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Protonengradient - Wikipedia

Protonengradient

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Inhaltsverzeichnis


Ein Protonengradient ist ein Stoffgradient. Er liegt vor, wenn es in einem chemischen System unterschiedliche Protonen-, genauer hydratisierte H+-Ionen-Konzentrationen gibt. Da die H+-Konzentration als pH-Wert definiert ist, werden Protonengradient und pH-Gradient synonym gebraucht.

Jedem Konzentrationsgefälle entspricht ein Energiepotenzial ΔH. Beim Konzentrationsausgleich zwischen den Bereichen unterschiedlichen pH-Werts wird Energie frei (exotherme Reaktion). Umgekehrt erfordert der Aufbau eines pH-Gradienten einen Energieaufwand.

k1 + k2 <-> K - ΔH

(K1 und K2 = Bereiche unterschiedlicher Hydroniumionen-Konzentration und damit verschiedener pH-Werte, K = System mit ausgeglichener Konzentration, ΔH = frei werdende Energie, entsteht aus der Differenz der Lösungs-Enthalpien. Siehe Enthalpie)

[Bearbeiten] Die Rolle von pH-Gradienten beim zellulären Energiestoffwechsel

Aus dem Phospholipid Lecithin zusammengesetzte Membran, die durch einen Protonengradienten energetisiert ist.

pH-Gradienten treten in der Biologie an Membranen von Zellen und Zellorganellen (Mitochondrien und Chloroplasten) auf. pH-Gradienten an Membranen sind essentiell für den Energiestoffwechsel aller bekannter Organismen.

Diese Gradienten sind nicht statisch, sondern befinden sich in einem Fließgleichgewicht. Dabei werden Protonen aktiv gegen das Konzentrationsgefälle gepumpt (Protonenpumpe), während gleichzeitig das Potenzial des Gradienten energetisch genutzt wird. Der Gesamtprozess wird auch Protonenfluss genannt.

[Bearbeiten] Struktur einer Membran mit Protonengradient

Die Membranen sind prinzipiell undurchlässig für Wasser und H+-Ionen. Das resultiert aus ihrer molekularen Zusammensetzung. Sie bestehen aus Lipiden, die zum Inneren der Membran hin einen hydrophoben (wasserunlöslichen) "Schwanz" haben. Wegen ihrer Undurchlässigkeit können sie Bereiche mit unterschiedlichem pH-Wert voneinander isolieren.

An der Membran-Außenseite befindet sich ein hydrophiler "Kopf". Beispiele für solche Membran-Lipide sind Glycolipide und Phospholipide. Speziell die Phospholipide haben in ihrem hydrophilen "Kopf" saure und basische Molekülgruppen. Im neutralen Bereich sind sie amphoter, d. h. es treten positiv und negativ geladene Gruppen auf.

Bei Veränderungen des pH-Werts wirken diese Molekülgruppen als Puffer. Negativ geladene Phosphat-Gruppen können bei saurem pH-Wert "protoniert" werden und sind als Phosphorsäurereste nicht mehr negativ geladen. Im alkalischen Bereich können -NH3+-Gruppen in neutrale -NH2 Aminogruppen umgewandelt werden.

Befinden sich auf der Innen- und Außenseite einer solchen Membran Lösungen mit unterschiedlichem pH-Wert, trägt die Membran auf beiden Seiten unterschiedliche elektrische Ladungen. Ist das Medium auf der Außenseite der Membran sauer, ist die Membran dort positiv geladen. Ist das Medium an der Innenseite basisch, ist diese negativ geladen. Solche Membranen können im Prinzip wie ein elektrischer Kondensator Energie speichern. Ihr Energiegehalt wird als Membranpotential bezeichnet.

Das alles ist keineswegs nur eine theoretische Überlegung, sondern lässt sich quantitativ berechnen und nachmessen.

[Bearbeiten] Spannung und Energiegehalt eines Protonengradienten

Der Kraft des Protonengradienten ΔP an einer biologischen Membran setzt sich zusammen aus zwei Komponenten.

  1. Dem Konzentrationsunterschied an H+-Ionen ΔpH.
  2. Der Ladung der Membran ΔΨ:

ΔP = ΔΨ − Z × ΔpH
(Z = 2.3 R T / F. Letztere Formel besagt ungefähr: Protonengradient und der Membran-Ladung addieren sich temperaturabhängig, da sie ansonsten nur über eine Konstante, nämlich dem Quotionten aus Universeller Gaskonstante und Faraday-Konstante zusammen hängen.)

Der Zusammenhang zwischen dem Protonengradienten ΔP und der elektrochemischen Spannung ΔμH+ ist:

ΔP × F = −ΔμH+

Beispiel:

  • Wenn E. coli Bakterien bei einem pH-Wert von 6 wachsen und dabei im Zellinneren einen pH-Wert von 7,8 aufweisen, misst man an ihrer Membran eine elektrische Spannung von -95 mV. Nach letzterer Gleichung hat ihr Protonengradient, der für biologische Prozesse genutzt werden kann, dann insgesamt -200 mV. Dieser Wert ist enorm, zumal die isolierende Membran nur ca. 2 nm dick ist.

[Bearbeiten] Protonengradient und ATP-Synthese

Protonengradient und ATP-Synthese

Praktisch alle Vorgänge in Organismen erfordern ATP (Adenosintriphosphat). Diese Substanz stellt allen möglichen Stoffwechselvorgängen Energie in Form einer energiereichen Di-Phosphat-Bindung zur Verfügung. Dabei wird ATP meist in ADP (Adenosindiphosphat) und Phosphat gespalten.

Ohne ATP bricht jeder bekannte Stoffwechsel zusammen und der Organismus stirbt. Andererseits kann ATP nicht gespeichert werden und muss in den Zellen ständig aus ADP regeneriert werden. Im menschlichen Körper wird jedes ATP-Molekül pro Tag ca. 3000 mal aus ADP wieder gewonnen und verbraucht. Das dafür verwendete System basiert auf einem Protonengradienten in den Mitochondrien-membranen.

In den inneren Membranen dieser Zellorganellen befindet sich das Enzym, das aus ADP unter Energieverbrauch kontinuierlich ATP regeneriert. Es handelt sich dabei um die ATP-Synthase, die als Transmembranprotein einen Tunnel zwischen dem Inneren der Mitochondien und dem Raum zwischen innerer und äußerer Membran bildet. Die für die Produktion von ATP benötigte Energie erhält das Enzym aus dem pH-Gradienten, der zwischen der Innen- und Außenseite jener Membranen existiert. Beim Protonenfluss wird in dem Enzym eine Drehbewegung ausgelöst. Mittels dieser kinetischen Energie wird dann die endergonische (endotherme) Synthese von ATP durchgeführt.

Zur Aufrecht-Erhaltung des pH-Gradienten wird dabei der ständige Betrieb einer Protonenpumpe benötigt. Andernfalls bricht der Protonengradient zusammen, die ATP-Versorgung der Zelle bricht zusammen und sie "verhungert". In den Mitochondrien fungieren membrangebundene Enzyme der Atmungskette als Protonenpumpe.

[Bearbeiten] Protonengradient, Entkoppler und Thermogenese

Neugeborene und Winterschlaf haltende Säugetiere können im braunen Fettgewebe direkt Wärme aus dem Protonengradienten gewinnen. Dazu benutzen sie sogenannte Entkoppler, die den (geregelten) Einstrom von H+-Ionen ins Innere der Mitochondien ermöglichen, ohne ATP aus ADP zu generieren. Diesen Bypass ermöglichen UCP-Proteine (uncoupling proteins). Sie entkoppeln die NADH-Oxidation von der ATP-Synthese - daher der Name "Entkoppler".

Die Entdeckung der UCP-Proteine im braunen Fettgewebe hat inzwischen eine wirtschaftlichen Aspekt bekommen. Schwindelunternehmen bieten auch im Internet Wunderpräparate zur Fettverbrennung an, die angeblich auf dem Entkoppler-Prinzip beruhen. Um als Pillen funktionieren, müssten sie allerdings eine höchst gefährliche Manipulation an den Mitochondienmembranen vornehmen und deren Funktionsprinzip nachhaltig schädigen.

Aus der biochemischen Laborpraxis sind Entkoppler schon lange bekannt. Als die Atmungskette erforscht wurde, kam z.B. 2,4-Dinitrophenol (DNP) zur Anwendung. Wie andere chemische Entkoppler basiert die Funktion von DNP auf dem Zusammenbruch des pH-Gradienten. Die DNP-Moleküle lösen sich im lipohilen Inneren der Membran. An der Membran-Innenseite geben sie H+ ab, diffundieren an die Außenseite und nehmen dort wieder H+ auf.

[Bearbeiten] Protonengradient und Geißelbewegung

Auch die bakterielle Fortbewegung durch Geißeln (Flagellen) beruht - wie bei der ATP-Synthase - auf einer Protonen getriebenen Drehbewegung. Wie bei der ATP-Synthase funktioniert der Motor nicht nach dem Prinzip einer Turbine. Vielmehr bewirkt der Protonenfluss eine Kraft zwischen dem sich drehenden Rotor und Proteinen, die in der Zellwand fest verankert sind und als Stator fungieren. Im Gegensatz zur ATP-Synthase ist der molekulare Mechanismus des Geißel-Motors aber noch nicht im Detail aufgeklärt.

Der Antrieb der Geißeln erfolgt durch einen Basalkörper, der in der Zellwand verankert ist. Neben dem eigentlichen Motor gehören dazu noch ringförmige Proteine, die die Funktion eines Drehlagers erfüllen. Die Geißel selbst wird passiv bewegt, etwa wie bei einer Rührmaschine.

Die Effizienz dieser Maschine ist beachtlich. Der protonengetriebene, natürliche "Nanomotor" erreicht bei manchen Organismen 100.000 Umdrehungen pro Minute.

[Bearbeiten] Weiterlesen

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Bücher

  • Lehninger e.a.: Biochemie, Springer, Berlin (2005)
  • Gottschalk: Bacterial Metabolism, Springer, Berlin (1988)

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