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Neutrino - Wikipedia

Neutrino

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Bedeutung des Begriffs Neutrino als Elementarteilchen, weitere Bedeutungen dieses Begriffes können über Neutrino (Begriffsklärung) aufgerufen werden

Neutrino

Klassifikation
Elementarteilchen
Fermion
Lepton
Eigenschaften
Ladung C
Ruheenergie

(Elektron-Neutrino) < 2,3 eV


Spin 1/2
Wechselwirkung schwach
Gravitation


Das Neutrino ist ein elektrisch neutrales Elementarteilchen. Es gehört zu den Leptonen und wird nur durch die Schwache Wechselwirkung und, wie jedes Elementarteilchen, gemäß Allgemeiner Relativitätstheorie auch durch die Gravitation beeinflusst. Das Neutrino besitzt als Fermion im Standardmodell einen Spin von \hbar/2 und negative Helizität. Die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit des Neutrinos ist äußerst klein. Sein Nachweis ist nur über den geladenen und neutralen Strom, das Z-Boson und das W-Boson als Austauschteilchen der Schwachen Wechselwirkung möglich und daher schwierig. Das Symbol für das Neutrino ist der griechische Buchstabe ν.

Für typische Sonnen-Neutrinos (Energie von einigen MeV) würde man eine Bleiwand von circa einem Lichtjahr Dicke brauchen (ca. 1016m), um die Hälfte von ihnen einzufangen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Drei Neutrinogenerationen und Antineutrinos

Drei Generationen von Leptonen sind bekannt, die jeweils aus einem Paar aus einem elektrisch geladenen Teilchen (Elektron, Myon und Tauon) und einem elektrisch neutralen, assoziierten Neutrino bestehen. Man spricht vom Elektron-Neutrino (νe), Myon-Neutrino (νμ) und Tau- oder Tauon-Neutrino (ντ). Alle Leptonen tragen die sogenannte „Schwache Ladung“ und Spin 1/2. Daneben gibt es zu jedem Neutrino auch ein Antiteilchen, das Antineutrino, also ein Elektron-Antineutrino (\overline{\nu}_e), Myon-Antineutrino (\overline{\nu}_{\mu}) und Tauon-Antineutrino (\overline{\nu}_{\tau}).

Die Leptonen unterscheiden sich von Generation zu Generation nur durch die unterschiedlichen Massen der elektrisch geladenen Leptonen, während von den Massen der Neutrinos bisher nur obere Grenzen bekannt sind.

Die Anzahl der Neutrinoarten mit einer Neutrinomasse, die kleiner als die halbe Masse des Z-Bosons ist, wurde in Präzisionsexperimenten u. a. am L3-Detektor am CERN zu genau drei bestimmt.

Es gibt Hinweise auf einen neutrinolosen doppelten Betazerfall. Dies würde bedeuten, dass entweder die Erhaltung der Leptonenzahl verletzt oder das Neutrino sein eigenes Antiteilchen wäre. In der quantenfeldtheoretischen Beschreibung hieße dies, dass das Neutrinofeld kein Dirac-Spinor, sondern ein Majorana-Spinor wäre, im Widerspruch zum jetzigen Standardmodell.

Die Physiker Lee und Yang gaben den Anstoß für ein Experiment zur Untersuchung der Spins von Neutrinos und Antineutrinos. Dieses wurde 1956 von Frau Wu ausgeführt und brachte das Ergebnis, dass die Paritätserhaltung nicht ausnahmslos gilt. Das Neutrino erwies sich als „Linkshänder“, was bedeutet, dass es in Bezug auf seine Bewegungsrichtung gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Damit wird eine objektive Erklärung von „links“ und „rechts“ möglich. Im Bereich der schwachen Wechselwirkung muss demnach beim Übergang von einem Teilchen zu seinem Antiteilchen nicht nur die elektrische Ladung, sondern auch die Parität, d. h. der Spin vertauscht werden. Die schwache Wechselwirkung unterscheidet sich also von der elektromagnetischen Wechselwirkung durch die Verknüpfung der „schwachen Ladung“ mit der Rechts- oder Linkshändigkeit eines Teilchens. Bei den Leptonen und Quarks haben nur die linkshändigen Teilchen und ihre rechtshändigen Antiteilchen eine schwache Ladung. Dagegen sind die rechtshändigen Teilchen und ihre linkshändigen Antiteilchen gegenüber der schwachen Ladung neutral. Teilchen mit schwacher Ladung können aus dem Vakuum auftauchen und wieder verschwinden. Man bezeichnet dieses Phänomen als „spontane (Spiegel-)Symmetriebrechung“.

[Bearbeiten] Neutrino- und Antineutrinoreaktionen

Die bekannteste Reaktion, an der ein Neutrino teilnimmt, ist der Beta-minus-Zerfall, in dem ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino zerfällt.

Dabei emittiert eines der beiden down-Quarks des Neutrons das intermediäre Vektorboson W-, wobei es sich in ein up-Quark verwandelt. Das emittierte W-Boson zerfällt schließlich in ein Elektron und ein Antineutrino.

Das kontinuierliche Spektrum des Betazerfalls führte Wolfgang Pauli dazu, ein bis dahin unbeobachtetes Elementarteilchen zu postulieren. Dieses Teilchen sollte einen Teil der beim Zerfall freiwerdenden Energie tragen, und so die Impulserhaltung sicherstellen. Pauli nannte sein am 4. Dezember 1930 in einem privaten Brief postuliertes hypothetisches Teilchen zuerst Neutron; um einen Konflikt mit dem heute unter gleichem Namen bekannten Teilchen zu vermeiden, benannte Enrico Fermi es in Neutrino (kleines Neutron, "Neutrönchen") um. Erst 1933 stellte Pauli seine Hypothese einem breiteren Publikum vor und musste dann noch 23 Jahre auf den experimentellen Nachweis warten.

Elektron-Neutrinos entstehen auch in großer Zahl in der Sonne bei der Fusion von Wasserstoff zu Helium zur Energiegewinnung. Die Beobachtung der so genannten Sonnenneutrinos ist wichtig, um die exakten Prozesse im Inneren der Sonne und die fundamentalen Wechselwirkungen der Physik zu verstehen.

[Bearbeiten] Neutrinomasse

Die vollständige Hamilton-Funktion der Quanteneigenzustände in der Glashow-Salam-Weinberg-Theorie (siehe Elektroschwache Wechselwirkung) enthält Massenterme für die Neutrinos ohne jedoch einen Hinweis auf die Größe der Masse zu geben. Weil jedoch die experimentellen Obergrenzen der Neutrinomassen mehrere Größenordnungen unterhalb der Massen der assoziierten geladenen Leptonen liegen, ist es bei vielen Berechnungen zulässig, diese auf Null zu setzen.

Im Standardmodell der Elementarteilchen wird bei der Herleitung der Masseneigenzustände der Fermionen (Leptonen und Quarks) aus den Quanteneigenzuständen die Neutrinomasse zu Null gesetzt, so dass der Nachweis einer Neutrinomasse eine Vervollständigung dieses Modells erfordert. Es gibt Erweiterungen zu dem heutigen Standardmodell und auch einige interessante Große Vereinheitlichte Theorien, welche massive Neutrinos vorhersagen.

Neueste Messungen belegen, dass Neutrinos tatsächlich eine (im Vergleich zu den assoziierten geladenen Leptonen sehr kleine) von Null verschiedene Ruhemasse besitzen, denn Massenunterschiede zwischen den Neutrinogenerationen sind eine Voraussetzung dafür, dass sie sich von einer Neutrinoart in eine andere umwandeln können (Neutrinooszillation). Im Jahr 2002 wurden Oszillationen von solaren Neutrinos durch das SNO nachgewiesen.

Für die Kosmologie sind damit die Neutrinos ein Kandidat für einen Teil der dunklen Materie, können jedoch allenfalls die heiße dunkle Materie stellen.

Als beste Obergrenze für die Elektron-Neutrinomasse gilt derzeit der aus der direkten Bestimmung der Neutrinomasse gewonnene Wert von 2,3 eV, durch Messung des Endpunktes des Betaspektrums von Tritium des Mainzer Neutrinoexperiments [1]. Eine bessere Obergrenze erhofft man sich durch noch genauere Messungen durch das Nachfolgeexperiment KATRIN am Forschungszentrum Karlsruhe, welches eine Obergrenze von 0,2 eV liefern soll.

Zum Vergleich: Ein Elektron besitzt eine Ruheenergie von 511 keV = 511.000 eV

Auch das CNGS-Experiment (CERN Neutrinos to Gran Sasso), dessen Beginn für Mai 2006 geplant ist, soll weitere Aufklärung über die Physik der Neutrinos bringen. Dabei wird am SPS-Beschleuniger des Forschungszentrums CERN bei Genf ein Neutrinostrahl erzeugt, der dann über eine Entfernung von 730 km durch das Erdinnere zum Gran-Sasso-Laboratorium in Italien gelangen soll und dort detektiert wird. Zur Erzeugung des Strahls werden Protonen mit einer Energie von 400 GeV auf ein Graphittarget in einem heliumgefüllten Behälter geschossen. Die dabei entstehenden positiv geladenen Pionen und Kaonen werden dann durch ein magnetisches Linsensystem zu einem parallelen Strahl fokussiert und zerfallen danach in einer 1 km langen evakuierten Röhre zu Myon-Neutrinos und Myonen. Die entstehenden Neutrinos behalten ihre Flugrichtung auf das Gran-Sasso-Labor bei, während die restlichen Protonen, Pionen und Kaonen von einem Eisen/Graphit-Schild aufgefangen werden. Der Myonenstrom, der den Schild genauso wie die Neutrinos durchquert, wird anschließend gemessen, um daraus die Anzahl der abgesendeten Neutrinos zu ermitteln. Schließlich werden auch die Myonen vom Gestein absorbiert und nur die Neutrinos setzen ihre einsame Reise fort. Da die Ruhemasse der Neutrinos ungleich Null ist (was inzwischen als bewiesen gilt), werden sich einige der Myon-Neutrinos unterwegs in andere Neutrinoarten (fast ausschließlich Tau-Neutrinos) umwandeln, welche dann vom OPERA-Detektor nachgewiesen werden sollen.

Der derzeit größte Neutrino-Detektor namens MINOS steht unterirdisch in einer Eisenmine in den USA, 750 Kilometer vom Forschungszentrum FERMILAB entfernt. Von diesem Forschungszentrum wird ein Neutrinostrahl in Richtung des Detektors ausgestrahlt, wo dann gezählt werden soll, wie viele der Neutrinos sich während des unterirdischen Fluges verändern.

[Bearbeiten] Neutrinoastronomie

Bekannte Neutrinodetektoren sind einerseits die radiochemischen Detektoren (z. B. das Chlorexperiment in der Homestake-Goldmine, USA oder der GALLEX-Detektor im Gran-Sasso-Tunnel (Italien)), andererseits die auf dem Tscherenkow-Effekt basierenden Detektoren, hier vor allem das Sudbury Neutrino Observatory (SNO) und Super-Kamiokande. Sie weisen solare und atmosphärische Neutrinos nach und erlauben u.a. die Messung von Neutrinooszillationen und damit Rückschlüsse auf die Differenzen der Neutrinomassen, da die im Sonneninneren ablaufenden Reaktionen und somit die Neutrinoemission der Sonne gut bekannt sind. Experimente wie Chooz oder Kamland sind in der Lage über den inversen Betazerfall Geoneutrinos und Reaktorneutrinos nachzuweisen und liefern komplementäre Information aus einem Bereich, der von solaren Neutrinodetektoren nicht abgedeckt wird.

Experimente wie Amanda, Antares und Nestor haben den Nachweis kosmogener Neutrinos zum Ziel.

Auch die bei Supernovaexplosionen entstehenden Neutrinos lassen sich nachweisen und geben Informationen über die Vorgänge während einer Supernova. So wurden 1987 im Kamiokande-Detektor elf Neutrinos nachgewiesen, die von der Supernova 1987A aus der Großen Magellanschen Wolke stammten. Dies sind bis heute die einzigen nachgewiesenen Neutrinos, die sicher aus einer Supernova stammen.

[Bearbeiten] Forschungsgeschichte

Wolfgang Pauli postulierte 1930 erstmals das Neutrino, da sich ansonsten (für einen Zwei-Körper-Zerfall) das Spektrum des Beta-Zerfalls nicht erklären ließ. Das Postulat selbst erfolgte in einem Brief an die Teilnehmer einer Konferenz in Tübingen, beginnend mit den Worten „Liebe Radioaktive Damen und Herren“, in dem er die Frage nach einem möglichen experimentellen Nachweis stellte.

Der experimentelle Nachweis des Neutrinos gelang jedoch erst 1956 durch Clyde L. Cowan und Frederick Reines anhand des inversen Beta-Zerfalles

\bar{\nu}_e + p \rightarrow e^{+} + n

an einem Kernreaktor, der einen deutlich höheren Neutrino-Fluss als radioaktive Elemente beim Beta-Zerfall verursacht.

Das Myon-Neutrino wurde 1962 von Jack Steinberger, Melvin Schwartz und Leon Max Lederman mit dem ersten am Beschleuniger hergestellten Neutrinostrahl entdeckt. Im Jahre 2000 wurde dann am DONUT-Experiment das Tau-Neutrino erstmals nachgewiesen.

[Bearbeiten] Weblinks

Wiktionary: Neutrino – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

[Bearbeiten] Video

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