Kantate
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Die Kantate (lat. cantare, singen) bezeichnet in der Musik eine Formenfamilie von mehrsätzigen Werken für Gesangsstimmen und Instrumentalbegleitung. Rezitative, Arien, Ariosi, Chorsätze, Choräle und instrumentale Vor- und Zwischenspiele können sich in beliebiger Anzahl abwechseln. Ihre größte Bedeutung erlangte die Kantate in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es gibt geistliche und auch weltliche Kantaten.
Die deutsche Kirchenkantate entstand für den lutherischen Gottesdienst, wo sie dem Evangelium folgte oder - bei zweiteiligen Werken - die Predigt umrahmte[1]. Sie wurde als Wortverkündigung durch Musik verstanden, in zweiter Linie auch als Lobopfer. Daher war die möglichst eindringliche Textdeklamation bestimmend für ihre Entwicklung (siehe Geschichte).
Eine typische Kirchenkantate aus der Zeit J. S. Bachs besteht aus:
- Instrumentalvorspiel (optional)
- Eingangschor
- Einer frei kombinierbaren Abfolge von Rezitativen, Arien, Ariosi und Chorälen
- Schlusschoral
Als Textgrundlage dienten Bibeltexte bzw. Paraphrasen über diese sowie freie zeitgenössische Dichtung.
Eine besondere Form ist die Choralkantate, der der Text und in der Regel auch die Melodie eines Chorals zugrunde liegt. In der Regel ist hier der Anteil der Chorsätze größer als bei anderen Kantaten. Den Extremfall stellt die "Per-omnes-versus"-Kantate dar, in der alle Strophen eines Chorals in den verschiedenen Sätzen verarbeitet werden.
Ebenfalls wichtig war die Solo-Kantate für nur eine Singstimme und Begleitung durch Continuo oder Orchester. Diese Form kam auch im weltlichen Bereich häufig vor.
Größere Formen wie Passionen und Oratorien sind prinzipiell gesehen nur besonders lange, vielsätzige Kantaten.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Frühbarock
Als unerhörte und im kirchlichem Bereich zunächst umstrittene Neuerung galt die begleitete Monodie des Frühbarock. Im 17. Jahrhundert bildete sich auf dieser Grundlage das Geistliche Konzert heraus, das auch (der Motetten-Tradition der Renaissance folgend) mehrteilig sein und verschieden besetzte Abschnitte aufweisen konnte. Die mehr textorienterten und formal freieren Ausprägungen der Monodie entwickelten sich zum Rezitativ, die gesanglich-lyrischen zur Arie. Die für die Kantaten kennzeichnende Satzfolge aus voneinander abgesetzten Einzelstücken entwickelte sich besonders deutlich in den Werken des Komponisten Wolfgang Carl Briegel und verbreitete sich bald im gesamten mitteldeutschen Raum.
[Bearbeiten] Barock
Zu den wichtigsten Kantaten-Komponisten des Barock zählen Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach (siehe Bach-Kantaten) und Georg Philipp Telemann (siehe Telemann-Kantaten), die Kantaten vorwiegend, aber nicht ausschließlich für den kirchlichen Gebrauch komponierten.
[Bearbeiten] Klassik und Romantik
Nach einem Schattendasein in der Wiener Klassik wurde die Kantate in der Musik der Romantik vereinzelt neu aufgegriffen, so von Felix Mendelssohn Bartholdy ("Lobgesang") und anderen Komponisten der Epoche. Die Verbindung der Sinfonie mit Elementen der Kantate seit Beethovens 9. Sinfonie führte zur Entwicklung der Sinfoniekantate.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurden noch einige Versuche gemacht, die Kantate in weniger aufwändiger Form für den kirchlichen Gebrauch weiterzupflegen, die jedoch angesichts des gewaltigen historischen Erbes ein Randdasein führten. Wesentlich für die Entwicklung der Gattung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die große Kantate von Franz Schmidt: Deutsche Auferstehung, ein festliches Lied für Soli, Chor, Orgel und Orchester (Text von Oskar Dietrich; komp.: 1938-39, unvollendet, fertiggestellt von Dr. Robert Wagner; Urauff: Wien, 1940), die also mitten im Zweiten Weltkrieg erstmals erklang.
Zu erwähnen ist weiter das geistliche Kantatenschaffen von Johannes Driessler ("Denn Dein Licht kommt", op. 4, (1947); "Die Segnung der Freude", op. 36, 2 und andere Kantaten z.B. über die Offenbarung Johanni), der nach dem zweiten Weltkrieg der Gattung neue Impulse vermittelte. Mit expressiver Tonsprache arbeitet der Schweizer Willy Burkhard in seiner Kantate Die Sintflut - Kantate nach dem Bericht aus dem 1. Buch Mose (1954/1955), die als a capella-Werk höchste Anforderungen an das Leistungsvermögen des gemischten Chores stellt. Mehr Sanglichkeit, aber nicht weniger ausdrucksstark sind auch die kirchlichen Kantaten von Paul Ernst Ruppel und Rolf Schweizer, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstanden.
[Bearbeiten] 21. Jahrhundert
Im 21. Jahrhundert wurden neue Akzente in der Gattung Kantate im kirchenmusikalischen Raum gesetzt. Hans Georg Bertram schuf eine "Weihnachtskantate" (2001), eine "Vaterunserkantate" (2002/2003) und eine "Adventskantate" (2004), bei dem Texte und geistliche Musik eine neue Synthese eingehen. Gleiches gilt für Helmut Barbe, der 2005 eine Kantate "Von den Engeln" (Altsolo, Chor, Streicher, Schlagzeug und Akkordeon) schuf. Die Entwicklung der Gattung steht nicht still.
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ "Bekanntlich hat die Kirchenkantate ihren festen Platz im sonn- und festtäglichen Hauptgottesdienst, dem Amt, nach der Verlesung des Evangeliums und vor dem Gesang des Lutherschen Glaubensliedes Wir glauben all an einen Gott. War die Kantate zweiteilig, so wurde der zweite Teil nach Beendigung des Kanzeldienstes oder zur Austeilung des Abendmahls musiziert" (Alfred Dürr, Die Kantaten von Johann Sebastian Bach, Kassel usw. 1971, S. 36f.).