Müggelturm
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Der Müggelturm ist ein bekanntes Ausflugsziel im Südosten Berlins in Köpenick. Der Müggelturm steht südlich des Müggelsees in den Müggelbergen auf dem Kleinen Müggelberg in einer Höhe von 88 m über NN. Wenn man heute vom Müggelturm spricht, ist immer der heute dort stehende Turm gemeint, es gab aber vor diesem bereits einen anderen Turm, der 1958 abgebrannt ist.
Man erreicht das Müggelturm-Areal von der ehemaligen Ausflugsgaststätte Marienlust im Süden an der Dahme über einen Weg mit anschließender Treppe und vom Teufelssee im Nordosten über eine zweite Treppe. Vom Müggelheimer Damm führt die Straße zum Müggelturm zum Turm hinauf, die aber für Besucher nur bis zu einem Parkplatz ein paar hundert Meter vor dem Plateau zugelassen ist.
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[Bearbeiten] Der alte Müggelturm
Carl Spindler, der Eigentümer der Köpenicker Wäscherei und Färberei W. Spindler, nach der Spindlersfeld seinen Namen hat, ließ um 1880 auf dem kleinen Müggelberg einen 10 Meter hohen hölzernen Aussichtsturm errichten, der als Spindlerturm bezeichnet wurde. Wegen der geringen Größe konnte man aber nicht in die Ferne schauen und es kamen nur wenige Besucher. 1889 ließ Spindler den Turm im chinesischen Pagodenstil für 40.000 Mark erweitern. Der erweiterte Turm wurde am 1. April 1890 eröffnet und hatte einen Höhe von 27 m. Der quadratische Grundriss mit konischer Form mündete von 5 Meter Breite am Boden, über 4,20 Meter oberhalb des Restaurants auf 2,80 Meter Breite an der Aussichtsplattform. Er war ebenfalls aus Holz errichtet und mit Schindeln bedeckt. Sein Baumeister war Max Jacob; erster Gastwirt war Carl Streichhahn. Der vergrößerte Turm mit seinem Restaurant entwickelte sich schnell zu einem beliebten Ausflugsziel und bot auf der Aussichtsplattform einen Panoramablick bis zu 50 km Entfernung über die Wald- und Seenlandschaft der Region bis hin zur Stadtsilhouette von Berlin. Bereits im Eröffnungsjahr 1890 zählte man ca. 52.000 Besucher.
Noch ohne Turm bot sich Theodor Fontane um 1880 von der Höhe der Müggelberge folgendes Bild:
- Auf Quadratmeilen hin nur Wasser und Wald. Nichts, was an die Hand der Kultur erinnerte. Nicht Weg, nicht Steg und keine andere Fahrstraße sichtbar, als das verwirrende Flußnetz, das sich durch die scheinbar endlosen Forstreviere zieht. Kein Hüttenrauch steigt auf, keine Herde weidet an den Ufern entlang, und nur eine Fischmöwe schwebt satt und langsam über dem Müggelsee.
1924 erwarb der Baumeister Walter Wichelhaus den Turm und nahm in den folgenden Jahren bauliche Veränderungen auf dem Kleinen Müggelberg vor. Er ließ einige Gebäude errichten, die ein neues Restaurant, eine Küche und eine Wohnung für sich selbst beinhalteten. Bei den Arbeiten zur Ausschachtung für die neuen Nebengebäude stieß man auf vorgeschichtliche Funde. 1926 wurde vor dem Turm eine neue Terrassenanlage mit angrenzendem Saal angelegt, in welchem Wichelhaus zusammen mit dem Märkischen Museum eine Sammlung mit dem Titel „Geschichte des Müggellandes und der Müggelberge“ zu vorgeschichtlichen Funden in der Müggellandschaft ausstellte. In der Sammlung erfuhr der Besucher allgemein etwas über die Kultur der Menschen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit sowie über die Sprewanen, einem wendischen Stamm, der in der Dahme-Spree-Gegend lebte. Ein bekanntes Exponat der Ausstellung war ein Backenzahn eines Mammuts. Ein weiterer Teil der Ausstellung war ein Nachweis, dass früher auf dem Kleinen Müggelberg eine große Halle stand, die wahrscheinlich den Sprewanen als Kultstätte diente.
1928 legte man die beiden Treppen zum Kleinen Müggelberg hinauf an. Die nordöstliche Treppe vom Teufelssee zählt 111 Stufen, die südliche 374 Stufen. Beide Treppen wurden 1953 erneuert.
1942 wurden die Ausstellungsstücke des Museums in die Gaststätte „Schmetterlingshorst“ ausgelagert. Dort waren sie zusammen mit der weltberühmten Faltersammlung des Gaststättenbesitzers Büttner zu betrachten. Beide Sammlungen gingen in den folgenden Kriegsjahren bei einem Bombenangriff verloren.
Im Jahr 1945, als sich die sowjetische Armee Berlin näherte, wurde der Turm zum militärischen Objekt erklärt und diente als Funkturm zum Zwecke der Nachrichtenübermittlung sowie für die Artillerie als Beobachtungsposten. Wie auch die benachbarte Bismarckwarte auf dem großen Müggelberg sollte der Müggelturm im April 1945 von deutschen Truppen vor der Ankunft der anrückenden Sowjetarmee gesprengt werden. Der Turm-Gastwirt Walter Wichelhaus verhinderte aber die Sprengung, indem er die Leitungsdrähte der Sprengladung zerschnitt.
Nach dem Krieg wurde wieder eine Gaststätte für Besucher eingerichtet und 1956 übernahm die HO Köpenick den Betrieb des Müggelturmareals. Im Januar 1957 wurde der Müggelturm wegen Baufälligkeit gesperrt und im Februar 1957 beschloss der Berliner Magistrat, dem Turm durch ein neues Fundament und den Einbau einer Stahlfachwerkkonstruktion neue Stabilität zu verleihen. Im Rahmen der Arbeiten sollte auch das Restaurant erweitert werden. Am Nachmittag des 19. Mai 1958 brannte der Turm durch ein Feuer vollständig ab (externes Bild vom brennenden Turm), das vermutlich durch Schweißarbeiten während der Renovierungsarbeiten ausgelöst worden war.
[Bearbeiten] Der heutige Müggelturm
Noch im gleichen Jahr initiierte die Berliner Zeitung einen Architekturwettbewerb für einen Neubau, bei dem 32 Entwürfe eingingen. Die Entwürfe wurden im August 1958 im Köpenicker Rathaus und einen Monat später im BZ-Pavillon am Bahnhof Friedrichstraße für die Berliner Bevölkerung ausgestellt. Die Meinungen der Besucher zu den Entwürfen, die diese in ein ausliegendes Buch schreiben konnten, bestätigten die Auswahl des Wettbewerbskomitees. Der Entwurf eines Studentenkollektivs der Kunsthochschule Berlin-Weißensee unter Regie von Jörg Streitparth, Siegfried Wagner und Klaus Weißhaupt ging als Sieger aus dem Wettbewerb hervor und wurde in einer überarbeiteten Fassung gebaut. Ursprünglich sollte der Turm einen ovalen Grundriss haben, dies wurde aber aus ökonomischen Gründen auf die heutige rechteckige Form geändert (externes Bild des ovalen Modells).
Am 6. Oktober 1959 war die Grundsteinlegung, am 20. August 1960 feierte man Richtfest und die Eröffnung fand am 31. Dezember 1961 in der Silvesternacht statt. Die Realisierung des neuen Müggelturms wurde durch das Engagement und die Spendenbereitschaft der Bevölkerung erheblich unterstützt. Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes spendete die Bevölkerung 130.000 Mark und leistete 3.700 freiwillige Arbeitsstunden.
Der 29,61 m hohe, in Stahlbetonrahmenbauweise errichtete Turm hat neun Geschosse mit Panoramafenstern und einer Plattform, die über eine Treppe mit 126 Stufen erreichbar ist. Der Gastronomiebereich beinhaltet ein Restaurant, eine Weinstube und Sonnenterassen. Auch der neue Turm war ein Anziehungspunkt für die Berliner. Jährlich kamen durchschnittlich 240.000 Besucher. Besonders zu Feiertagen wie Pfingsten herrschte dichtes Gedrängel im Turm und im Gastronomiebereich.
Entwurflich orientiert sich der Turm mit seinen Nebengebäuden an der Formensprache der Moderne und negiert damit bewusst die eklektizistische Haltung seines Vorgängerbaus. Der Müggelturm mit seinen angrenzenden Gebäuden stellt ein sehr frühes Beispiel moderner Architektur in der bis dahin stark von der stalinistischen Architektur geprägten DDR dar.
In einem Blumenfenster des Gastraums befindet sich der historisch für Berlin und das Deutsche Vermessungswesen wichtige Trigonometrische Punkt 1. Ordnung Müggelberg. Mit ihm wird der Nullpunkt des Koordinatennetzes des Berliner Kartenwerks definiert. Der Stein erinnert auch an den in Müggelheim geborenen Johann Jacob Baeyer (1794-1885). Baeyer gilt als Begründer der einheitlichen europäischen Gradmessung. Er nutzte den Höhenzug der Müggelberge neben Vermessungen der Stadt Berlin auch für Höhenmessungen der näheren Umgebung: unter anderem bestimmte er die Höhe der Köpenicker St.-Laurentius-Stadtkirche und der Gosener Berge. Da der Stein sowie seine spezielle Lage als Vermessungspunkt geschützt ist, darf er bei Umbauarbeiten nicht ohne Zustimmung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bewegt werden.
Mangelnde Wartung führte in den 1990er Jahren zu dringendem Sanierungsbedarf. 1996 wurde zwar der Turm selbst mit EU-Fördermitteln (Programm Gemeinschaftsausgaben) für 1 Million DM grundlegend saniert, aber der Gastronomiebereich bleibt durch Feuchtigkeitseinbruch dringend sanierungsbedürftig. Der Zustand des Turms hat sich seit der Sanierung auch wieder verschlechtert, so dass man 2005 beim Aufstieg zur Aussichtsplattform einigen kleineren Pfützen im Treppenhaus ausweichen muss. Auch die installierten Münzfernrohre sucht man vergeblich auf der Aussichtsetage. Nichtsdestotrotz ist der Turm geöffnet und kann gegen 1 Euro Eintrittsgeld bestiegen werden. Seit Anfang 2002 ist der Gaststättenbetrieb komplett eingestellt – lediglich ein Getränke- und Imbisskiosk auf dem Anliefer- und Wendeplatz vor dem Turm steht den Besuchern zur Verfügung.
[Bearbeiten] Werdegang seit 1990 und neue Nutzungskonzepte
1991 verkaufte die Treuhandanstalt das Gelände an die bcb GmbH, seitdem wurden verschiedene Nutzungskonzepte vorgeschlagen. Von der Müggelturm-Tourismus & Service GmbH wurde 1994 ein Konzept vorgeschlagen, das aber wegen ungeklärten Eigentumsverhältnissen keinen Anklang bei Investoren fand.
1995 wurde die Stadt Berlin Eigentümer des Geländes und der Bezirk Köpenick verwaltet es seitdem. Seit Mai 1995 stehen die Gebäude auf dem Kleinen Müggelberg unter Denkmalschutz. Das Berliner Landesdenkmalamt schrieb dazu: „Der Müggelturm ist eine populäre und weithin sichtbare Landmarke in den Müggelbergen. Er ist ein bekannter Akzent in einem unverwechselbaren Berliner Landschaftsbild“. Ein 1996 vom langjährigen Müggelturmpächter Wolfgang Gerber und dem Köpenicker Architekten Ulrich Peickert vorgeschlagener Entwurf, der ein Hotel beinhaltete, wurde abgelehnt, da er dem Flächennutzungsplan widersprach.
Im Jahr 2000 wurde der Flächennutzungsplan geändert, was aber nicht zu einer Einigung mit Investoren führte. Ein Vorschlag aus dem Jahr 2002 wurde vom Berliner Senat abgelehnt, da der Vorschlag des Investors, dem Berliner Finanzkaufmann Selim Kuzu, für 25 Millionen Euro eine Burganlage mit Hotel mit dem Turm im Mittelpunkt zu errichten, dem Senat zu massiv war.
Eine erste Ausschreibung des Berliner Liegenschaftsfonds lief von März bis Juni 2003, konnte aber keine tragfähigen Angebote von Investoren hervorbringen. Im Vorfeld der 2003er Ausschreibung beteiligten sich 25 angehende Architekten der TU Cottbus im Rahmen ihrer Diplomarbeiten mit Entwürfen, die die Investoren als Inspiration nutzen konnten. Als Konsequenz aus der gescheiterten Ausschreibung wurden die Bedingungen modifiziert und damit investorenfreundlicher gestaltet, da „die vom Land Berlin erwarteten Planungsanforderungen und die Vorgaben zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Vermarktung erheblich erschweren“ würden. Unter anderem wurde eingeräumt, den Gastronomiebereich abreißen und neu bauen zu dürfen. Im März 2004 wurde deshalb eine zweite Ausschreibung gestartet, welche eigentlich nur bis August 2004 laufen sollte, aber aufgrund fehlender Teilnahme bis Ende 2004 verlängert wurde.
Aus dieser zweiten Ausschreibung erhielt im Januar 2005 die PM Gewerbe- und Verwaltungs GmbH vom Steuerausschuss des Berliner Liegenschaftsfonds den Zuschlag für ihr Angebot zum Müggelturm-Areal. Die Pläne sahen ein Hotel mit 100 Betten, ein Restaurant, einen Biergarten, drei Kegelbahnen sowie eine Sommertheater-Bühne auf dem 6.143 Quadratmeter großen Areal vor. Die Baukosten wurden auf 10 bis 11 Millionen Euro geschätzt. Zuvor hätte allerdings noch die komplette Wasser-, Strom- und Gasversorgung überprüft und erneuert werden müssen – die Mittel dafür wären von der EU bereitgestellt worden. An den Plänen waren auch wieder der Müggelturmpächter Wolfgang Gerber und der Köpenicker Architekt Ulrich Peickert beteiligt.
Am 29. Dezember 2005 erklärte allerdings der Chef des Berliner Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann, dass die PM Gewerbe- und Verwaltungs GmbH kein Interesse mehr an dem Grundstück habe und die bis 31. Dezember 2005 bestehende Kaufoption nicht wahrnehmen wird. Damit ist die weitere Entwicklung des Geländes wieder offen.
Seit Oktober 2006 bietet der Berliner Liegenschaftsfonds erneut das Grundstück an.[1] Es ist beabsichtigt, die unterirdische Erschließung des Grundstücks (Strom, Wasser, etc.) finanziert durch den Bezirk Treptow-Köpenick komplett zu erneuern, um das Gelände für Investoren attraktiver zu machen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Berliner Verlag: Hölzerne Pagode: der Turm von 1889.
- Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Teil 4. Spreeland. Die Müggelsberge. [1] Zitiert nach der Ausgabe 1998, Frankfurt/M, Berlin.
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Müggelturm – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
- Webseite über Müggelturm bei archINFORM
- Seite über Müggelturm bei Structurae
[Bearbeiten] Quellen
- Förderverein Müggelturm: Geschichte des Müggelturms
- koepenick.net: Müggelturm
- Berlinische Monatsschrift (Heft 3/2001): „Müggelturm durch Feuer zerstört“
- 2003er Ausschreibungstext des Liegenschaftsfonds Berlin (pdf)
- 2004er Ausschreibungstext des Liegenschaftsfonds Berlin (pdf)
- ↑ Grundstück des Müggelturms ein Ladenhüter, Berliner Morgenpost vom 13. November 2006
Koordinaten: 52° 25' 2" N, 13° 37' 30" O
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