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PorNO-Kampagne - Wikipedia

PorNO-Kampagne

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

PorNO ist ein Kofferwort aus Porno(-grafie) und NO (englisch: nein). Es steht für eine von der Feministin Alice Schwarzer ins Leben gerufene Initiative, um Pornografie in Deutschland zu verbieten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Inhalte der Kampagne

Die politische PorNO-Kampagne wurde im Jahr 1987 initiiert. Sie wendet sich gegen pornografische Darstellungen, in denen Frauen generell als passives Objekt männlicher sexueller Begierden statt als aktive Person dargestellt werden sollen. Pornografische Darstellungen seien eine Form von medialer Gewalt, die die Würde der Frau verletzten. Zudem könnten pornografische Darstellungen die Hemmschwelle für reale Gewalttätigkeit gegen Frauen heruntersetzen, so das Argument.

Zur Kampagne wurde ein Buch gleichen Titels herausgegeben. Autorin ist Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin und Herausgeberin der EMMA. Die US-amerikanische Autorin des Buches „PorNOgraphy-Men possessing women“ (1979) Andrea Dworkin unterstützte die PorNO-Kampagne.

Das Thema der medialen Gewalt wurde in Deutschland bereits neun Jahre zuvor diskutiert. 1978 wurde die Zeitschrift Stern wegen entwürdigender Frauendarstellung verklagt, nachdem ein Titelbild die Sängerin Grace Jones in Ketten dargestellt hatte. Die Klage verfasste ebenfalls Alice Schwarzer, zusammen mit der Schauspielerin Inge Meysel und weiteren prominenten Frauen. Die Anklägerinnen argumentierten, die Pornografie schaffe "ein Frauenbild, das Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradiert". Pornografie bedrohe dadurch "die elementaren Menschenrechte von Frauen: das Recht auf Würde oder Freiheit, auf körperliche Unversehrtheit oder Leben". Die Klage scheiterte vor Gericht.

1987 forderte EMMA im Rahmen der PorNO Kampagne erneut ein Anti-Porno-Gesetz, die hierdurch ausgelöste Anhörung in Bonn blieb ebenfalls folgenlos.

In Schwarzers Gesetzesentwurf zur Pornografie heißt es:

"Die Definition geht davon aus, daß der zentrale Sinn der Pornografie die Propagierung und Realisierung von Frauenerniedrigung und Frauenverachtung ist."

sowie:

"Pornographisch sind diejenigen Darstellungen zur sexuellen Anregung, die Frauen erniedrigen, sie in einer Ohnmachtsposition gegenüber Männern zeigen und zum Frauenhass oder gar Mord aufstacheln."[1]

Schwarzer äußerte sich 1988 zu dem Grundgedanken ihrer Forderung :

Es geht bei der Pornografie ganz zentral um die Schaffung eines entwürdigenden Frauenbilds. Natürlich gibt es auch betroffene Männer, zum Beispiel in der Homosexuellen-Pornografie, wo die schwächeren Männer sozusagen zu Frauen degradiert werden.

Das Thema der PorNO-Kampagne wird regelmäßig wieder in der Öffentlichkeit diskutiert, angeführt von ihrer Initiatorin. Alice Schwarzer kritisiert insbesondere die Vermischung von Sexualität mit Gewalt, da sie "die Frauen und die Sexualität kaputt" mache. Sie lehnt daher sadomasochistische Praktiken generell ab und bestreitet deren Legitimität. Ihre bekannteste Aussage in diesem Zusammenhang wurde erstmals in EMMA Heft 2, 1991 veröffentlicht:

" Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!"

[Bearbeiten] Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund

Die Entstehungsgeschichte der Kampagne lässt sich zumindest bis in die 1970er zurückverfolgen. Sie entstand im Umfeld einer bis heute andauernden Auseinandersetzung, die im angelsächsischen Raum unter der Bezeichnung Feminist Sex Wars bekannt ist. Dort wurde die Auseinandersetzung um die Legitimität pornografischer Materialien gerade innerhalb feministischer Gruppen erstmals sehr kontrovers ausgetragen. Insbesondere die anti-pornografische Feministinnengruppe "Women Against Violence in Pornography and the Media" (WAVPM) einerseits und die lesbisch-sadomasochistische Gruppe Samois mit ihren Nachfolgegruppen andererseits führten einen sehr intensiven Diskurs, der in den Argumenten beider Seiten die Diskussion um die PorNo-Kampagne in allen entscheidenden Aspekten vorwegnahm.

[Bearbeiten] Kritik zur Kampagne

Generell wird die ideengeschichtlich aus den 1960ern Jahren stammende Vorstellung, dass der Hauptzweck jeder Pornografie nicht die sexuelle Erregung des Betrachters, sondern die Unterdrückung der Frau sei, von Kritikern der Kampagne, unter anderem unter Hinweis auf homosexuelle Pornografie im Allgemeinen und lesbische BDSM-Pornographie im Besonderen in Frage gestellt. Dass auch der Mann zum Lustobjekt der Frau wird, werde von der PorNO-Kampagne verschwiegen. Gerade schwule Pornografie, aber auch solche mit lesbischen BDSM-Hintergrund, werfe die Frage auf, wer in ihr einem Machtmissbrauch ausgesetzt sei. Die Assoziation von Pornografie mit Begriffen wie Hass und Aufstachelung zum Mord müsse in Frage gestellt werden.

Einige Kritiker stellen dazu fest, dass die Verwendung des Begriffes Kollaboration eine nicht gegebene kriegsähnliche Situation zwischen den Geschlechtern impliziere und die Aussage die Lebenswirklichkeit und Bedürfnislage submissiver Frauen generell diskriminiere.

Kritisiert wird, dass die Existenz weiblich-dominanter Sadomasochisten durch die Thesen Schwarzers genauso wenig aufgegriffen und anerkannt würde wie der auch bei der Herstellung sadomasochistischer Materialien essentielle Grundsatz des Safe, Sane, Consensual.

Auch die enorme Bandbreite pornografischer Angebote, sowohl innerhalb heterosexuell orientierter, als auch homo- oder bisexueller Pornografie werde in der Kampagne generell als irrelevant angesehen bzw. nicht theoretisch beantwortet. Eine Einordnung nicht-heterosexueller Inhalte erfolge nicht. Gefordert wird eine differenziertere Analyse und Kritik pornografischer Darstellungsstrategien von ausgelebter Sexualität. Die US-amerikanische Vertreterin der Queer Theory, Gayle Rubin, konstatiert daher, dass feministische Kritik an Pornografie vom Typ der PorNO-Kampagne traditionelle normative Vorstellungen von Sexualität reproduziert, nach denen – gleich einem Dominoeffekt – jegliche Toleranz gegenüber mehr oder weniger von der Norm abweichenden Sexualitätsformen zu katastrophalen gesellschaftlichen Wirkungen führe.

Deutsche Kritiker stellen fest, dass Alice Schwarzer und die Publikation EMMA seit 1978 erhebliche Ressourcen in die PorNO-Kampagne investiert haben. Die Verbindung von Pornografie und Gewalt sei ein zentrales Element in dem Gedankengebäude Schwarzers und eine der wichtigsten externen Botschaften EMMAs geworden.

[Bearbeiten] Pornografie

Schwarzers Position, dass Pornografie Frauen generell erniedrige, wird von einigen Feministinen wie z. B. Andrea Dworkin und Catharine MacKinnon geteilt. Diese vertreten die Auffassung, dass die meiste Pornografie die Unterwerfung und Erniedrigung von Frauen fördere. Durch die Erniedrigung schaffe die Pornografie letztendlich sexuelle und kulturelle Rahmenbedingungen, welche die Ursache von Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch seien, indem sie Frauen zu beliebig verfügbaren Objekten einer männerdominierten Gesellschaft machten. Andere Feministinnen unterscheiden zwischen pornographischen Werken und Erotika, denen sie die negativen Aspekte der Pornografie nicht zuschreiben.

Auf der anderen Seite lehnen viele Feministinnen der dritten Welle und postmoderne Feministinnen diese Kritik gegenüber der Pornografie ab und vertreten die These, dass die Mitwirkung an der Produktion oder der Konsum von Pornografie durch Frauen eine bewusste individuelle Entscheidung der einzelnen Frau sei und gerade nicht durch eine Sozialisation in einem kapitalistischen Patriarchat hervorgerufen werde.

[Bearbeiten] Pornografie und Gewalt

Über dem Bestehen einer Korrelation zwischen Pornografie einerseits und dem Anstieg sexueller Verbrechen andererseits scheiden sich die Geister. Die die Korrelation Verneinenden führen Japan auf, ein Land, das für seine umfangreiche Vergewaltigungs-, BDSM- und Bondage-Pornografie bekannt ist, jedoch die niedrigste Verbrechensrate im Bereich sexueller Gewaltdelikte aller Industrienationen aufweist.[2]

Sie führen eine Untersuchung als Längsschnittstudie 1991 auf, die trotz Zunahme von Menge und Verfügbarkeit sadomasochistischer Pornographie im Zeitraum zwischen 1964 bis 1984 in Deutschland, Schweden, Dänemark und den USA ebenfalls keinen Zusammenhang mit der jeweiligen Vergewaltigungsrate findet. Die Vergewaltigungsrate in den europäischen Ländern blieb konstant.[3] Die gleiche Studie stellt fest, dass trotz der Legalisierung von Pornografie in Deutschland 1973 die Zahlen für Vergewaltigungen durch Fremde und Gruppenvergewaltigungen im Zeitraum zwischen 1971 bis 1987 konstant abnahmen. Diesem entsprechen auch die Ergebnisse der Studie für Dänemark und Schweden, sie stellt hierzu fest:

"Insgesamt gab es keine Steigerung der tatsächlichen Anzahl der in Westdeutschland verübten Vergewaltigungen in den Jahren, in denen Pornografie legalisiert und weit verfügbar wurde."[4]

Während zwischen 1964 und 1984 in Dänemark, Schweden und Deutschland die nichtsexuellen Gewaltverbrechen um ca. 300 Prozent zunahmen, ging trotz der leichteren Verfügbarkeit sexueller Materialien die Zahl der Sexualverbrechen eindeutig zurück.

Die aufgeführten Statistiken und Studien lassen einige Wissenschaftler darüber spekulieren, ob nicht sogar eine umgekehrte Korrelation der Wahrheit wesentlich näher kommen könnte, dass also die weite Verbreitung von pornografischem Material potenziellen Straftätern eine allgemein sozial akzeptierte Möglichkeit anbieten könnte, ihre eigene Sexualität zu steuern.

Befürworter der Korrelation zwischen Pornografie und Gewalt halten vor allem eine methodisch häufig kritisierte Veröffentlichung von W.L. Marshall zum Gebrauch sexuell expliziter Darstellungen bei Vergewaltigern entgegen, die Zusammenhänge zwischen Pornografie und Gewalt aufzeigt.[5]

[Bearbeiten] Zitate

  • "Terror strahlt aus vom Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck" aus: Andrea Dworkin, Pornographie. Männer beherrschen Frauen. Mit einem Vorwort von Alice Schwarzer. Frankfurt a.M., Fischer Taschenbuch, 1990
  • "Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!", Alice Schwarzer: EMMA Heft 2, 1991

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • PorNO Reihe: EMMA-Sonderband, Alice Schwarzer (Hrsg.), 1988, EMMA Frauenverlags GmbH, Köln
  • Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!, Alice Schwarzer, 1991, erschienen in: EMMA, Bd. 2, 1991,
  • PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz. Alice Schwarzer(Hrsg.), 1994, EMMA Frauenverlags GmbH, Köln
  • Coming to Power: Writings and Graphics on Lesbian S/M. Samois, 1983. Alyson Pubns, Boston. ISBN 0932870287
  • Defending Pornography: Free Speech, Sex, and the Fight for Women's Rights. Nadine Strossen, 2000, New York University Press. ISBN 0814781497
  • Gayle Rubin: Misguided, Dangerous and Wrong: an Analysis of Anti-Pornography Politics. in: Bad Girls and Dirty Pictures: The Challenge to Reclaim Feminism. Assiter Alison und Carol Avedon (Hrsg.), Boulder, Colorado, Pluto, 1993. 18-40. ISBN 0745305237
  • Wendy McElroy, A Woman's Right to Pornography. 1995, St. Martin's Press, New York. ISBN 0312136269
  • Nadine Strossen: Zur Verteidigung der Pornographie. Für die Freiheit des Wortes, Sex und die Rechte der Frauen, Haffmans Verlag, Zürich, 1997, ISBN 3251003801
  • Ellen Willis, Feminism, Moralism, and Pornography. , 1983. In: Ann Snitow, Christine Stansell, and Sharon Thompson (Hrsg.), Powers of Desire: The Politics of Sexuality, S. 460–467. New York (Monthly Review Press). ISBN 0853456097
  • Corinna Rückert: Frauenpornographie – Pornographie von Frauen für Frauen. Eine kulturwissenschaftliche Studie (Dissertation). Peter Lang (Europäischer Verlag der Wissenschaften). Frankfurt am Main, 2002. ISBN 3-6313-6630-2.
  • Corinna Rückert: Die neue Lust der Frauen. Vom entspannten Umgang mit der Pornographie. Rowohlt. Hamburg, 2004. ISBN 3-499-61686-6.
  • Henner Ertel: Erotika und Pornographie. Repräsentative Befragung und psychologische Langzeitstudie zu Konsum und Wirkung. München, 1990. ISBN 3-621-27107-4.
  • Bettina Bremme: Sexualität im Zerrspiegel. Die Debatte um Pornographie. Münster, 1990.
  • Henner Ertel: Erotika und Pornographie: repräsentative Befragung und psychophysiologische Langzeitstudie zu Konsum und Wirkung, Psychologie Verlag, Weinheim 1990, ISBN 3621271074
  • Classen, Brigitte (Hg.): Pornost. Triebkultur und Gewinn. Beiträge von Neda Bei, Claudia Gehrke, Elfriede Jelinek, Gertrud Koch, Ursula Krechel, Elisabeth Lenk, Ginka Steinwachs, Monika Treut, Kate Wood u.a., München, Raben-Verlag 1988.
  • Berl Kutschinsky: Pornographie und Sexualverbrechen. Das Beispiel Dänemark. Verlag Kiepenheuer&Witsch 1972.
  • Claudia Gehrke: Frauen und Pornografie. Konkursbuch-Verlag Claudia Gehrke 1988.
  • Art Levine: "Whip Me, Beat Me and While You're At It Cancel My N.O.W. Membership" , aus der Washington Monthly vom 1. Juni 1987.
  • Jean Roberta: "Erotica and the Feminist Sex Wars: A Personal Herstory" , Girlphoria.com, 1999.
  • Ann Ferguson, et al.: Forum: The Feminist Sexuality Debates, in Signs: Journal of Women in Culture and Society 10(1), 1984. (Eine Darstellung der entsprechenden amerikanischen Diskussion.)

[Bearbeiten] Quellen

  1. PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz. Schwarzer, Alice (Hrsg.), 1994, EMMA Frauenverlags GmbH, Köln) Das Titelbild des Bandes wurde durche eine Zeichnung von John Willie illustriert.
  2. Vgl. hierzu Milton Diamond und Ayako Uchiyama in "Pornography, Rape and Sex Crimes in Japan" (International Journal of Law and Psychiatry 22(1): 1-22. 1999) online unter "Pornography, Rape and Sex Crimes in Japan":

    Our findings regarding sex crimes, murder and assault are in keeping with what is also known about general crime rates in Japan regarding burglary, theft and such. Japan has the lowest number of reported rape cases and the highest percentage of arrests and convictions in reported cases of any developed nation. Indeed, Japan is known as one of the safest developed countries for women in the world (Clifford, 1980). (...)...: Despite the absence of evidence, the myth persists that an abundance of sexually explicit material invariably leads to an abundance of sexual activity and eventually rape (e.g., Liebert, Neale, & Davison, 1973). Indeed, the data we report and review suggest the opposite. Christensen (1990) argues that to prove that available pornography leads to sex crimes one must at least find a positive temporal correlation between the two. The absence of any positive correlation in our findings, and from results elsewhere, between an increase in available pornography and the incidence of rape or other sex crime, is prima facie evidence that no link exists. But objectivity requires that an additional question be asked: "Does pornography use and availability prevent or reduce sex crime?" Both questions lead to hypotheses that have, over prolonged periods, been tested in Denmark, Sweden, West Germany and now in Japan. Indeed, it appears from our data from Japan, as it was evident to Kutchinsky (1994), from research in Europe, that a large increase in available sexually explicit materials, over many years, has not been correlated with an increase in rape or other sexual crimes. Instead, in Japan a marked decrease in sexual crimes has occurred.

  3. Berl Kutchinsky, Pornography and Rape: Theory and Practice? in : International Journal of Law and Psychiatry, Bd.14, 1991, S. 47-66
  4. ebd."Overall there was no increase in the actual number of rapes committed in West Germany during the years when pornography was legalized and became widely available."
  5. W.L. Marshall, Ph.D., The Use of Sexually Explicit Stimuli by Rapists, Child Molesters, and Non-offenders, Journal of Sex Research, Vol.25, No.2, May 1988

[Bearbeiten] Weblinks

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