Landgewinnung
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Landgewinnung oder Neulandgewinnung ist die künstliche Beschleunigung des Verlandungsvorgangs an geeigneten Stellen von Küsten im Wattenmeer.
Durch ein System aus Buhnen und Lahnungen wird das Wasser beruhigt und ein Abfließen bei Ebbe verzögert. Im ruhigen Wasser setzen sich mehr Schwebteilchen (Sedimente) auf dem Meeresboden ab. Dies geschieht dadurch, dass planmäßig im Watt Buhnen, Lahnungen, Flecht- und Gestrüppzäune sowie dazu gehörige Abflüsse angelegt werden. Bei herannahender Flut werden Sand und Schwebstoffe (Schluff, Ton, organisches Material) antransportiert. Bei ablaufendem Wasser setzt sich nach und nach dieses Material als Schlick zwischen den Buhnen und Zäunen ab, das Land wird allmählich erhöht.
Erreicht der Meeresboden die Fluthöhe, werden Gräben ausgehoben und der Schlick zur weiteren Erhöhung auf dem Land verteilt. In den Gräben können sich jetzt wieder neue Sedimente ablagern. Ist das neugewonnene Stück Land groß genug, wird es mit Deichen vor Sturmfluten geschützt. Das eingedeichte Land nennt man je nach Region Koog, Groden oder Polder. So genannte Pionierpflanzen wie zum Beispiel der Queller können sich ansiedeln und später ist eine landwirtschaftliche Nutzung möglich. Die dem Küstenschutz dienenden Deiche werden erhöht und befestigt. Aus dem früheren Wattenmeer ist Marschland, also neues Land geworden. Ein bekanntes Beispiel ist das Ijsselmeer in den Niederlanden.
Der Sinn der Landgewinnung ist umstritten. Einerseits soll sie dem Küstenschutz dienen, indem besiedelten Gebieten Köge vorgelagert werden, andererseits werden durch Landgewinnung wertvolle Ökosysteme wie das Watt und Salzwiesen zerstört.
Als Neulandgewinnung bezeichnet man ebenfalls die Gewinnung von Ackerland, also die Urbarmachung von wirtschaftlich ungenutzten Flächen. Am bekanntesten sind die Kampagnen zur Gewinnung von Neuland (russisch: "zelina") in der ehemaligen Sowjetunion in Schwarzerdegebieten von Südsibirien, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan in den 1920er, 1930er und auch 1950er Jahren. Diese großflächige Neulandgewinnung ging meist mit der Anlage von Schutzwaldstreifen gegen die Winderosion und zum Teil mit der Schaffung von großen Bewässerungssystemen einher. Die erhoffte Ertragssteigerung bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Weizen, Baumwolle) blieb auf Dauer meist aus, und es ergaben sich massive ökologische Probleme wie zum Beispiel am Aralsee.
Literarisch wurde dieses Thema durch den Roman von Michail Scholochow "Neuland unterm Pflug" verarbeitet.
Aber auch die Gewinnung von Land in der Ukraine, Südrussland, dem Mittleren Westen der USA, Argentinien oder Australien zwischen dem 18. Jahrhundert und 20. Jahrhundert folgte ähnlichen Prinzipien.