Medizinsoziologie
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Die Medizinsoziologie oder Medizinische Soziologie ist ein Teilgebiet der Soziologie und betrachtet medizinisches Handeln und Gesundheitsverhalten im gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Medizinische Soziologie ist ein Fach des vorklinischen Studienabschnittes.Sie beschäftigt sich mit sozialen, psychosozialen, physischen und physikalischen Faktoren von Gesundheitsstörungen und deren medizinischer Betreuung einschließlich Prävention, Therapie und Rehabilitation, und untersucht Zusammenhänge zwischen Gesundheit einerseits und genetischen Faktoren, Umwelteinflüssen, Lebensstilvariablen, sozialem Milieu und der medizinischen Versorgung andererseits.
Gesundheit und Krankheit verweisen nicht nur auf Funktion oder Fehlfunktion des Körpers, sondern sind vor allem auch ein Phänomen der individuellen Befindlichkeit. Das jeweils gegebene Verständnis von Gesundheit und Krankheit ist durch gesellschaftliche Normen und Werte beeinflusst, ist Bestandteil der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit.
Die Medizinische Soziologie entwickelte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert aus der Beobachtung, dass gesellschaftliche Bedingungen und Umwelteinflüsse eine wesentliche Bedeutung für Krankheitsentwicklung haben. Gegenwärtig werden jedoch weniger "weiche" soziale Faktoren als Ursachen der Krankheitsentstehung angenommen. In Zeiten der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und großer Hoffnungen auf neue Therapieformen durch Genforschung werden insgesamt wieder stärker materialistische Faktoren, d. h. genetische Ursachen von Krankheiten favorisiert.
Gesundheit und Krankheit sind Phänomene, die in mindestens drei verschiedenen Bezugssystemen definiert werden, die sich aus einer psychologischen, einer medizinischen und einer soziologischen Perspektive ergeben.
- Bezugssystem der betroffenen Person: sich gesund oder krank fühlen, Reaktion auf wahrgenommene Beeinträchtigungen, Krankheitsbewältigung
- Bezugssystem der Medizin: physiologische Regulation/Disregulation bzw. organische Funktion/Fehlfunktion (Befunde)
- Bezugssystem der Gesellschaft: Leistungsminderung, bzw. Notwendigkeit Hilfe zu gewähren, Analyse des Hilfesuchens im Krankheitsfall, soziale Definitionsprozesse bei (chronischer) Krankheit und Behinderung, soziale Rolle des Kranken, Organisation des "Krankheits-" bzw. Gesundheitssystems
Die Medizinsoziologie analysiert
- die Phänomene „Gesundheit“ und „Krankheit“ in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit (u.a. Krankheitsdefinitionen - Entstehung, Funktion und Wandel, Auswirkungen von Epidemien)
- soziale Hintergründe, Zusammenhänge und Ursachen von Krankheit (Erklärungsmodelle von Krankheit)
- soziale Einflüsse auf die Erhaltung von Gesundheit, auf die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten; (schichtspezifisches Erkrankungsrisiko -> soziale Schichtung, Risikoverhalten, Krankheitskarrieren und typische Verläufe bei chronischer Erkrankung, soziale Stützsysteme)
- die Einrichtungen und Berufe des Gesundheitswesens, gesellschaftliche Steuerung des Gesundheitswesens durch die Gesundheitspolitik
- die Interaktion zwischen Arzt/Therapeut und Patient
- die Möglichkeiten und Grenzen medizinischer Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft
- Bedingungen und Möglichkeiten von Prävention und Rehabilitation
[Bearbeiten] Literatur
- Lars Clausen,: „Offene Fragen der Seuchensoziologie“, in: Ders. Krasser sozialer Wandel, Opladen: Leske + Budrich 1994, S. 51-61, ISBN 3-8100-1141-X
- Johannes Siegrist: Medizinische Soziologie, München: Urban und Schwarzenberg Verlag 1995, ISBN 3541063858
- Alf Trojan, Hanneli Dohner (Hrsg.): Gesellschaft, Gesundheit, Medizin - Erkundungen, Analysen und Ergebnisse, Frankfurt am Main: Mabuse Verlag 2004, ISBN 3-935964-01-3
- Heiko Waller, Sozialmedizin, 4. Auflage, Stuttgart: Kohlhammer 1997, ISBN 3170142003Sozialarbeit