Leichtgaskanone
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Eine Leichtgaskanone (engl. light gas gun oder light-gas gun) ist ein Massebeschleuniger der in der experimentellen Impaktphysik eingesetzt wird, um Projektile auf hohe Geschwindigkeiten zu beschleunigen.
Ziel solcher Versuche ist es, die physikalischen Vorgänge beim Einschlag z. B. von Minimeteoriten in Weltraumfahrzeugen und Satelliten oder von Projektilen in Panzerungen zu untersuchen. Ebenso dienen solche Experimente als Modellversuche dem Verständnis von Meteoriteneinschlägen auf der Erde.
Es wird zwischen einstufigen Leichtgaskanonen (engl. single-stage light-gas gun) und zweistufigen Leichtgaskanonen (engl. two-stage light-gas gun) unterschieden. Häufig werden Leichtgaskanone und zweistufige Leichtgaskanone synonym benutzt.
[Bearbeiten] Funktionsweise
Die Idee einer Leichtgaskanone besteht darin, als Treibgas für die Beschleunigung eines Testobjektes (allgemein "Projektil", engl. "projectile" oder auch "model") ein molekular sehr leichtes Gas zu benutzen. Im Allgemeinen wird Helium oder Wasserstoff verwendet. Bei gleicher kinetischer Energie besitzen dessen Teilchen eine höhere Geschwindigkeit als bspw. die relativ schweren Verbrennungsgase einer Treibladung. Leichtgasbeschleuniger ermöglichen daher eine vergleichsweise hohe Endgeschwindigkeit für das Projektil.
Die wesentlichen Teile einer zweistufigen Leichtgaskanone sind das Pumprohr (engl. pump tube) und der Lauf (engl. launch tube). Im Pumprohr befindet sich das Leichtgas, das mittels eines zylindrischen Kolben komprimiert wird. Der Kolben wird in der Regel durch eine Treibladung oder ein verdichtetes Gas angetrieben. Zwischen Pumprohr und Lauf befindet sich ein konisches sog. Hochdruckteil (engl. high pressure section), dessen Ende durch ein Ventil vom Lauf getrennt ist. Hat das Leichtgas einen ausreichend hohen Druck erreicht, wird das Ventil geöffnet, und das hoch verdichtete Leichtgas strömt in den Lauf und beschleunigt das Projektil. Als Ventil wird üblicherweise eine ein bis fünf Millimeter dicke Metallscheibe verwendet, die mit schlitzförmigen/kreuzförmigen Sollbruchstellen versehen ist (engl. petal valve) und die bei einem bestimmten Druck birst. Im Hochdruckteil werden kurzzeitig extrem hohe Drücke in der Größenordnung um 1 GPa bzw. 10 kbar erreicht. Die Kompression des leichten Gases stellt die erste Stufe dar, die Beschleunigung des Projektils die zweite. Daher kommt die Bezeichnung zweistufige Leichtgaskanone.
Einstufige Leichtgaskanonen entsprechen zweistufigen Leichtgaskanonen ohne erste Stufe. Das Leichtgas wird in ein Reservoir gefüllt, welches durch eine Membran vom Lauf getrennt ist. Beim Erreichen des gewünschten Reservoirdrucks wird die Membran z. B. mit einem Dorn zum Platzen gebracht. Das Gas strömt in den Lauf und beschleunigt das Projektil.
Mit zweistufigen Leichtgaskanonen werden bei Geschossen im Grammbereich Geschwindigkeiten bis zu 7 bis 8 km/s erreicht, im Milligrammbereich bis zu 10 km/s (36.000km/h). Die Geschwindigkeit lässt sich über die Stärke der Treibladung und den Leichtgasdruck im Pumprohr für die jeweilige Geschossmasse einstellen. Einstufige Leichtgaskanonen erreichen erheblich geringere Geschwindigkeiten.
Da die Projektile (denkt man z. B. an Modelle für Weltraummüll oder Meteoriten) selten echte "Projektilform" besitzen und als beliebig geformte Objekte somit nicht direkt in den Lauf eingebracht werden können, bedient man sich in der Regel Treibspiegeln (wie im Englischen und Französischen auch im Deutschen gelegentlich als "Sabot" bezeichnet). Der Treibspiegel, zumeist aus Kunststoff, zerfällt beim Austritt aus dem Lauf in mehrere Elemente und wird von einer Blende (engl. sabot catcher) aufgefangen.
Nach dem Austritt aus dem Lauf durchfliegt das Projektil den sog. Blasttank, in dem das Treibgas abgefangen wird. Hier befindet sich auch die erwähnte Blende, ebenso wie in der Regel mehrere Laserlichtschranken, die zur Geschwindigkeitsmessung und als Triggerquelle für die Sensorik verwendet werden. An den Blasttank schließt eine weitere Kammer an, die Impakttank oder Targetkammer genannt wird und in der sich das Target befindet. Beide Tanks bieten durch entsprechende Panzerung den notwendigen Splitterschutz und werden bei Bedarf (hohe Geschwindigkeiten, Wasserstoff als Treibgas) evakuiert.
Impakttank bzw. Targetkammer sind mit Sensorik (wie Hochgeschwindigkeitskamera etc.) ausgerüstet, um den Einschlag ("Impakt") auf das Target zu beobachten. Der Impaktvorgang dauert häufig nur wenige zehn bis hundert Mikrosekunden.