Lösungsmittel
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Unter einem Lösungsmittel (oft auch als Lösemittel bezeichnet) versteht man eine Flüssigkeit, die Gase, andere Flüssigkeiten oder Feststoffe lösen kann, ohne dass es dabei zu chemischen Reaktionen zwischen gelöstem Stoff und lösender Flüssigkeit kommt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Lösungsmittelhaltig, lösungsmittelfrei
Der Begriff Lösungsmittel ist oft assoziert mit Stoffen, die unangenehme Gerüche, Gesundheits- und Umweltschäden verursachen können.
In diesem Sinne bezeichnet lösungsmittelfrei dann Farben, Klebstoffe, Lacke oder Lasuren, die in Wasser gelöst sind und weniger als 3% wassermischbare Lösemittel enthält, während der Begriff lösungsmittelhaltig Produkte bezeichnet, die synthetische Substanzen wie Aceton, Glycolether, Alkohole, Benzin oder Aromaten enthalten. Da Wasser selbst auch als L. betrachtet wird, ist dieser Begriff nicht kongruent.
Die Vermeidung von giftigen und/oder umweltschädlichen Substanzen ist Bestandteil von Green Chemistry.
[Bearbeiten] Chemie
Obwohl das Lösemittel nicht selbst an der chemischen Reaktion teilnimmt, ist es für chemische Reaktionen sehr wichtig. Die Wirkung des Lösungsmittels sind unterschiedlich und hängen von der Reaktion ab. Durch die Lösung eines Stoffes in einem L. werden Reaktionen oft erst in endlichen Zeiträumen ermöglicht, da die Stosshäufigkeiten z. B. in Fesstoffen bei niedrigen Temperaturen nicht ausreichend hohe Reaktionsgeschwindigkeit ergeben. Die wichtigsten Aufgaben des L. bei chemischen Reaktionen sind
- konvektiver Wärme- und Stofftransport
- Stabilisierung von Übergangszuständen der Reaktion
- Verdünnung zur Vermeidung von Nebenreaktionen
Für die Reinigung und Prozessierung von Reaktionsgemischen (Downstream-Prozess) spielen L. eine weitere wichtige Rolle. Hier seien exemplarisch einige wichtige Verfahrensweisen benannt:
Das am meisten eingesetzte Lösungsmittel ist destilliertes Wasser.
[Bearbeiten] Lösungseigenschaften
Die quantitative Vorhersage von Lösungseigenschaften ist schwierig und entzieht sich oft der Intuition. Es lassen sich generelle Regeln aufstellen, die jedoch nur als grobe Richtschnur gelten können.
Polare Stoffe lösen sich gut in polaren Lösungsmitteln (z. B. Salze in Wasser). Unpolare Stoffe lösen sich gut in unpolaren Lösungsmitteln (z. B. unpolare organische Stoffe in Benzol oder Ether).
Lösungsmittel werden meist nach ihren physikalischen Eigenschaften in Klassen eingeteilt. Solche Einteilungskriterien sind z.B.:
- Siedepunkt
- Flammpunkt
- Flüchtigkeit
- Viskosität
- Polarität
- CH-Acidität
[Bearbeiten] Aprotische Lösungsmittel
[Bearbeiten] aprotisch-unpolar
Ein Alkan ist unpolar. Die Wasserstoffatome sind alle gleich fest an die Kohlenstoffkette gebunden und können daher als Protonen nur sehr schwer und unter Bildung ihrerseits sehr reaktiver Carbanionen abdissoziieren. Dies macht alle Stoffe dieser Gruppen ineinander leicht löslich, sie sind sehr lipophil (eigentlich noch lipophiler als die sehr schwach polaren, namensgebenden Fette), und sehr hydrophob. Aber nicht nur Wasser kann sich nicht lösen, sondern alle anderen stark polaren Stoffe auch nicht, wie z.B. kurzkettige Alkohole, Chlorwasserstoff oder Salze. In der Flüssigkeit werden die Teilchen lediglich von Van-der-Waals-Kräften zusammengehalten. Deshalb fallen bei dieser Stoffgruppe die Siedetemperaturen im Vergleich zu Molekülgröße und -masse wesentlich niedriger aus als bei permanenten Dipolen.
Vertreter dieser Gruppe sind:
- Alkane
- Alkene, Alkine
- Benzen und Aromaten mit aliphatischen und aromatischen Substituenten
- perhalogenierte Kohlenwasserstoffe (jedes Wasserstoffatom ist durch ein gleiches Halogen-Atom substituiert), z.B. Tetrachlorkohlenstoff, Hexafluorbenzol
- weitere, völlig symmetrisch gebaute Moleküle, wie Tetramethylsilan, Bleitetraethyl
- analog Kohlenstoffdisulfid und, bei hohen Drücken, auch Kohlenstoffdioxid
[Bearbeiten] aprotisch-polar
Ist das Molekül jedoch asymmetrisch substituiert, besonders mit stark polarisierenden funktionellen Gruppen wie der Carbonylgruppe oder der Nitrilgruppe, die aber keine X-H-Bindungen (X ≠ C) besitzen, so weist das Molekül ein Dipolmoment auf, zwischenmolekular tritt nun also elektrostatische Anziehung dauerhafter Dipole zu den immer noch vorhandenen, aber total überlagerten Van-der-Waals-Kräften hinzu. Dies hat eine wesentliche Erhöhung des Siedepunktes zur Folge, und in vielen Fällen eine Verschlechterung der Mischbarkeit mit unpolaren Lösungsmitteln, sowie eine Verbesserung der Löslichkeit von und in polaren Stoffen.
Beispiele:
- Ether
- Ester, Säureanhydride
- Ketone, z.B. Aceton
- tertiäre Amine
- Pyridin, Furan, Thiophen
- 1,1,1-Trichlorethan, und weitere asymmetrisch halogenierte Kohlenwasserstoffe (FCKW, Halothan)
- Dimethylsulfat, Imsol
- Anisol
- Nitromethan
[Bearbeiten] dipolar-aprotisch
Beispiele:
- Dimethylformamid
- Dimethylsulfoxid, HMPTA
- Dimethylcarbonat, Tetramethylharnstoff, Tetraethylharnstoff DMPU DMEU
[Bearbeiten] Protische Lösungsmittel
Sobald ein Molekül über eine funktionelle Gruppe verfügt, aus der Wasserstoffatome im Molekül als Protonen abgespalten werden können (Dissoziation), sprich man von einem protischen Lösungsmittel.
Das wichtigste protische Lösungsmittel ist Wasser, das (vereinfacht) in ein Proton und ein Hydroxid-Ion dissoziiert.
Weitere protische Lösungsmittel stellen z.B. Alkohole und Carbonsäuren dar. Hier erfolgt die Abspaltung des Protons immer an der OH-Gruppe, da der elektronegative Sauerstoff die entstehende negative Ladung gut aufnehmen kann.
Das Maß, in dem das jeweilige Lösungsmittel dissoziiert, wird durch die Acidität bestimmt. Es ist zu beachten, dass auch an Kohlenstoff gebundene Wasserstoff-Atome als Protonen abgespalten werden können (CH-Acidität), die Acidität dieser Verbindungen aber zu gering ist, um eine nennenswerte Dissoziation in neutralem Medium zu erlauben. Die Freisetzung dieser Protonen ist nur durch starke Basen möglich.
Eine Ausnahme bilden die noch nicht genannten Aldehyde: Es liegt in ihnen zwar fast nie eine O-H-Bindung vor, sie wären damit polar aprotisch, durch den sehr starken Elektronensog, den das Sauerstoffatom auf das Carbonyl-C-Atom ausübt (-I-Effekt) wird jedoch die C-H-Bindung so stark polarisiert, dass der Wasserstoff als Proton abgespaltet werden kann. Deshalb reagieren Aldehyde in wässerigen Lösungen auch schwach sauer.
Polar protische Lösungsmittel lösen ihrerseits Salze, die dann in Anionen und Kationen dissoziieren können. Ebenso ist die Löslichkeit polarer Verbindungen gut, dagegen ist die Löslichkeit unpolarer Verbindungen gering.
Protisch sind:
- Wasser, das wohl wichtigste Lösungsmittel überhaupt
- Methanol, Ethanol und andere Alkohole (je größer das C-Gerüst, desto weniger stark ausgeprägt ist der polare Charakter, so ist Cholesterin z.B. ein Alkohol aber dennoch stark lipophil)
- primäre und sekundäre Amine
- Carbonsäuren: Ameisensäure, Essigsäure
- Formamid
[Bearbeiten] Tabelle mit Lösungsmitteln und ihren Daten
Lösungsmittel | Schmelzp. [°C] |
Siedep. [°C] |
Flammp. [°C] |
Dichte [g/cm3] bei 20 °C |
Dielektrizitäts Konstante bei 25 °C |
Dipolmoment [·10-30 Cm] |
Brechungs- index |
Eτ(30) [kJ/mol] |
Aceton | -95,35 | 56,2 | -19 | 0,7889 | 20,70 | 9,54 | 1,3588 | 176,4 |
Acetonitril | -45.7 | 81,6 | 13 | 0,7857 | 37,5 (20 °C) | 11,48 | 1,3442 | 192,3 |
Anilin | -6,3 | 184 | - | 1,0217 | 6,89 (20 °C) | 5,04 | 1,5863 | 185,2 |
Anisol | -37,5 | 155,4 | - | 0,9961 | 4,33 | 4,17 | 1,5179 | 155,5 |
Benzen (Benzol) | 5,5 | 80,1 | -8 | 0,87565 | 2,28 | 0,0 | 1,5011 | 142,2 |
Benzonitril | -13 | 190,7 | - | 1,0102 (15 °C) | 25,20 | 13,51 | 1,5289 | 175,6 |
Brombenzol | -30,8 | 156 | - | 1,4950 | 5,40 | 5,17 | 1,5597 | 156,8 |
Butanol | -89,8 | 117,3 | 34 | 0,8098 | 17,51 | 5,84 | 1,3993 | 209,8 |
tert-Butylmethylether (TBME) | -108,6 | 55,3 | -28 | 0,74 | ? | ? | ? | ? |
Gamma-Butyrolacton | -44 | 204-206 | 101 | 1,13 | 39 | ? | ? | ? |
Chinolin | -15,6 | 238 | - | 1,0929 | 9,00 | 7,27 | 1,6268 | 164,7 |
Chlorbenzol | -45,6 | 132 | 28 | 1,1058 | 5,62 | 5,14 | 1,5241 | 156,8 |
Chloroform | -63,5 | 61,7 | - | 1,4832 | 4,81 (20 °C) | 3,84 | 1,4459 | 163,4 |
Cyclohexan | 6,5 | 80,7 | 4,5 | 0,7785 | 2,02 (20 °C) | 0,0 | 1,4266 | 130,4 |
Diethylenglycol | -6,5 | 244,3 | 124 | 1,1197 (15 °C) | 7,71 | 7,71 | 1,4475 | 224,9 |
Diethylether | -116,2 | 34,5 | -40 | 0,7138 | 4,34 (20 °C) | 4,34 | 1,3526 | 144,6 |
Dimethylacetamid | -20 | 165 | - | 0,9366 (25 °C) | 37,78 | 12,41 | 1,4380 | 182,7 |
Dimethylformamid | -60,5 | 153 | 67 | 0,9487 | 37,0 | 12,88 | 1,4305 | 183,1 |
Dimethylsulfoxid | 18,4 | 189 | - | 1,1014 | 46,68 | 13,00 | 1,4770 | 188,1 |
1,4-Dioxan | 11,8 | 101 | 12 | 1,0337 | 2,21 | 1,5 | 1,4224 | 150,0 |
Eisessig | 16,6 | 117,9 | 42 | 1,0492 | 6,15 (20 °C) | 5,60 | 1,3716 | 214,0 |
Essigsäureanhydrid | -73,1 | 139,5 | - | 1,0820 | 20,7 (19 °C) | 9,41 | 1,3900 | 183,5 |
Essigsäureethylester | -83,6 | 77,06 | -2 | 0,9003 | 6,02 | 6,27 | 1,3723 | 159,3 |
Ethanol | -114,5 | 78,3 | 18 | 0,7893 | 24,55 | 5,77 | 1,3614 | 216,9 |
Ethylendichlorid | -35,3 | 83,5 | - | 1,2351 | 10,36 | 6,2 | 1,4448 | 175,1 |
Ethylenglycol | -13 | 197 | 117 | 1,1088 | 37,7 | 7,61 | 1,4313 | 235,3 |
Ethylenglycoldimethylether | -58 | 84 | - | 0,8628 | 7,20 | 5,70 | 1,3796 | 159,7 |
Formamid | 2,5 | 210,5 | - | 1,1334 | 111,0 (20 °C) | 11,24 | 1,4472 | 236,6 |
Hexan | -95 | 68 | - | 0,6603 | 1,88 | 0,0 | 1,3748 | 129,2 |
Heptan | -91 | 98 | -4 | 0,684 | 1,97 | 0,0 | 1,387 | ? |
2-Propanol (Isopropylalkohol) | -89,5 | 82,3 | 16 | 0,7855 | 19,92 | 5,54 | 1,3776 | 203,1 |
Methanol | -97,8 | 64,7 | 6,5 | 0,7914 | 32,70 | 5,67 | 1,3287 | 232,0 |
3-Methyl-1-butanol (Isoamylalkohol) | -117,2 | 130,5 | - | 0,8092 | 14,7 | 6,07 | 1,4053 | 196,5 |
2-Methyl-2-propanol (tert-Butanol) | 25,5 | 82,5 | 9 | 0,7887 | 12,47 | 5,54 | 1,3878 | 183,1 |
Methylenchlorid | -95,1 | 40 | - | 1,3266 | 8,93 | 5,17 | 1,4242 | 171,8 |
Methylethylketon (Butanon) | -86,3 | 79,6 | - | 0,8054 | 18,51 (20 °C) | 9,21 | 1,3788 | 172,6 |
N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP) | -24 | 202 | 245 | 1,03 | ||||
N-Methylformamid | -3,8 | 183 | - | 1,011 (19 °C) | 182,4 | 12,88 | 1,4319 | 226,1 |
Nitrobenzol | 5,76 | 210,8 | 81 | 1,2037 | 34,82 | 13,44 | 1,5562 | 175,6 |
Nitromethan | -28,5 | 100,8 | 35 | 1,1371 | 35,87 (30 °C) | 11,88 | 1,3817 | 193,5 |
Pentan | -130 | 36 | -49 | 0,6262 | - | - | 1,358 | - |
Petrolether/Leichtbenzin | ||||||||
Piperidin | -9 | 106 | - | 0,8606 | 5,8 (20 °C) | 3,97 | 1,4530 | 148,4 |
Propanol | -126,1 | 97,2 | 24 | 0,8035 | 20,33 | 5,54 | 1,3850 | 211,9 |
Propylencarbonat (4-Methyl-1,3-dioxol-2-on) | -48,8 | 241,7 | - | 1,2069 | 65,1 | 16,7 | 1,4209 | 195,6 |
Pyridin | -42 | 115,5 | 23 | 0,9819 | 12,4 (21 °C) | 7,91 | 1,5095 | 168,0 |
Schwefelkohlenstoff | -110,8 | 46,3 | -30 | 1,2632 | 2,64 (20 °C) | 0,0 | 1,6319 | 136,3 |
Sulfolan | 27 | 285 | - | - | 43,3 (30 °C) | 16,05 | 1,4840 | 183,9 |
Tetrachlorethen | -19 | 121 | - | 1,6227 | 2,30 | 0,0 | 1,5053 | 133,3 |
Tetrachlorkohlenstoff | -23 | 76,5 | - | 1,5940 | 2,24 (20 °C) | 0,0 | 1,4601 | 135,9 |
Tetrahydrofuran | -108,5 | 66 | -22,5 | 0,8892 | 7,58 | 5,84 | 1,4070 | 156,3 |
Toluol | -95 | 110,6 | 7 | 0,8669 | 2,38 | 1,43 | 1,4961 | 141,7 |
1,1,1-Trichlorethan | -30,4 | 74,1 | - | 1,3390 | 7,53 (20 °C) | 5,24 | 1,4379 | 151,3 |
Trichlorethen | -73 | 87 | - | 1,4642 | 3,42(16 °C) | 2,7 | 1,4773 | 150,1 |
Triethylamin | -114,7 | 89,3 | - | 0,7275 | 2,42 | 2,90 | 1,4010 | 139,2 |
Triethylenglycol | -5 | 278,3 | 166 | 1,1274 (15 °C) | 23,69 (20 °C) | 9,97 | 1,4531 | 223,6 |
Triethylenglycoldimethylether (Triglyme) | - | 222 | - | - | 7,5 | - | 1,4233 | 161,3 |
Wasser | 0,0 | 100 | - | 1,000 | 78,39 | 6,07 | 1,3330 | 263,8 |
[Bearbeiten] Anwendung
Lösungsmittel sind unterschiedlich stark wassergefährdend, feuergefährlich und gesundheitsschädlich.
Beim ökologischen Bauen wird ein großes Gewicht auf die Art der verwendeten Lösungsmitteln gelegt. Oft gibt es bei Verbraucherprodukten lösemittelfreie bzw. -arme Alternativen.
Bei offener Anwendung verdampft der größte Teil der Lösungsmittel in die Umgebungsluft. Beim Einsatz in geschlossenen Systemen wird die überwiegende Menge zurückgewonnen.
Kohlenwasserstoffe aus Lösungsmitteln wirken in Bodennähe als Vorläufersubstanzen für die Ozonbildung und sind so mitverursachend für den Sommersmog.