellen zwischen der Oberfläche einer Sphäre und ihrer Mitte, sofern diese keine Größe hat. Archimedes nahm an, dass der Abstand von Fixsternen im gleichen Verhältnis zum Durchmesser der Erdbahn steht wie diese Bahn in Beziehung zur Größe der Erde selbst. Unter diesen Bedingungen lässt sich zeigen, dass die stellare Parallaxe über die damaligen Beobachtungsfähigkeiten hinausging. Doch gibt es keinen Hinweis, ob Aristarch oder Archimedes ausdrücklich das Problem der stellaren Parallaxe ansprachen, um festzustellen, ob die Erde sich wirklich bewegte.
Indien im Mittelalter
Der indische Astronom und Mathematiker Aryabhata (476–550) schlug ein heliozentrisches Modell vor, in welchem die Erde sich um ihre eigene Achse dreht und die Umlaufzeiten der Planeten in Bezug auf eine stationäre Sonne gegeben werden. Er war der erste, der entdeckte, dass Mond und Planeten das Licht der Sonne reflektieren und die Planeten einer Umlaufbahn folgen, die um die Sonne herum führt. Es entstand ein Modell mit elliptischen Bahnen, auf dessen Basis er astronomische Werte berechnen konnte wie z. B. die Termine der Sonnen- und Mondfinsternisse. Darüber hinaus entwickelte er eine Theorie über die Bewegung des Mondes, ausgedrückt als Differentialgleichung. Bhaskara (1114–1185) erweiterte Aryabhatas heliozentrisches Modell in seiner astronomischen Abhandlung, der Siddhanta-Shiromani. Dort erwähnte er das Gesetz der Schwerkraft und entdeckte, dass die Planeten die Sonne nicht auf einer einzigen Umlaufbahn umkreisen. Anhand dieses Modells konnte er astronomische Werte berechnen.
Die Übersetzung des Werkes von Aryabhata ins Arabische erfolgte im 8. Jahrhundert, während eine lateinische Transkription im 13. Jahrhundert vorhanden war. Erst danach verfasste Kopernikus De revolutionibus orbium coelestium, so dass wohl auch Aryabhata einen Einfluss auf Kopernikus ausgeübt hat.
Islamische Welt
Im Koran (Sure 36) steht:
- 38. Die Sonne läuft auf ein Ziel zu. Das ist die Bestimmung des Allmächtigen, des Allwissenden.
- 39. Für den Mond haben Wir Stationen bestimmt, bis er wieder schmal und gekrümmt wird wie der Stiel einer alten Dattelrispe.
- 40. Weder darf die Sonne den Mond in seiner Bahn einholen, noch darf die Nacht dem Tag vorauseilen. Jeder Himmelkörper schwebt in seiner Bahn.
Der persisch-muslimische Wissenschaftler Nasir al-Din Tusi (1201–1274) löste signifikante Probleme im ptolemäischen System auf, indem er die Tusi-Paare als Alternative zum physikalisch problematischen Equant von Ptolemäus entwickelte. Der Wissenschaftler Mu'ayyad al-Din al-Urdi (ca. 1250) entwickelte das Urdi-Lemma. Ibn al-Shatir löste in seiner Abhandlung Kitab Nihayat as-Sulfi Tashih al-Usul die Notwendigkeit eines Equants auf, indem er einen zusätzlichen Epizykel einführte, was vom ptolemäischen System (in derselben Weise wie später auch Kopernikus) abwich. Ibn al-Shatir schlug ein System vor, welches approximativ geozentrisch war, nachdem trigonometrisch bewiesen wurde, dass die Erde nicht den Mittelpunkt des Universums darstellte. Seine Verbesserung wurde später im Kopernikanischen Modell benutzt, zusammen mit dem Urdi-Lemma und dem Tusi-Paar.
Europa während der Renaissance
Es sei betont, dass die populäre Ansicht falsch ist, im Westen sei vor Kopernikus das heliozentrische Weltbild unbekannt gewesen oder nicht richtig verstanden worden. Nicht nur arabische Texte wurden nach dem 11. Jahrhundert in zunehmendem Maße ins Lateinische übersetzt (resultierend aus den Kreuzzügen), auch Reisende und Händler stellten dem Westen die indischen heliozentrischen Traditionen vor, wie dies oben bereits geschildert ist. Selbstverständlich berücksichtigten Gelehrte die Argumente von Aristarch und Philolaus sowie vieler anderer klassischer Denker, welche das heliozentrische Weltbild favorisierten. Darüber hinaus diskutierten einige europäische Denker im Mittelalter das heliozentrische Weltbild, wie z. B. Nicolas Oresme und Nicolaus Cusanus. Für die meisten Gelehrten bot dieses Weltbild aber ein grundlegendes Problem: Sie nahmen an, wenn die Erde sich bewege und um die Sonne laufe, müssten Menschen und Gegenstände schräg fallen oder sogar in den Weltraum hinausfliegen; ein von einem Turm fallender Gegenstand würde aufgrund der Erdrotation weiter westlich auf dem Boden aufkommen. Eine Antwort darauf erforderte ein viel besseres Verständnis von Physik.
Trotz dieser Probleme im 16. Jahrhundert wurde die Theorie des Heliozentrismus von Kopernikus in einer Form wiederbelebt, die mit den zu dieser Zeit geläufigen Beobachtungen übereinstimmte. Mit seiner Theorie behob er das Problem der rückläufigen Planetenbewegung, indem er argumentierte, dass eine solche Bewegung nur wahrgenommen werde, jedoch nicht real sei. Dieses Problem wurde auch im geozentrisch-heliozentrischen Mischsystem von Tycho Brahe behoben. Kopernikus kannte vermutlich die früheren Theorien über das heliozentrische System, welche der indische Astronom Aryabhata sowie die arabischen Wissenschaftler Nasir al-Din Tusi, Mu'ayyad al-Din al-Urdi und Ibn Al-Shatir aufgestellt hatten, um die bedeutenden Probleme des Ptolemäischen Systems zu beseitigen. Er übernahm sie und entwickelte sie weiter.
Religion und heliozentrisches Weltbild
Schon in der Zeit von Aristarch wurde die heliozentrische Idee als „antireligiös“ eingestuft. Dieses Thema war jedoch fast 2000 Jahre lang bedeutungslos.
Nikolaus Kopernikus veröffentlichte 1543 die endgültige Aussage über sein System in De Revolutionibus Orbium Coelestium. Kopernikus arbeitete an diesem Werk von 1506 bis 1530, publizierte es aber erst im Jahr seines Todes. Obwohl er ein gutes Verhältnis zur Kirche hatte und auch den Papst Paul III. informiert hatte, enthielt die erschienene Auflage eine nicht unterzeichnete Einleitung von Andreas Osiander, in der steht, dass das System eine rein mathematische Hypothese sei und nicht die Wirklichkeit abbilden solle. Vielleicht hielt diese Einleitung die Debatte in Grenzen, ob Kopernikus' Arbeit ketzerisch sein könne.
Die Bezeichnung zu dieser Zeit für solch einen lediglich erfundenen Rechentrick war „Hypothese“. Um die Debatten der folgenden 100 Jahre zu verstehen, ist es notwendig, daran zu erinnern, dass die moderne Sicht, eine Idee durch Experiment zu bestätigen oder zu widerlegen, nicht vorhanden war.
Es gab einen frühen Vorschlag unter Dominikanern, dass der Unterricht dieser Lehre verboten werden sollte, was aber nicht durchgesetzt wurde. Während des 16. Jahrhunderts äußerten sich einige Protestanten sehr nachdrücklich. Martin Luther sagte einmal:
- „Es ist die Rede von einem neuen Astrologen, der beweisen möchte, dass die Erde sich anstelle des Himmels, der Sonne und des Mondes bewegt, als ob jemand in einen fahrenden Wagen oder Schiff denken könnte, dass er stehen bleibt, während die Erde und die Bäume sich bewegen. Aber das ist, wie die Sachen heutzutage sind: Wenn ein Mann gescheit sein möchte, muss er etwas Besonderes erfinden, und die Weise, wie er etwas tut, muss die beste sein! Dieser Dummkopf möchte die gesamte Kunst der Astronomie verdrehen. Jedoch hat das heilige Buch uns erklärt, dass Joshua die Sonne und nicht die Erde bat, still zu stehen.“
Dies wurde im Kontext eines Gespräches und nicht in einer formalen Aussage zum Glauben berichtet.
Später jedoch fing die katholische Kirche an, das geozentrische Weltbild unnachgiebiger zu schützen. Papst Urban VIII., der die Veröffentlichung von Galileos Arbeit über die zwei Theorien der Welt genehmigt hatte, stellte sich gegen Galileo. Er soll geglaubt haben, Galileo habe ihn in seinem Dialog hinsichtlich der zwei Hauptweltsysteme verspottet; doch der Beweis hierfür fehlt. Mit der Zeit wurde die katholische Kirche zum Hauptgegner der heliozentrischen Ansicht.
Das von der Kirche bevorzugte System war das von Ptolemäus gewesen, in dem die Erde die Mitte des Universums ist und alle Himmelskörper sie umkreisen. (Die katholische Unterstützung des geozentrischen Systems sollte nicht mit der Idee einer flachen Erde verwechselt werden, welche die Kirche nie stützte.) Ein geozentrischer Kompromiss war das System von Tycho Brahe, in dem die Sonne die Erde umkreist, während - wie im kopernikanischen System - die Planeten die Sonne umkreisen. Die Astronomen der Jesuiten in Rom waren diesem System gegenüber anfangs skeptisch; Clavius kommentiert, dass Tycho Brahe „die ganze Astronomie verwirrte, weil er den Mars näher als die Sonne haben möchte.“ Aber als die Kontroverse sich entwickelte und die Kirche nach 1616 härter gegen die kopernikanischen Ideen vorgingen, wählten die Jesuiten doch Tycho Brahes System; nach 1633 war der Gebrauch dieses Systems fast vorgeschrieben.
Für das Erweitern der heliozentrischen Theorie wurde Galileo Galilei für die letzten Jahre seines Lebens unter Hausarrest gesetzt.
Theologe und Pastor Thomas Schirrmacher argumentiert allerdings:
- „Im Gegenteil zur Legende wurden Galileo und das Kopernikanische System von den Kirchenbeamten intensiv geprüft. Galileo wurde das Opfer seiner eigenen Arroganz, des Neides seiner Kollegen und der Politik des Papstes Urban VIII. Er wurde nicht der Kritik an der Bibel, sondern des Ungehorsams gegenüber dem Papst beschuldigt.“
Katholische Wissenschaftler meinen auch:
- „Ich schätze, dass der Hinweis auf Ketzerei in Zusammenhang mit Galileo oder Kopernikus keine allgemeine oder theologische Bedeutung hatte.“ [2]
In den formalen Anklagen der Inquisition wurde Galileo nicht der Verletzung einer päpstlichen Verordnung beschuldigt, sondern eher für seine Haltung: „…einer falschen Lehre, die durch viele unterrichtet wurde, nämlich, dass die Sonne in der Mitte der Welt unbeweglich ist und dass die Erde sich bewegt“. Während der mehrtägigen Befragung durch die Inquisition wurde Galileo am ersten Tag gefragt, welche Befehle er 1616 erhalten habe; erst am vierten Tag wurde er nach seiner kopernikanischen Überzeugung befragt. Der abschließende Urteilsspruch war: Er habe sich der „Ketzerei“ schuldig gemacht, aber es gab keine Erwähnung der Missachtung einer spezifischen Anweisung.
Kardinal Robert Bellarmin selbst betrachtete das Modell Galileos als „ausgezeichnet sinnvoll“ wegen der mathematischen Einfachheit:
- „Wenn es einen realen Beweis gäbe, dass die Sonne in der Mitte des Universums ist, dass die Erde sich in der dritten Sphäre befindet und dass die Sonne feststeht, aber die Erde ringsum die Sonne geht, dann sollten wir mit großer Umsicht fortfahren, wenn wir Passagen von Büchern erklären, die das Gegenteil zu unterrichten scheinen, und wir sollten eher sagen, dass wir es nicht verstanden, anstatt es als falsch zu deklarieren. Aber ich denke nicht, dass es so einen Beweis gibt, da mir bisher keiner gezeigt wurde.“ [3]
Der Kardinal wollte den Unterricht nur für den Fall verbieten, wenn sie nicht als Hypothese bezeichnet wird. 1616 erteilte er Galileo den päpstlichen Befehl, „die heliozentrische Idee nicht zu verteidigen.“ Die Dominikaner konnten sich jedoch mit ihrer Forderung durchsetzen, das heliozentrische System in jeder Hinsicht zu verbieten.
Die offizielle Opposition der Kirche zum Heliozentrismus erstreckte sich nicht auf die gesamte Astronomie. Es erforderte Beobachtungsdaten, um die Zeitrechnung aktuell zu halten. Zur Unterstützung dieser Bemühung war es erlaubt, dass die Kathedralen quasi als Sonnensystemwarten benutzt wurden, als gigantische Lochkameras, in denen das Bild der Sonne durch ein Loch in den Kuppel auf eine Mittagslinie projiziert wurde.
1664 veröffentlichte Papst Alexander VII. sein Librorum Prohibitorum Alexandri VII Pontificis Maximi jussu editus, das alle vorhergehenden Verurteilungen der geozentrischen Bücher einschloss. Ein mit Anmerkungen versehener Nachdruck der Principia von Issac Newton wurde 1742 durch die Patres le Seur und Jacquier veröffentlicht, zwei katholische Mathematiker, die in der Einleitung angaben, dass die Arbeit des Autors das heliozentrische Weltbild zu Grunde lege und nicht ohne diese Theorie erklärt werden könne.
Moderne Sicht
Vom Sonnensystem zu den Galaxien
Die Schlussfolgerung, dass die heliozentrische Ansicht streng genommen auch nicht zutreffend war, wurde in Schritten erzielt. Dass die Sonne nicht die Mitte des Universums, aber einer von unzählbaren Sternen war, wurde stark vom Philosophen Giordano Bruno befürwortet. Galileo war der gleichen Ansicht, sagte aber zu dieser Angelegenheit sehr wenig, wahrscheinlich aus Angst vor dem Zorn der Kirche. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts wurde der Status der Sonne als ein Stern unter vielen in zunehmendem Maße offensichtlich, im 20. Jahrhundert, noch vor der Entdeckung, dass es viele Galaxien gibt, war dies bereits einhellige Meinung.
Rechengenaugkeit im Sonnensystem
Selbst wenn die Diskussion auf das Solarsystem begrenzt wird, steht die Sonne nicht in der geometrischen Mitte der Planetenbahnen. Auch die Planeten ziehen sich in einem sehr geringen Maße gegenseitig an und verursachen dadurch gegenseitige Bahnstörungen. Die Masse dieser Himmelskörper zwar bei weitem kleiner ist als die der Sonne (zum Beispiel besitzt der Jupiter als größter Planet im Sonnensystem nur 0,14% der Masse der Sonne), verursachen aber eine Verlagerung des gemeinsamen Massenschwerpunkts (Baryzentrum) aus dem Mittelpunkt der Sonne. Infolgedessen bewegen sich die Planeten auf ihren elliptischen Bahnen nur ungefähr „um die Sonne“, präzise formuliert jedoch - wie auch die Sonne selbst – um das Baryzentrum des Sonnensystems.
Relativitätsprinzip
Das Relativitätsprinzip, das heute im Rahmen der Relativitätstheorie etabliert ist, folgert, dass es prinzipiell keinen Punkt gibt, der vor anderen ausgezeichnet ist. Daher wird das heliozentrische Weltbild kaum mehr für kosmologische Anschauungen herangezogen, sondern ist – wie ursprünglich von Kopernikus angedacht und dann von Kepler ausgeführt, um die Epizykeltheorie zu ersetzen – rein rechentechnischer Natur: Die Formelsätze für die Bewegungsgleichungen der Himmelskörper des Sonnensystems sind in ihrer heliozentrischen Fassung wesentlich leichter zu handhaben, als dies aus einem in Bezug zur Sonne rotierenden Bezugssystem möglich wäre, wie ihn etwa der Erdmittelpunkt mit einem erdfesten Koordinatensystem darstellt (geozentrischer Standpunkt) oder gar ein Punkt der Erdoberfläche (topozentrischer Standpunkt). In diesem Zusammenhang werden dann die Adjektive „geozentrisch“ oder „heliozentrisch“ verwendet, doch hat eine solche Wahl von Koordinaten keine philosophische oder physikalische Bedeutung mehr.
Fred Hoyle schrieb:
- „Die Beziehung der zwei Systeme (Geozentrismus und Heliozentrismus) ist reduziert auf die bloße Umwandlung der Koordinaten, und es ist die Hauptlehre von Einsteins Theorie, dass alle Möglichkeiten, die Welt zu betrachten, vom physikalischen Gesichtspunkt aus völlig äquivalent sind, sofern sie miteinander über eine Koordinatenumwandlung verbunden sind.“ [4]
Weiterführende Informationen hierzu gibt der Abschnitt Relativitätsprinzip im Artikel Allgemeine Relativitätstheorie.
Quellen
- ↑ Aristoteles: De Caelo, Buch 2, Kapitel 13
- ↑ Heilbronn, 1999
- ↑ Koestler, 1959, S. 447–448
- ↑ Hoyle, 1973, S. 78