Europäischer Wirtschaftsraum
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Der Europäische Wirtschaftsraum (Abk. EWR) erweitert den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft seit 1993 um die Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelszone (EFTA), also derzeit um die EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen, nicht aber die Schweiz.
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[Bearbeiten] Entstehung
Bereits bei der Gründung der EFTA 1960 war die Regelung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU, damals noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und den EFTA-Mitgliedstaaten eines der Ziele der Organisation. Nachdem 1973 die EFTA-Länder Großbritannien, Irland und Dänemark der Europäischen Gemeinschaft beitraten, entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen den EFTA-Staaten und der EWG. Eine erste wichtige Etappe wurde erreicht, als die EFTA-Staaten zwischen 1972 und 1977 individuell Freihandelsabkommen mit der EWG abschlossen.
Ab Mitte der 80er Jahre erhöhte sich der wirtschaftliche Integrationsgrad innerhalb der EU, insbesondere dank der Umsetzung des Binnenmarktprogramms (Realisierung der Vier Freiheiten: freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr). Um die möglichst weitgehende Teilnahme der sieben EFTA-Staaten am EU-Binnenmarkt zu ermöglichen, handelten die EFTA-Staaten und die EU 1992 das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aus. Außer der Schweiz haben alle EFTA-Staaten das EWR-Abkommen ratifiziert, das am 1. Januar 1994 in Kraft trat.
[Bearbeiten] Etappen
- 1992, 2. Mai: Unterzeichnung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) zwischen der EU und den EFTA-Staaten.
- 1994, 1. Januar: In-Kraft-Treten des EWR-Abkommens für Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Schweden.
- 1994, 17. März: Anpassungsprotokoll zum EWR-Abkommen, da die Schweiz das EWR-Abkommen nicht ratifiziert hatte.
- 1995, 1. Januar: Finnland, Österreich und Schweden werden Mitglieder der EU.
- 1995, 1. Mai: In-Kraft-Treten des EWR-Abkommens für Liechtenstein.
[Bearbeiten] Regelungen
Im EWR wurden die Zölle zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft und es gelten etwa 80 % der Binnenmarktvorschriften der EU. Jedoch handelt es sich nicht um eine Zollunion mit gemeinsamem Zolltarif. Ferner sind, anders als innerhalb der EU, Verbrauchsteuern bei der Einfuhr zu bezahlen. Dennoch ist der EWR aufgrund der Anwendbarkeit einer Vielzahl von Harmonisierungsvorschriften mehr als eine einfache Freihandelszone.
Für die EWR-Länder, die nicht Mitglied der EU sind, erfolgt die Überwachung des EWR-Abkommens und der abgeleiteten Vorschriften durch die EFTA-Überwachungsbehörde und den Gerichtshof der EFTA. Für die EU-Mitgliedstaaten sind die Europäische Kommission sowie der Europäische Gerichtshof zuständig. Das EWR-Abkommen wird regelmässig an die Entwicklung des relevanten EG-Rechts (sogenannter Acquis communautaire) angepasst.
[Bearbeiten] Schweiz und Liechtenstein
[Bearbeiten] EWR-Abkommen
Eine knappe Mehrheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger und eine deutliche Mehrheit der Kantone haben die Teilnahme der Schweiz in einem obligatorischen Referendum am 6. Dezember 1992 abgelehnt. In Liechtenstein wurde eine Woche später der Beitritt vom Volk genehmigt, nachdem der regierende Fürst sich für das EWR-Abkommen ausgesprochen hatte. Da Liechtenstein zum Schweizer Wirtschaftsraum gehört und mit der Schweiz eine Währungsunion eingegangen ist, wurde der Vertragstext hinsichtlich dieser Situation überarbeitet. Für die Schweiz wurde in §128 des Abkommens die jederzeitige Möglichkeit zum Beitritt in den EWR aufgenommen. Das „Anpassungsprotokoll zum EWR-Abkommen“ wurde am 9. April 1995 vom Liechtensteiner Volk genehmigt, und das Land trat dem Abkommen mit Wirkung vom 1. Mai 1995 bei.
Die Schweiz hatte als einziger EFTA-Staat das multilaterale EWR-Abkommen nicht ratifiziert und nimmt am EWR nicht teil. Sie genießt jedoch in den EWR-Gremien Beobachtungsstatus. Dies ermöglicht es den Eidgenossen, die Entwicklung des EWR- und des EG-Rechts aus der Nähe zu verfolgen.
[Bearbeiten] Bilateraler Weg
Nachdem vom Schweizer Volk weder das EWR-Abkommen noch ein EU-Beitritt befürwortet wurde, verfolgte die Schweizer Regierung auf bilateralem Weg ihr Ziel, das Land wirtschaftlich an den Vier Freiheiten des EWR teilhaben zu lassen. Anders als beim EWR-Abkommen gab es bei den bilaterialen Verhandlungen nur zwei Verhandlungspartner (EU-Kommission und Schweizer Regierung), was speziellere Regelungen für die Schweiz ermöglichte. Zwei Jahre nach dem EWR-Nein wurden Verhandlungen über bilaterale sektorielle Abkommen aufgenommen, 1999 wurden schließlich sieben Bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU unterzeichnet, die zum 1. Juni 2002 in Kraft traten.
[Bearbeiten] Gründerstaaten
Das EWR-Abkommen wurde im Mai 1992 zwischen den 12 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und den 7 Mitgliedstaaten der EFTA abgeschlossen.
Zur EU gehörten 1992:
- Belgien
- Dänemark
- Deutschland
- Frankreich
- Griechenland
- Irland
- Italien
- Luxemburg
- Niederlande
- Portugal
- Spanien
- Vereinigtes Königreich (Großbritannien und Nordirland)
Zur EFTA gehörten 1992:
Vertragstaaten des EWR-Abkommens sind heute 25 EU-Mitgliedstaaten einerseits und Norwegen, Island und Liechtenstein (die sog. EWR-EFTA-Staaten) anderseits.
[Bearbeiten] Weblinks
- EWR-Vertrag Wortlaut
- Anpassungsprotokoll zum EWR-Abkommen
- Schweizerische Europapolitik nach dem EWR-Nein
- EWR-Mitgliedschaft und Bindung zur Schweiz Zum Status von Liechtenstein
- EWR bei bundesregierung.de (der Text spricht vom „größten Binnenmarkt der Welt“, dazu s. Binnenmarkt)