Absinth
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Absinth (auch: Absinthe, Wermutspirituose) ist ein alkoholisches Getränk aus (im historischen Standardrezept) Wermut, Anis, Fenchel und anderen Kräutern.
Der Alkoholgehalt liegt standardmäßig zwischen 45 und 72 Volumen-Prozent und liegt im oberen Bereich der Spirituosen. Aufgrund der Verwendung bitter schmeckender Kräuter, insbesondere von Wermut, gilt Absinth als Bitterspirituose, obwohl er selbst nicht notwendigerweise bitter schmeckt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhaltsstoffe
Außer Wermut (Artemisia absinthium) enthält Absinth noch Anis (oft teilweise ersetzt durch Sternanis), Fenchel, Ysop, Zitronenmelisse und pontischen Wermut (Artemisia pontica). Andere Rezeptvarianten weisen Angelika, Kalmus, Origanum dictamnus, Koriander, Ehrenpreis, Wacholder, Muskat, und verschiedene Bergkräuter auf.
Neben diesen Kräutern besteht Absinth hauptsächlich aus Alkohol; der Alkoholgehalt historischer Absinthe lag zwischen 45 % und etwa 72 %. In diesem Bereich liegen, mit wenigen Ausnahmen, auch die heute erhältlichen Absinthsorten.
Historisch belegt sind fünf Qualitätsgrade: Absinthe des essences, Absinthe ordinaire, Absinthe demi-fine, Absinthe fine und Absinthe Suisse (hier keine Herkunftsangabe), sortiert nach ansteigendem Alkoholgehalt und höherer Qualität. [1]
Die grüne Färbung, deretwegen Absinth auch "die grüne Fee" (französisch: la Fée Verte) genannt wird, kommt vom Chlorophyll der typischen Färbekräuter, wie pontischem Wermut, Ysop, Melisse und Minze. Verzichtet der Hersteller auf den komplexen Färbeprozess, spricht man von einem "La Blanche" bzw. einem "La Bleue".
Im 19. Jahrhundert wurden billige Absinthsorten auch mit Kupfer, Zink, Indigo oder anderen Farbstoffen verfälscht, um eine besonders grüne Färbung zu erhalten. Ebenso wurde Antimontrichlorid hinzugefügt, um den Louche-Effekt künstlich hervorzurufen. Diese Praktiken mögen dazu beigetragen haben, dass der Absinth zu Beginn des 20. Jahrhundert als ungesundes Getränk angesehen wurde.
[Bearbeiten] Herstellung
Bei der Herstellung werden Wermut und ein Teil der Zutaten (wie z. B. Anis und Fenchel) in Neutral- oder Weinalkohol mazeriert und anschließend destilliert. Die Destillation ist notwendig, um die starken Bitterstoffe des Wermuts abzutrennen. Diese sind weniger flüchtig als die Aromastoffe und bleiben bei der Destillation zurück. Andernfalls wäre das Ergebnis ungenießbar bitter. Eine unverhältnismäßige Bitterkeit ist daher ein Indiz dafür, dass bei der Produktion auf die Destillation ganz oder teilweise verzichtet wurde, und es sich dabei um minderwertigen bzw. unechten Absinth handelt.
Das Destillat kann danach mit den anderen Kräutern (wie z. B. pontischem Wermut und Ysop) eingefärbt werden. Die Färbung durch natürliche Kräuter, trägt durchaus zum geschmacklichen Gesamtbild des Endproduktes bei und stellt hohe Ansprüche an die handwerklichen Fertigkeiten des Herstellers. Einige Absinthe (zumeist minderwertige Sorten) werden heute mit Lebensmittelfarbe künstlich eingefärbt, was den Produktionsprozess drastisch vereinfacht, den Absinth aber auch wichtiger geschmacklicher Nuancen beraubt. Neben der "Grünen Fee" gibt es dann u. a. auch rot, schwarz oder blau eingefärbten Absinth, was jedoch nur ein Marketinggag ist.
[Bearbeiten] Geschichte
Wermuttee gab es schon in der Antike. Das Rezept für Absinth entstand jedoch erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der französischsprachigen Schweiz, im Val-de-Travers im Kanton Neuenburg (Neuchâtel). Ein Arzt namens Dr. Pierre Ordinaire kaufte es den Schwestern Henriod ab, die es dort im Jahre 1792 als Heilmittel verkauften. Bald darauf gelangte das Rezept in die Hände des Majors Dubied, dem Schwiegervater von Henri Louis Pernod. Zu dritt begannen sie in Couvet, Absinth zu produzieren - 16 Liter am Tag. Der größte Teil der Produktion wurde ins nahegelegene Frankreich exportiert. Um die umständlichen Zollformalitäten zu umgehen, zog Henri Louis Pernod im Jahre 1805 ins französische Pontarlier und gründete dort eine Absinth-Destillerie. In Folge entstanden in Frankreich und in der Schweiz zahlreiche Absinthbrennereien. Die Absinth-Produktion war für ein Jahrhundert ein bedeutendes Gewerbe.
Seine zum Teil geheimnisumwitterte Aura bezog der Absinth aus dem oben erwähnten Louche-Effekt, um den sich zahlreiche Trinkrituale bildeten. Traditionell wurde ein Stück Zucker auf einen Absinthlöffel gelegt. Ein Absinthlöffel ist ein Löffel mit vielen kleinen Löchern. Er ist 15 bis 20 Zentimeter lang, und es gibt ihn in vielen verschiedenen kunstvollen Formen und Varianten. Das Stück Zucker auf dem Löffel wurde dann langsam mit kaltem Wasser übergossen, bis es sich auflöste und in ein Glas mit Absinth floss. Rituale wie dieses und der damals günstige Preis haben dazu beigetragen, dass der Absinth zu einem der populärsten alkoholischen Getränke des 19. Jahrhunderts wurde.
Bereits um das Jahr 1850 wurden Sorgen über die Folgen chronischen Absinth-Konsums laut; dieser führe zu Absinthismus. Als Symptome galten Abhängigkeit, Übererregbarkeit und Halluzinationen. Man führte dies auf das Thujon zurück. Heute wird jedoch in der Forschung davon abgerückt und die Wirkung dem hohen Alkoholgehalt und der Verwendung von minderwertigem Alkohol zugeschrieben.
Ein spektakulärer Mordfall Anfang des 20. Jahrhunderts, bei dem ein Mann im Absinth-Rausch seine Familie tötete, führte dazu, dass Herstellung und Verkauf von thujonhaltigen Getränken in den meisten europäischen Ländern und den USA gesetzlich verboten wurden. Der Mörder war ein Alkoholiker, der neben seinem Absinth täglich auch mehrere Liter Weißwein trank, was aber bei der Verbotsdebatte (welche auch von den Weißweinproduzenten geführt wurde) meist unerwähnt blieb.
In der Schweiz wurde das Absinth-Verbot 1910 durch eine Volksinitiative im Jahre 1908 sogar in die Verfassung aufgenommen. Dieser Artikel wurde jedoch am 1. Januar 2000 aufgehoben und durch einen entsprechenden Eintrag im Lebensmittelgesetz ersetzt. Die Legalisierung des Absinth erfolgte am 1. März 2005, bis dahin waren Konsum und Herstellung von Absinth in der Schweiz stark eingeschränkt. Als Einzige hatte die Brennerei "Kübler", ein altehrwürdiges Familienunternehmen, die Erlaubnis, für den Schweizer Markt eine leichtere Absinth-Version mit 45% vol. zu brennen, welche "Extrait-d'Absinthe" genannt wurde. Im Gegensatz dazu ist jetzt eine andere Version, die "Véritable fée verte" mit 53% vol. Alkohol erhältlich. Im Geheimen wurde der Absinth jedoch durchgehend auch während des Verbots weiterhin hergestellt. Besonders im Schweizer Jura wurde das Verbot kaum beachtet. Seit der Legalisierung am 1. März 2005 haben sich bis heute mehr als zehn ehemalige Schwarzbrenner aus dem Val-de-Travers eine Brennlizenz besorgt, um so ihren Absinth legal verkaufen zu können.
Nicht verboten war die Absinth-Herstellung lediglich in den EU-Ländern Spanien und Portugal. Dies führte aufgrund einer EWG-Richtlinie zur Aufhebung des Absinth-Verbots in der gesamten Europäischen Union.
In den meisten EU-Ländern und in der Schweiz ist je nach Alkoholgehalt ein Thujon-Anteil von bis zu 35 mg/kg erlaubt.
[Bearbeiten] Berühmte Konsumenten
Neben vielen Künstlern, Schriftstellern und Halbweltsleuten gehörte auch ein Mann zu den Anhängern der Grünen Fee, der besondere Bekanntheit erlangte: Vincent van Gogh. Wann immer er es sich leisten konnte, trank er Absinth. Ein weiterer großer Anhänger war der Künstler und Alkoholiker Toulouse-Lautrec (1864-1901). Er hatte die Angewohnheit, seinen Absinth nicht mit Wasser, sondern mit Cognac zu verdünnen und ist an seinem hohen Alkoholkonsum gestorben. Zu diesem Thema malte er auch das bekannte Bild "Monsieur Boileau". In der Bohème von Paris, wo er lebte, war Absinth sehr beliebt. Außer ihm genossen noch die Künstler Picasso, Degas, Monet, Manet, Gauguin, Sisley, Pissarro, Rimbaud und Baudelaire den Geschmack der „Grünen Fee“. Auch der Schriftsteller Ernest Hemingway trank Absinth.
Édouard Manet: Absinthtrinker, 1859 |
Edgar Degas: Der Absinth, 1876 |
Viktor Oliva: Der Absinthtrinker, 1901 |
[Bearbeiten] Zubereitung
Absinth wird, wie andere Anis-Spirituosen (zum Beispiel Pastis, Raki oder Ouzo), selten pur getrunken, sondern mit kaltem Wasser oder Eiswasser verdünnt. Die klare grüne Flüssigkeit opakisiert dabei, d. h. sie trübt sich ein. Diese Reaktion wird Louche-Effekt genannt. Ursache des Effekts ist die schlechte Wasserlöslichkeit der im Absinth enthaltenen ätherischen Öle. Wegen des selbst unter Spirituosen sehr hohen Alkoholgehalts des Absinths ist es nicht zu empfehlen, ihn unverdünnt zu trinken, da es sonst u. a. zu Verletzungen an den Schleimhäuten kommen kann.
[Bearbeiten] Trinkrituale
Absinth kann auf verschiedenste Art getrunken werden. Jedoch haben sich aufgrund seiner Charakteristik, wie z. B. dem Louche-Effekt, dem hohen Alkoholgehalt und dem manchmal bitteren Geschmack, im Laufe der Zeit ganz spezielle Verfahren entwickelt, um den Genuss des Absinths noch zu steigern.
Dabei lassen sich vor allem drei Arten der Absinthzubereitung ausmachen: das französische Trinkritual, die Schweizer Trinkart und das Feuerritual.
Einzig das französische Ritual hat eine historisch belegte Tradition, Absinth wurde im 19. Jahrhundert bis hin zum Verbot (1915) in Frankreich auf diese Weise genossen. Die Schweizer Trinkart wird vor allem bei ungefärbten und milderen Absinthen angewendet, da hierbei die Zuckerzugabe mit Hilfe eines Absinthlöffels entfällt. Das Feuerritual ist historisch nicht mit dem Absinthkonsum verbunden und stellt eine neue Entwicklung im Zuge von Vermarktungsstrategien tschechischer Absinthhersteller dar. Es wird seitdem auch das tschechische Trinkritual genannt.
[Bearbeiten] Das französische Trinkritual
- Ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen.
- Ein oder zwei Stück Würfelzucker auf einen Absinthlöffel legen.
- Ganz langsam und vorsichtig frisches, kaltes, stilles Wasser über den Zucker gießen.
- Verdünnt wird, je nach Geschmack, im Verhältnis 1:3 bis 1:5, so dass man den Alkohol geschmacklich nicht mehr oder kaum noch spürt.
[Bearbeiten] Die Schweizer Trinkart
- Ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen.
- Langsam mit frischem, kaltem, stillem Wasser, je nach Geschmack, im Verhältnis 1:3 bis 1:5 auffüllen.
[Bearbeiten] Das tschechische Trinkritual
- Ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen.
- Ein oder zwei Stück Würfelzucker in den Absinth tauchen, auf einen Absinthlöffel legen und anzünden.
- Sobald das Zuckerstück Blasen zeigt und karamellisiert, die Flammen löschen und den Löffel in das mit Absinth gefüllte Glas tauchen. Auf keinen Fall dürfen noch brennende Zuckerstücke in den Absinth gegeben werden, da hierbei Brandgefahr besteht.
- Mit Eiswasser im Verhältnis 1:3 bis 1:5 mischen, auch hier entscheiden persönlicher Geschmack und die Stärke des Absinth.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Absinth Herstellungsarten von Tuivels Absinthe Haus abgerufen am 02.04.2006
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Deutsche Werke
- Michael Erdmann: Kochkultur mit Absinth. Klartext-Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-167-1 (mit 45 Rezepte vom Sternekoch Heiko Antoniewicz)
- Alexander Kupfer: Göttliche Gifte. Kleine Kulturgeschichte des Rausches seit dem Garten Eden. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-7466-8089-1 (Umfangreiches Kapitel über Absinth in der Literatur und Kunst)
- Helmut Werner: Absinth. Die grüne Wunderfee. Ullstein Verlag, München 2002, ISBN 3-548-36373-3.
[Bearbeiten] Englische Werke
- Phil Baker: The Dedalus Book of Absinthe (Dedalus concept books). Dedalus Books, Sawtry 2001, ISBN 1-87398-294-1
- Barnaby Conrad: Absinthe. History in a bottle. Chronicle Books, San Francisco 1997, ISBN 0-8118-1650-8
[Bearbeiten] Französische Werke
- Marie-Claude Delahaye: L'absinthe. Son histoire. Le Musée de l'Absinthe, Auvers-sur-Oise 2000, ISBN 2-9515316-2-1
- Marie-Claude Delahaye: L'absinthe. Muse des poètes. Le Musée de l'Absinthe, Auvers-sur-Oise 2000, ISBN 2-9515316-0-0
- Marie-Claude Delahaye, Benoît Noël: Absinthe. Muse des peintres. Editions de l'Amateur, Paris 1999, ISBN 2-85917-286-6
- Marie-Claude Delahaye: L'Absinthe. Les cuillères. Le Musée de l'Absinthe, Auvers-sur-Oise 2001, ISBN 2-9515316-1-6
- Benoît Noël: L'Absinthe. Un mythe toujours vert. Esprit frappeur, Paris 2000, ISBN 2-84405-094-8
- Benoît Noël: L'absinthe. Une fée franco-suisse. Edition Cabétia, Yens-sur-Morges 2001, ISBN 2-88295-313-5
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Allgemeine Informationen
- Absinth Forum, Informationen und Kaufberatung
- Testberichte fast aller erhältlichen Absinthe
- Degustationsberichte hochwertiger Absinthe, Absinthe Museum
- Merkmale hochwertiger Absinthe
- The Virtual Absinthe Museum (englisch)
- Video des französischen Absinthrituals auf Youtube.com
[Bearbeiten] Wissenschaftliche Informationen
- Joachim Emmert: Absinth Analytik mit GC/MS
- CVUA Karlsruhe: Absinth - eine Spirituose mit Vergangenheit und Zukunft aus analytischer und lebensmittelrechtlicher Sicht
- Annette Erb: Die grüne Fee, Seminararbeit
- Padosch, S.A., Lachenmeier, D.W., and Kroener, L.U. "Absinthism: A fictitious 19th century syndrome with present impact". Substance Abuse Treatment, Prevention, and Policy 2006, 1:14 englische Übersichtsarbeit, kostenloser Download (open access)
Dieser Artikel wurde in die Liste der Lesenswerten Artikel aufgenommen. |