Klassische Moderne (Architektur)
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Als Klassische Moderne fasst man verschiedene Stile der modernen Architektur der 20er - 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zusammen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Prinzipien
[Bearbeiten] Allgemeine ästhetische und architektonische Grundsätze
Die technische, damals neue, Grundlage für die Architektur der Klassischen Moderne ist die Verwendung der Baumaterialien Spannbeton, Stahl und Glas.
Die ästhetischen Prinzipien der Klassischen Moderne sind als Reaktion auf die historisierenden Neo-Stile zu verstehen.
Das Programm der umfangreichen Architekturtheorie lässt sich (verkürzt) in drei pointierten Leitsätzen zusammenfassen: Form follows function (Louis Sullivan), Less is more (Ludwig Mies van der Rohe) und den schon 1908 von Adolf Loos hergestellten Zusammenhang zwischen Ornament und Verbrechen. Zum einen soll sich die Gestaltung also von der architektonischen Funktion ableiten. Dies äußert sich häufig in der Sichtbarkeit des Bauskeletts eines Gebäudes und der Versorgungsleitungen. Zum anderen ist die Ausgestaltung oft von asketischer Schlichtheit.
[Bearbeiten] Organische Stilistik
Die strenge Formgebung führt gelegentlich zu dem Missverständnis, die Klassische Moderne ließe sich auf strikte Orthogonalität reduzieren. Dies gilt zwar z. B. für die Architekten von de Stijl, andere entwickelten dagegen gerade eine Vorliebe für geschwungene Formen und nutzten dabei die damals neuen Möglichkeiten des Betonbaus. Der expressionistische Stil Erich Mendelsohns ist durchaus der Klassischen Moderne zuzurechnen und verzichtet weitgehend auf die Verwendung des rechten Winkels, wie auch Frank Lloyd Wright und später die Vertreter des Organischen Bauens (z. B. Hans Scharoun) oder der Brasilianer Oscar Niemeyer.
[Bearbeiten] Die Rolle von Ornament und Dekoration
Auf die Sentenz vom Ornament als Verbrechen geht ein zweites Vorurteil zurück. Die Annahme, die Klassische Moderne lehne jede Form von Schönheit grundsätzlich ab, trifft nicht zu. Vielmehr sehen die Vertreter der Klassischen Moderne, die Schönheit in der Form des Gebäudes und im Wesen der Materialien an sich. Schönheit wird im Zusammenhang mit klassischer Dekoration dagegen streng negiert. Was nur existiert um "schön zu sein" und zu dekorieren ist im Bild der klassischen Moderne funktionslos und somit wertlos.
[Bearbeiten] Ästhetische Gegensätze
Obwohl die Architektur der Klassischen Moderne auf bestimmten gemeinsamen Prinzipien basiert, ist sie doch kein klar definierter Stil im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Epoche. Die Haltung zum Rechten Winkel bzw. zur geschwungenen Form bestimmt z.B. unterschiedliche ästhetische Positionen. Auch die Verwendung von vorwiegend Glas und Stahl oder aber von Beton kann zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. So war das erklärte Ziel für Mies van der Rohe der Totale Raum: drinnen und draußen sollten ineinander übergehen. Dies erreichte er z.B. bei der Berliner Neuen Nationalgalerie durch den völligen Verzicht auf tragende Wände. Stattdessen ist der Raum ausschließlich von Glas begrenzt. Eine andere Tendenz, insbesondere im Brutalismus, setzt dagegen auf massiven Beton - wodurch natürlich eine völlig andere Wirkung erzielt wird.
Die Städtebaulichen Leitbilder waren 1933 in der Charta von Athen festgehalten worden und beinhalteten nicht nur die Ablehnung der dichten gründerzeitlichen Stadt, sondern einen radikalen Bruch mit allen städtebaulichen Traditionen. Wesentliche Elemente waren die Entflechtung der städtischen Funktionen, eine offene Bebauung und die autogerechte Stadt.
[Bearbeiten] Kritik und Gegenpositionen
Die Architektur der Klassischen Moderne wird häufig als "seelenlos" kritisiert. Neben der abstrakten Formgebung einzelner Gebäude hat wohl die Stadtplanung maßgeblich zu diesem Ruf beigetragen.
Die Architektur der 50er und 60er Jahre scheiterte dabei auch an einem Dilemma der Bauaufgaben, die aus der starken Zerstörung der Städte im Zweiten Weltkrieg resultierten: Sie musste eine Lösung auf die Wohnungsnot bieten und in den Innenstädten im großen Stil Lücken in einer gewachsenen Umgebung wieder schließen. Beide Aufgaben konnte sie nur durch serielle Massenbauweise erfüllen. Das war durchaus im Sinne der auf Reproduzierbarkeit und universelle Formensprache setzenden Architektur. Andererseits wurde sie gerade durch die massenhafte Wiederholung als monoton und uniform wahrgenommen. Am Bau von Satellitenstädten oder Trabantenstädten waren dabei auch Protagonisten der Klassischen Moderne beteiligt, wie Walter Gropius mit der Gropiusstadt in Berlin oder Alvar Aalto in Neue Vahr, Bremen, und es ist nicht zu bestreiten, dass auch die Sozialistische Stadt mit ihrer Plattenbauweise in der Tradition der Klassischen Moderne steht.
Als Gegenentwurf entwickelte sich in den 80er Jahren die dekorative postmoderne Architektur und auch die historisierende Architektur der Gegenwart (z. B. das geplante Stadtschloss, die Alte Kommandantur oder das Hotel Adlon in Berlin) sind noch als direkte Antwort auf die Klassische Moderne und die Architektur in ihrer Tradition zu verstehen.
[Bearbeiten] Strömungen innerhalb der Klassischen Moderne
Neues Bauen | Bauhaus | De Stijl | Neue Sachlichkeit | Brutalismus | Internationaler Stil | Organisches Bauen | Funktionalismus | Konstruktivismus
[Bearbeiten] Wichtige Architekten
Erich Mendelsohn (1887-1953) | Frank Lloyd Wright (1867-1959) | Le Corbusier, (1887-1965) | Gerrit Rietveld (1888-1964) | Walter Gropius (1883-1969) | Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) | Egon Eiermann (1904-1970) | Hans Scharoun (1893-1972) | Alvar Aalto (1898-1976) | Oscar Niemeyer (*1907)
[Bearbeiten] Bedeutende Gebäude
Einsteinturm, Potsdam (Erich Mendelsohn, 1920-1921) | Rietveld-Schröder-Haus, Utrecht (Gerrit Rietveld, 1923/24) | Bauhaus Dessau (Walter Gropius, 1925-1926) | Glaspaleis, Heerlen (Frits Peutz, 1935) | Falling Water House, Bear Run, Pennsylvania (Frank Lloyd Wright, 1935) | Wohneinheit (Le Corbusier), (zuerst Marseille 1947) | UNO-Hauptquartier, New York (1949-1951) | Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut (Le Corbusier, 1950-1955) | Guggenheim Museum, New York (Frank Lloyd Wright, 1956) | Neue Nationalgalerie, Berlin (Ludwig Mies van der Rohe, 1965-1968) | Finlandia-Halle, Helsinki (Alvar Aalto, 1962–1971) | Sydney Opera House (Jørn Utzon, 1959-1973)
[Bearbeiten] Städtebauliche Projekte
Weißenhofsiedlung Stuttgart (1927) | Internationale Bauausstellung im Hansaviertel Berlin (1957) | Planhauptstadt Brasília, Oscar Niemeyer (1956-1960)
[Bearbeiten] Architekturtheoretiker der Klassischen Moderne
Adolf Loos: Ornament und Verbrechen (1908) | Le Corbusier: Urbanisme (1925; deutsch: Städtebau); Vers une architecture (1923; deutsch: Ausblick auf eine Architektur) | Adolf Behne: Der moderne Zweckbau (1926)
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
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