Kasparow-Gambit
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Kasparow-Gambit ist eine nach Garri Kasparow benannte Eröffnungsvariante der Sizilianischen Verteidigung, die er bei seinem Weltmeisterschaftskampf 1985 gegen Anatoli Karpow in die Großmeisterpraxis einführte. Sie war zwar schon 1965 in einer Partie zwischen den ungarischen Spielern Károly Honfi und Péter Dely einmal gespielt worden, dann aber in Vergessenheit geraten. Kasparow kannte die Vorgängerpartie anscheinend nicht und fand den Zug bei seinen Vorbereitungen für den WM-Kampf.
Es startet mit den Eröffnungszügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sb5 d6 6.c4 Sf6 7.S1c3 a6 8.Sa3, und nun spielte Kasparow statt des gut bekannten 8. ... Le7 völlig überraschend 8. ... d5!? Dieser Zug wurde als Sensation angesehen, denn es war unüblich, in einem so frühen Partiestadium in einer bekannten Stellung ein neues Gambit zu finden - und das während einer Weltmeisterschaft. Der österreichische Großmeister Stefan Kindermann schrieb darüber: Gäbe es einen Nobelpreis im Schach, er müßte Kasparows Neuerung zuerkannt werden.
9.cxd5 exd5 10.exd5 Sb4 Für den Bauern will Schwarz Angriff auf die unterentwickelte weiße Stellung erreichen.
In der Stammpartie, der 12. des Wettkampfes, spielte Karpow nun auf das Halten des Bauern: 11. Lc4 (Honfi spielte 11. Da4+ Ld7 12. Db3, die Partie endete Remis im 94. Zug), doch nach 11. ... Lg4 12. Le2 Lxe2 13. Dxe2+ De7 14. Le3 Sbxd5 einigte man sich bald auf Remis.
In der 16. Partie wollte Karpow das Gambit nach häuslicher Vorbereitung unbedingt widerlegen, doch der Schuss ging nach hinten los: 11.Le2 Der Sinn des Zuges: Weiß stellt Schwarz vor die Wahl, entweder auf d5 zurückzunehmen, wonach Weiß mit Lf3 zur "Massage" der schwarzen Stellung übergehen kann, oder Weiß behält den Bauern. Auf das nun folgende war Karpow nicht vorbereitet: 11. ... Lc5 Schwarz nimmt den Fehdehandschuh auf, schert sich nicht um den Bauern und spielt auf Entwicklungsvorsprung. 12.0-0 0-0 13.Lf3 Wenn Weiß den Bauern nicht hält, hat er keinen Vorteil bei gut entwickelter schwarzer Stellung. Doch nach 13...Lf5 14.Lg5 Te8 15.Dd2 b5 16.Tad1 Sd3! wurde Karpow von seinem Gegner regelrecht zerquetscht. Für den Weltmeisterschaftskampf war das eine Vorentscheidung. Kasparow erhielt dafür auch den Preis für die beste Partie in Band 40 des Schachinformators.
Erst nach der WM konnte Karpow die Widerlegung des Gambits anwenden, die er in einer Partie gegen den niederländischen Meister John van der Wiel in die Praxis einführte (1986 in Brüssel): 11. Le2 Lc5 12. Le3!! Lxe3 13. Da4+ Sd7 14. Dxb4 Lc5 15. De4+ Kf8 mit klarem Vorteil für Weiß. Die Partie endete aber nach 63 Zügen mit einem Remis.
Karpow sagte nach dem Match, dass der starke Zug 12. Le3 seinem Sekundanten Igor Saizew während des WM-Kampfes bereits bekannt gewesen wäre, er aber vergessen hätte, ihn Karpow zu zeigen. Er hätte die Neuerung schließlich Monate später gegen van der Wiel gespielt, weil er wusste, dass Kasparow gegen ihn diese Variante nicht mehr wiederholen würde. Kasparow selbst hat direkt nach dem Match geäußert, dass er die Variante jederzeit wieder spielen könnte.[1]
Die Widerlegung des Gambits, für die Karpow den Preis des Schachinformators für die beste theoretische Neuerung in Band 41 erhielt, zwang Schwarz in künftigen Partien, den Bauern d5 im 11. Zug zurückzuschlagen, wonach Weiß leichten Vorteil behält. Aus diesem Grunde ist das Kasparow-Gambit in der heutigen Turnierpraxis nicht mehr populär. Es hat jedoch Kasparow zum Titel verholfen und damit die Schachgeschichte verändert.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ New In Chess 1/1987, S. 51
[Bearbeiten] Literatur
- András Adorján: Quo vadis Garry. Dreier, Mannheim 1990. S. 133 - 142