Judas Ischariot
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Judas Ischariot(h) (Hebräisch יהודה איש־קריות Yəhûḏāh ʾΚ-qəriyyôṯ † 29 oder 33) gilt als einer der zwölf Jünger Jesu.
Der Name Judas ist die griechische Form von Juda. Dies war damals ein häufiger Name, den auch noch ein anderer Apostel Jesu (Judas Thaddäus) trug.
Der Beiname (nicht Nachname) Ischariot könnte als "Isch Kariot", Mann aus Kariot, zu deuten sein. Kariot war ein Dorf in Judäa. Judas wäre dann der vermutlich einzige Judäer unter den Zwölf gewesen, die anderen waren sämtlich Galiläer. Eine andere Interpretation ist, dass er Mitglied der Sikarier ("Messerkämpfer"), einer Befreiungsbewegung gegen die Römer, gewesen sei.
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Traditionelles Verständnis
Biblische Schilderung
Judas hatte laut Joh 12,4-6, innerhalb der Gruppe die Aufgabe, die Geldmittel zu verwalten, unterschlug jedoch einen Teil des Geldes. Er fasste schließlich den Entschluss, Jesus für 30 Denare ("Judas-Silberlinge"), was etwa dem Monatslohn eines Handwerkers entspricht, an die Hohenpriester zu verraten. Nachdem er während des letzten Abendmahls von Jesus als Verräter bezeichnet worden war, entfernte er sich von der Gruppe. Er kehrte dann zusammen mit den Verfolgern Jesu zurück, um Jesus im Garten Getsemani mittels eines Kusses zu identifizieren.
Judas bereute später seine Tat. Grund der Reue war wohl nicht Liebe, sondern Verzweiflung: Er warf Gott vor, nicht gut zu sein, nicht vergeben zu wollen. Dies galt als besonders krasse Ablehnung Gottes. Nachdem Jesus verurteilt worden war, erhängte sich Judas (Mt 27,3-5). Die Apg 1,18 teilt ihm sogar ein noch grausigeres Ende zu. Demnach "barst er mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus."
Apokryphe Überlieferung
In apokryphen gnostischen Schriften wie dem frühchristlichen Judasevangelium wird Judas als der Jünger gesehen, der die Erlösungsgeschichte durch seinen 'Verrat' erst ermöglicht hat und damit im Dienst Jesu stand.
Motive
Das Motiv des Judas, seinen Meister zu verraten, ist vordergründig mit Habgier zu erklären. Darauf weist auch Joh 12,4-6, hin. Die tiefer liegende Motivation könnte jedoch durch Enttäuschung zu erklären sein: Judas hatte in Jesus den erhofften Befreier und Kämpfer gesehen, der die Römer vertreiben sollte. Jesus aber verkündete stattdessen ein Gottesreich (Joh 18,36), das nichts mit weltlicher Herrschaft gemein hatte.
Theologie
Judas ist als zweifelsohne wichtige, wenn auch negative Person der Evangelien immer wieder Gegenstand theologischer Betrachtungen geworden. Judas' Verhalten wirft die Frage nach der Vorherbestimmung (Prädestination) und Freiheit des Menschen auf (siehe auch: Freier Wille). Die Frage bleibt offen, ob sich Judas hätte anders entscheiden können oder ob er sich so hat entscheiden müssen. Viele Kirchenväter tendierten eindeutig zu ersterem, anders z. B. Origenes, der in Judas einen Heiligen sieht.
Nach der jüdischen Überlieferung war Judas ein Zelot, ein "Eiferer". Das heißt, er gehörte zu der Gruppe jener Juden, die damals einen bewaffneten Kampf gegen die Römer wollten. Er habe Jesus zwingen wollen, sich als Messias zu offenbaren, weil er geglaubt habe, Jesus habe von JAHWE die Macht, die Juden von den Römern zu befreien. Er habe ihn an die Römer verraten, um ihn zu zwingen, seine Allmacht zu offenbaren. Als Judas jedoch gesehen habe, dass Jesus nur ein sterblicher Mensch sei (Rudolf Augstein: Jesus Menschensohn), habe er Selbstmord begangen. Jesus wiederum habe geahnt, dass Judas ihn verraten würde, und dies auch beim Abendmahl vorhergesagt. Er habe aber auch geahnt, dass Judas, wenn ihm klar werden würde, dass er, Jesus, nur ein sterblicher Mensch sei, Selbstmord verüben würde. Das habe Jesus in Kauf genommen, um "seine Mission" zu erfüllen.
Neueres Verständnis
Bild des Judas
Die neuere Literatur[1] befasst sich mit der sukzessiven Entwicklung der Gestalt des Judas Ischariot in den Evangelien und in der frühen nachchristlichen Literatur. Während sich in den (paulinischen und anderen) Episteln (entstanden zwischen 48 und 65) kein Hinweis auf Judas Ischariot findet, ist erstmals im Markusevangelium (68 oder 70) eine Judas-Tradition zu verzeichnen.
Das Bild des Judas wird negativer, je weiter sich die Zeit vom Tode Jesu (30 bzw. 33) entfernt. Bereits im Johannesevangelium (ca. 100) und in der direkt nachfolgenden Literatur (z. B. bei Irenäus) sind Schauergeschichten über das Leben und den Tod Judas' zu verzeichnen. Johannes Chrysostomos verfasste, mit Bezug auf die angebliche Tat des Juden Judas Ischariot, Regeln für den Umgang mit Juden, die im Mittelalter und im Nationalsozialismus oft wörtlich in Gesetzesform gegossen wurden.
"Verrat" oder "Übergabe"?
Die Frage nach "Verrat" oder etwas milder "Übergabe" wirft nur scheinbar semantische Schwierigkeiten auf. Ein inhaltlicher Unterschied kann nicht durch ein Auseinanderdividieren von para-didomi und pro-didomi konstruiert werden, um Judas auf diese Weise in ein besseres Licht zu stellen: Das griechische Wort paradidomi, welches an den entsprechenden Stellen verwendet wird, heißt "übergeben" (bei Personen im Sinne von "ein Gerichtsdiener übergibt jemanden dem Richter" und oft "dem Feinde ausliefern" oder bei entsprechendem Kontext "zur Kreuzigung übergeben"). So gesehen, ist zwischen Verrat und Übergabe zur Hinrichtung kein wirklicher Unterschied. Genau das belegen Stellen wie Mk 14,10, wo der Autor Judas' Tun mit prodidomi ausdrückt, und Lk 6,16, wo Judas eindeutig als prodotes gebrandmarkt wird.
Abgrenzung vom Judentum
Es wird heute vielfach angenommen, dass die erste Kirche sich nach 70 vom Judentum absetzen musste und eine Klärung der Mitgliedschaft erreichen wollte. Im Abendmahl wurde daher auf die nun mehr negativ uminterpretierte Tat des Juden Judas rekuriert, um ähnlich wie im Birkat HaMinim ("Ketzersegen") im Achtzehngebet (Amidah) die eindeutige Zuordnung der Glaubensbrüder und -schwestern zu fordern.
Judas als Werkzeug
Eine weitere neuzeitliche Deutung besagt, dass Judas Ischariot mit Wissen Jesu gehandelt und mit den Hohepriestern verhandelt habe. Auf Grund von religiösen Bestimmungen konnte der Messias sich nicht selbst offenbaren, sondern musste von anderen erkannt und bezeugt werden. Die Hohepriester hatten ein Interesse daran, den Messias kennenzulernen, und offerierten - als zustimmendes Zeichen - die 30 Silberlinge[2], den Kaufpreis für einen Sklaven bzw. den Gottesknecht[3]. Beim Gespräch im Palast des Hohenpriesters schlug dann die ursprünglich positive Stimmung um, und der Vorwurf der Gotteslästerung durch Jesus wurde laut. Damit nahm die Entwicklung zu Kreuzigung und Auferstehung ihren Lauf - und nicht die Erlösung durch die Anerkennung des Messias im Tempel. Die Gelegenheit für eine andere Entwicklung als die der Kreuzigung und Auferstehung wird in dem Gebet im Garten Getsemani angedeutet.
Ohne Kenntnis der ein halbes Jahrhundert später begonnenen theologischen Diskussion hat Dietzenschmidt schon 1930 in seiner Judastragödie in vier Akten "Der Verräter Gottes" Judas als den Jünger vorgestellt, der als einziger den Willen des "Lammes Gottes" versteht. Nach Jesu Geheiß [4] bringt er dessen Übergabe in der Tat auf den Weg. Erst mit dieser Übergabe beginnen Opfertod und Erlösung wirklich. Innerlich aber scheitert Judas dann daran, dass er sich als vermeintlicher Lenker von Gottes Schicksal über Gott erhoben zu haben glaubt.
Aufgrund der minimalen Datenlage innerhalb des Neuen Testaments und der starken theologischen Überformung der biblischen Berichte wird eine Würdigung des Verhaltens des Judas immer spekulativ bleiben.
Quellen
- Andrew Cockburn: Das Judas-Evangelium. Wissenschaftler gelang es jetzt, den Text eines etwa 1700 Jahre alten Papyrus zu entziffern. Er lässt Judas, den Verräter Jesu, in neuem Licht erscheinen - Handelte der Apostel im Namen Gottes, als er seinen Meister auslieferte?, in: National Geographic Deutschland Mai 2006, S. 40-61
- Gregor Wurst: War er kein Schurke? Das Judas-Evangelium führt uns in jene unruhige Zeit, als die frühen Christen ihre Identität suchten, in: National Geographic Deutschland Mai 2006, S. 62-71
Siehe auch
Weblinks
Commons: Judas Ischariot – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
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Judas Ischariot | Matthias
Personendaten | |
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NAME | Judas Ischariot |
ALTERNATIVNAMEN | Judas Iskariot, Judas Iskarioth, Judas Ishkariot, Judas Ish-Kariot |
KURZBESCHREIBUNG | Jünger Jesu |
GEBURTSDATUM | unbekannt |
GEBURTSORT | vielleicht Karioth |
STERBEDATUM | 30 oder 33 oder unbekannt |
STERBEORT | vielleicht Jerusalem |