Reibungskoeffizient
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Physikalische Bedeutung
Der Reibungskoeffizient oder auch Reibungszahl (Formelzeichen µ oder auch f, dimensionslos) ist ein Maß dafür, wie groß die Reibkräfte sind, die zwischen zwei Festkörpern wirken. Die Angabe eines Reibungskoeffizienten setzt voraus, dass die Art der Reibung als Coulombsche Reibung betrachtet wird, d.h. es gibt einen Wert für die Haftreibung (wenn keine Relativbewegung zwischen den Reibflächen besteht) und einen Wert für die Gleitreibung, wenn sich die Flächen relativ zueinander bewegen. Der Gleitreibungsbeiwert ist dabei unabhängig von der Gleitgeschwindigkeit und damit konstant. In der Praxis ist eine entsprechende Temperatur-, Geschwindigkeits- und Druckabhängigkeit zu erkennen, welche auf einen Einfluss der Oberflächenänderung und Beschaffenheit der niemals ideal ebenen Fläche hindeutet (aber nicht auf den Reibwert selbst) und damit die Materialeigenschaft scheinbar beeinflusst.
Gemessen wird der Reibungskoeffizient an polierten Oberflächen ohne mechanische Verzahnung. Ausschlaggebend sind die Adhäsions- und Kohäsionskräfte zwischen den Materialien. Es bilden sich je nach Material Van der Waals-Kräfte oder in polarisierten Werkstoffen Wasserstoffbrücken ähnliche Kräfte zwischen den Oberflächen. Am höchsten ist die Werkstoffhaftung bei ionischen Werkstoffen wie z.B. Kochsalz.
[Bearbeiten] Berechnung der Reibungskraft
Mit Hilfe des Reibungskoeffizienten lässt sich die maximale Haft- bzw. die Gleitreibungskraft zwischen einem Körper und einer Fläche berechnen.
- Haftreibung:
- maximale Haftreibung:
- Gleitreibung:
Dabei ist FR die Reibungskraft, µ bzw. µH der Reibungskoeffizient und FN die Normalkraft (Kraft senkrecht zur Fläche). Der Reibungskoeffizient bestimmt also, wie groß die Reibungskraft im Verhältnis zur Normalkraft ist; eine höhere Reibungszahl bedeutet eine größere Reibungskraft.
Überschreitet z.B. die Bremskraft eines Autos die maximale Haftreibungskraft, beginnen die Räder zu rutschen, so dass es keine Haftreibung mehr gibt, sondern eine Gleitreibung mit einem niedrigeren Reibungskoeffizienten. Aus der Formel lässt sich ersehen, dass ein höherer Haftreibungskoeffizient in diesem Beispiel eine höhere Maximalbremskraft ermöglicht. Ist die Haftung stärker, kann man also stärker bremsen, ohne dass die Räder blockieren bzw. das ABS anspringt. Die Haftreibungszahlen auf trockenem und nassem Asphalt und anderen Untergründen sind sehr unterschiedlich, aus diesem Grund blockieren die Räder unterschiedlich "schnell". Außerdem spielt natürlich das Material der Reifen selbst eine Rolle beim Ausfallen der Reibungszahl. Die Auflagefläche spielt hier (entgegen möglicher Vermutung) keine Rolle.
Um die Haftung zu erhöhen kann man als Weiteres auch die Normalkraft erhöhen, was sich wiederum aus der Formel erkennen lässt. Auf dem Ebenen entspricht die Normalkraft der Gewichtskraft; mit einem höheren Gewicht erreicht man hier also eine höhere Haftung (wobei es aber im Gefälle negative Auswirkungen hat). Im Motorsport ist eine hohe Masse des Kraftfahrzeugs unerwünscht, da man diese auch beschleunigen muss; hier wird die Normalkraft durch Spoiler erhöht, die den von vorne kommenden Wind zum Anpressen des Fahrzeugs an den Boden nutzen. Auf Rennstrecken werden oft Kurven angeschrägt, um die Haftfläche der resultierenden Kraft aus Gewichtskraft und Fliehkraft anzupassen; somit wird auch hier die Normalkraft erhöht, um eine höhere Haftung zu erzielen.
[Bearbeiten] Beispiele
Der Wert für µ kann beliebige Werte zwischen 0 und annehmen.
Stoff | Haftreibung | Gleitreibung |
---|---|---|
Stahl zu Stahl | 0,08-0,25 | 0,06-0,20 |
Aluminium zu Aluminium | 1,05 | 1,04 |
Nickel zu Nickel | 1,5 | 1,2 |
NaCl zu NaCl | 4,5 | 0,9 |
Gummi zu Asphalt (trocken) | 0,9 | 0,8 |
Ein Koeffizient von 1 entspricht einem Reibkegel von 45°.
Die Reibung von Reifengummi auf Asphalt wird zwar näherungsweise mit der Coulombschen Reibung beschrieben, bei genauerer Betrachtung handelt es sich jedoch nicht um diese Form der Reibung, da eine Verzahnung von Gummi und Fahrbahn eintritt. Die eingesetzte Gummimischung ist abhängig von der Belastung und damit der Temperaturentwicklung des Reifens. Reifen mit größerer Auflagefläche haben im allgemeinen weichere Gummimischungen mit höherem Reibkoeffizienten insbesondere im Gleitreibungsbereich, die z.B. kürzere Bremswege erlauben. Die Verzahnung ist abhängig von der Flächenpressung und der Oberflächengeometrie. Dieses kann bei sehr rauhen Oberflächen dazu führen, daß hochbelastete Systeme mit kleineren Auflageflächen einen höheren Reibkoeffizienten im Haftreibungsbereich aufbauen.
[Bearbeiten] Geometrische Interpretation
Man kann µ auch als Tangens des kleinsten Winkels φ betrachten, bei dem ein Körper auf einer geneigten Ebene nach unten rutschen würde. Es gilt µ = tan(φ).
Beispiel Auto: Der Tangens ist aus dem Alltag als Steigung von ansteigenden Straßen und Gefällen bekannt, die auf Verkehrsschildern angegeben wird (z.B. 12% = 0,12). Bei einem Haftreibungskoeffizienten von 1 kann man also Hänge von maximal 100% Steigung (45°) hinauffahren. Bei Glatteis oder schneebedeckter Straße wird die Haftreibungszahl sehr klein, so dass schon leichte Steigungen nicht überwunden werden können werden. Umgekehrt ist ein Abbremsen nicht mehr möglich, wenn man mit dem Auto ein Gefälle hinunterrutscht.
Reibkegel: Innerhalb des Reibkegels (Abbildung rechts) sind Systeme auch bei Belastung stabil (z.B. Leiter auf Untergrund) und werden als selbsthemmend bezeichnet, außerhalb des Reibkegels ist eine Verschiebung möglich. Relevante technische Systeme sind z.B. Schneckengetriebe, die in Abhängigkeit von Schraubensteigung, der Materialpaarung und der Schmierverhältnisse selbsthemmend oder beweglich sind.
[Bearbeiten] Häufige Irrtümer
Gelegentlich wird behauptet, dass µ < 1 gelten müsse. Dies trifft nicht zu. In obiger Tabelle sind Beispiele mit µ > 1 aufgeführt.
Oft wird für die Haftreibung die Formel FR= µ FN verwendet. Dies gilt jedoch nur im Grenzfall, also bei der maximal möglichen Belastung, bei welcher noch Ruhe möglich ist. Im allgemeinen Fall ergibt sich bei Haftreibung eine Un-Gleichung: FR ≤ µH FN