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Lennie Tristano - Wikipedia

Lennie Tristano

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Lennie Tristano (* 19. März 1919 in Chicago, Illinois; † 18. November 1978 in New York) war ein US-amerikanischer Jazzmusiker: Pianist und Multiinstrumentalist, Arrangeur, Komponist und Musikpädagoge; Stilrichtungen Bebop, Cool Jazz, Modal Jazz, bis zur Vorwegnahme des klassischen Free Jazz der 1960er.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Biografie

Leonard Joseph Tristano wurde 1919 als zweites von vier Kindern italienischer Einwanderer in Chicago geboren. Er hatte bereits als vierjähriger mit dem Klavierspiel begonnen und später außerdem Cello, Klarinette und Tenorsaxophon gelernt. Als Folge der grassierenden Spanischen Grippe war sein Sehvermögen stark geschwächt, mit zehn Jahren war er völlig erblindet. Mit neun Jahren erblindet er vollständig, nachdem eine starke Grippe und später die Masern seine Augen bereits stark beeinträchtigt hatten. Sein musikalischer Background umfasst insbesondere klassische Studien; vor allem widmet er sich Bach. Seine musikalische Ausbildung erfuhr er in Chicago, wo er auch Jazz spielte.

1946 übersiedelte er nach New York und gründete eigene Combos (Trio bis Sextett), denen insbesondere der der Gitarrist Billy Bauer und der Tenorsaxophonist Warne Marsh angehörten. Ein weiterer wichtiger Mitspieler war der Altsaxophonist Lee Konitz aus dem Claude Thornhill Orchestra, der damals auch bei Gil Evans und Miles Davis mitspielte. Tristano mit seiner Gruppe ist in dieser Zeit neben Evans und Davis mit Gerry Mulligan, John Lewis u.a. einer der wesentlichen Schöpfer des aus dem Bebop abzweigenden Cool Jazz. Zu seinen markanten Stücken zählen „Digression“ und „Intuition“ (1949).

Tristanos Stil ist besonders hinsichtlich seiner Art interessant, bis zu drei unabhängige Takte zu spielen und ineinander zu verweben. 1951 gründete er in New York eine Jazzschule, die erste ihrer Art. Sessions und Aufnahmen wurden ab 1956 selten. 1965 tourte Tristano einmal durch Europa.

Lennie Tristano hat eine Tochter, die Schlagzeugerin Carol Tristano.

[Bearbeiten] Tristano-Schule des frühen Modern Jazz

Lennie Tristano unterrichtet zunächst bei sich zu Hause, eröffnet dann später eine Schule in der 317 East 32nd Street, New York. 1956 schloss er die Schule und unterrichtete von Long Island aus.

Seine Methoden beinhalten vor allem die Auseinandersetzung mit dem Barock, insbesondere mit Johann Sebastian Bach. Als Vorbilder im Jazz gelten Louis Armstrong, Earl Hines, Roy Eldridge, Lester Young, Charlie Christian, Charlie Parker und Bud Powell. Die Soli dieser (im Grunde sehr begrenzten) Auswahl von Musikern werden von Aufnahmen transkribiert und nachgesungen, später nachgespielt. Wichtig ist generell, dass zunächst die Basis gründlich abgedeckt wird: Bevor sich die Studenten mit dem Instrument befassen, müssen sie nicht nur alles singen können, sondern auch schwierige grundlegende rhythmische sowie polyrhythmische Übungen beherrschen. Daraufhin lernen sie Stücke in allen Tonarten, sowohl in Dur als auch in Moll und befassen sich detailliert mit den Harmonien und Strukturen jeden Akkordes. Letztendlich bezeichnet Tristano aber die Melodie als wichtigstes Element der Musik und der Improvisation.

Neben dem strengen musikalischen Training zeichnet sich die Tristano-Schule auch durch bestimmte Anschauungen aus: Tristano ist absolut gegen jeden Kommerz, er wettert gegen Veranstalter und Cafébesitzer, die die Künstler ausbeuten und sie dazu zwingen, sich entweder musikalisch anzupassen oder zu „verhungern“ („....either conform, comercially, or starve..“). Seiner Meinung nach darf keine Kunstform durch die Forderungen der Gesellschaft an ihrer freien Entfaltung gehindert werden. Ein weiteres musikalisches Merkmal seiner Lehre regelt weitgehend die Rolle der Rhythmusgruppe in der Band; Schlagzeuger und Bassist fungieren im Grunde lediglich als „timekeeper“, sie sorgen für eine stabile Grundlage, die den Solisten ihre waghalsigen Verschiebungen und harmonischen Ausflüge erlaubt. Oft werden die Tristano-Bands aufgrund dieser Gepflogenheit bei Publikum und Kritikern als zu wenig interaktiv und dynamisch empfunden. Wegen dieser als beherrscht, unterkühlt und intellektuell empfundenen Spielweise entsteht auch der Begriff Cool Jazz.

Reglemässig fanden in der Schule Sessions statt. Tristano gab zahlreiche Konzerte zusammen mit seinen besten Studenten; auch Studioaufnahmen wurden gemacht. Dabei wurden die eingeübten Kompositionen, oft komplizierte Melodielinien über bekannte Standards, aufgeführt und aufgenommen, auch Inventionen von Bach (im Duo Marsh/Konitz) gehören zum Programm. Für viele seiner Schüler, darunter Lee Konitz, Billy Bauer, Peter Ind, Lloyd Lifton, Warne Marsh war Lennie Tristano nicht nur Mentor, sondern eine Art Vaterfigur und „Rundum-Vorbild“. Manche Studenten studierten jahrzehntelang bei ihm; insbesondere Warne Marsh kann sich -wenn überhaupt- über lange Zeit nicht von seinem Lehrer lösen. Weitere Tristano-Schüler sind Bill Russo, Connie Crothers, Lenny Popkin, Sal Mosca, Herbie Hancock, Sheila Jordan, Bill Evans, Fran Canisius, Betty Scott, Jeff Morton, Willie Dennis, Don Ferrara und Rockgitarrist Joe Satriani.

Ebenfalls typisch für Lennie Tristano und seine Anhänger ist das Bewusstmachen vieler Tatsachen und Vorgänge. Der Kreis befasst sich mit Psychoanalyse, z.B. mit Wissenschaftlern wie Sigmund Freud und Wilhelm Reich. Es wird über das Einfließen von Empfindungen in die Musik diskutiert.

[Bearbeiten] Rassismus

Möglicherweise sah Lennie Tristano seine Methode als eine „weiße“ Herangehensweise an den Jazz. Seine besondere Faszination durch europäische Komponisten (Johann Sebastian Bach, Bela Bartók) sprechen dafür, sowie sein bevorzugtes Repertoire, das kaum Blues, aber viele Stücke von weißen Musikern wie George Gershwin, Jerome Kern und Cole Porter beinhaltete.

Tristano Schüler Warne Marsh äußerte sich häufig zur Diskriminierung der weißen Musiker im Jazz, die er ständig erfahren muss. Viele vertraten in dieser Zeit die Meinung, dass Weiße nicht in der Lage sind, Jazz zu verstehen und zu spielen. Relativ selten kommt es zum Zusammenspiel zwischen Tristano-Anhängern und afroamerikanischen Musikern. Einige Afroamerikaner, z.B. Charlie Parker und Max Roach, drücken nichtsdestotrotz ihre Bewunderung für Tristanos Stil aus und erscheinen gelegentlich bei Sessions in dessen Schule.

[Bearbeiten] Diskografie

  • Intuition  –  (1946–52; Box 4 CD + Booklet 40 S.(en), compil. 2003 Proper/mcps)
  • Live in New York  –  (1949; with Lee Konitz, Warne Marsh, Billy Bauer u.a., compil. 2004 by Jazz Door)

[Bearbeiten] Literatur

  • Peter Ind: Jazz Visions - Lennie Tristano and his legacy, London, Equinox Pbl. Ltd., 2005.

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen

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