Fly-by-Wire
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Kabelsteuerung oder Fly-by-Wire [ˌflaɪbaɪˈwaɪɹ] (engl. sinngemäß Fliegen per Kabel) ist eine Steuerungstechnik für Luftfahrzeuge.
Im Unterschied zur klassischen Steuerung, bei der die Steuerbewegungen des Piloten durch Stahlseile, Schubstangen oder Hydrauliksysteme an die Steuerflächen oder Rotoren übertragen werden, sitzen bei Fly-by-Wire Sensoren (z. B. Potentiometer) an den Steuerelementen (Steuerknüppel, Pedale, usw.).
Die Bewegungen des Piloten an den Steuerelementen (z. B. am Sidestick) werden in elektrische Signale umgewandelt, die dann von Servomotoren oder von mittels elektrischer Ventile angesteuerten Hydraulikzylindern wieder in Bewegungen der Steuerflächen umgesetzt werden. Dies ist notwendig, da bei großen oder schnellen Luftfahrzeugen die durch den Piloten aufzubringende Kraft zum Bewegen der Steuerflächen unzumutbar groß bzw. aufwendige Kraftübersetzungen unwirtschaftlich wären.
Der wesentliche Unterschied von Fly-by-Wire im Gegensatz zu servounterstützen Systemen (wie z. B. der Servolenkung im Auto) ist die vollständige mechanische Entkopplung von Steuerelement (Steuerknüppel) und Stellmotor. Die Steuersignale werden rein elektrisch übertragen. Die Entwicklung entsprechender Systeme begann Ende der 1950er, als man durch Servoaktoren eine Möglichkeit sah, die aufwendigen und schwierig zu wartenden Stangen, Seilzugsysteme und Hydrauliken durch leichtere elektrische Systeme zu ersetzen. Die Pionierarbeit dazu wurde bei Raketensystemen geleistet, die durchweg elektrische Lenksysteme aufwiesen. 1972 konnte die NASA auf Basis des Bordrechners der Mondfähre des Apolloprogramms ein digitales Fly-by-wire System vorstellen.
Eine Erweiterung des Fly-by-Wire-Konzeptes besteht darin, die Steuersignale vor Ausführung durch einen Flugkontroll-Computer laufen zu lassen, der sie beispielsweise auf Plausibilität überprüfen kann und die Einhaltung gewisser Grenzwerte überwacht, damit die Maschine nicht abstürzt oder auseinanderbricht (durch zu starke positive oder negative G-Kräfte). Darüber hinaus ermöglicht das Fly-by-Wire eine automatische und damit sehr viel schnellere Reaktion auf Flugbahn- und Fluglageänderungen, wie sie beispielsweise durch Turbulenzen hervorgerufen werden.
Moderne Militärjets sind primär auf hohe Manövrierfähigkeit bzw. Tarneigenschaft ausgelegt. Das damit einhergehende aerodynamischen Verhalten ist für den Piloten schwer oder überhaupt nicht zu kontrollieren, weshalb solche Jets grundsätzlich eine dynamische Flugsteuerung und damit Fly-by-Wire benötigen. Die amerikanische F-16 "Fighting Falcon" hat ohne aktivierten Fluglagecomputer beispielsweise die Tendenz, mit sehr hohem Anstellwinkel in Rückenlage zu fliegen, der Eurofighter würde mit ebenso hohem Anstellwinkel nach oben ziehen. Einem menschlichen Piloten wäre es nicht möglich, das Flugzeug zu beherrschen.
Bei Hubschraubern dienen Fly-by-Wire in Zusammenarbeit mit dem Flugcomputer zur Entlastung des Piloten, indem sie z. B. automatisch das Hauptrotor-Drehmoment ausgleichen oder die Höhe/Schwebeposition halten. Das erste Verkehrsflugzeug mit einer Fly-by-Wire-Steuerung war die Concorde, die allerdings nur in geringer Stückzahl hergestellt wurde. Das erste in hoher Stückzahl hergestellte Verkehrsflugzeug mit Fly-by-Wire-Steuerung ist der Airbus A320.
Inzwischen sind alle modernen Verkehrsflugzeuge mit Fly-by-Wire ausgestattet. Das erstmals im Airbus A320 eingesetzte Airbus-System enthält die so genannte "Alpha Protection". Der Flugkontroll-Computer gibt dabei einen Rahmen fest vor (Anstellwinkel, Neigung ..), in dem das Flugzeug bewegt werden kann. Sinn des Systems ist, gefährliche Fluglagen zu verbieten. Das Boeing System der Boeing 777 dagegen verbietet dies nicht. Für sehr lange Flugzeuge, wie den Airbus A340-600, wird in Abhängigkeit von Temperatur, Luftdruck und Geschwindigkeit sichergestellt, dass das Heck beim Starten und Landen nicht den Boden berührt.
Bei dem Airbus Fly-by-Wire System wird zudem mit dem Sidestick (Steuerknüppel) nicht eine Änderung der Steuerflächenposition bewirkt, sondern eine Fluglagenänderung. Das heißt, dass das System automatisch die Steuerflächen so ausrichtet (und auch kontinuierlich korrigiert), dass die gewünschte – mit dem Sidestick gewählte – Fluglage eingehalten wird. Sehr nützlich dabei ist, dass dies das erneute Trimmen ersetzt, wenn z.B. Klappen gesetzt werden oder das Fahrwerk ausgefahren wird.
Die mechanische Entkoppelung von Steuerelementen und Rudern macht für den Fall eines Abfallens des Hydraulikdrucks, z. B. durch Ausfallen aller Triebwerke (Treibstoffmangel), allerdings ein Notfallsystem erforderlich. Dies kann durch eine RAT (ausklappbare Luftschraube) realisiert werden.
Fly-by-Wire ist anfällig gegen elektromagnetische Störeinflüsse, daher müssen vor allem die Datenübertragungskabel aufwendig abgeschirmt werden. Vor allem das Militär drängt auf die Einführung einer sichereren Übertragungstechnik. Diese könnte mit "Fly-by-Light", also mit der elektromagnetischen unempfindlichen LWL-Technik, zur Verfügung stehen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- http://wwwagse.informatik.uni-kl.de/teaching/seminar/ss1998/A320/A320_X31.html - Betrachtungen über die Sicherheit von Fly-by-Wire-Systemen