Phänomenologie des Geistes
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Die Phänomenologie des Geistes ist das 1807 veröffentlichte erste Hauptwerk des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Es stellt den Ersten Theil seines Systems der Wissenschaften dar. Der „Phänomenologie“ sollte sich die Darstellung der „Realen Wissenschaften" anschließen - die „Philosophie der Natur“ und die des „Geistes“.
Hegel entwickelt in dieser Wissenschaft von den Erscheinungsweisen des Geistes das Emporsteigen des Geistes von der einfachen, naiven Wahrnehmung über das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die Vernunft, Geist und Geschichte, die Offenbarung bis hin zum absoluten Wissen des Weltgeistes. Dabei untersucht er das Werden der Wissenschaft als Einheit von Inhalt und Methode sowie die Erscheinungen des Geistes als Verwirklichung unseres Selbst, als Einheit von Sein und Nichts ebenso wie als absolute Ganzheit. Ort der Wahrheit ist dabei der Begriff im wissenschaftlichen System und nicht die Anschauung. Die Erkenntnis der Wahrheit liegt in der Einsicht, dass die Gegensätzlichkeit von Subjekt und Objekt dialektisch auf einem höheren Niveau aufgehoben wird, da das eine nicht ohne das andere existiert, beide also eine Einheit bilden.
Die Phänomenologie des Geistes setzt sich sowohl mit erkenntnistheoretischen, als auch mit ethischen als auch mit geschichtsphilosophischen Grundfragen auseinander. Von besonderer Bedeutung ist die Rezeption des Kapitels über das Selbstbewusstsein, das die dialektische Betrachtung von Herrschaft und Knechtschaft enthält und ein wesentlicher Ausgangspunkt für Marx Beschäftigung mit der Analyse der Klassenverhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft war.
1812 veröffentlichte er die Wissenschaft der Logik, die sich in der Vorrede auf die Phänomenologie bezieht. In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (zuerst 1817 erschienen) arbeitete er viele ihrer Fragestellungen in die „Wissenschaft des Geistes“ ein.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhaltlicher Überblick
Einen Überblick bietet das Inhaltsverzeichnis. Bereits die erste Auflage hatte zwei Inhaltsgliederungen, ursprünglich I-VII sowie später von Hegel hinzugefügt A-C,DD.
- Vorrede
Das Programm der Phänomenologie wird dargestellt.
- Einleitung
Was heißt Erkennen?
- I. Die sinnliche Gewißheit; oder das Diese und das Meinen / (A.) Bewusstsein
- II. Die Wahrnehmung; oder das Ding, und die Täuschung / (A.) Bewusstsein
- III. Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt / (A.) Bewusstsein
Bewusstsein: Seine Stufen sind sinnliche Gewissheit, Wahrnehmung und Verstand.
- IV. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst / (B.) Selbstbewusstsein
Das Selbstbewusstsein macht die Erfahrung von Selbständigkeit und Unselbständigkeit, trägt den Konflikt von Herr und Knecht aus und erlangt ein erstes Gefühl von Freiheit. Das unglückliche Bewusstsein der römischen Kaiserzeit, das in das Christentum mündet, ist die Vorstufe der Vernunft.
- V. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft / (C.) (AA.) Vernunft
Über die Naturbeobachtung gelangt sie zu ersten Formen der Selbsterkenntnis, verwirklicht ihr Selbstbewusstsein und bildet Individualität heraus.
- VI. Der Geist / (BB.) Der Geist
In Sittlichkeit und Recht geht er über das Individuum hinaus. In seiner entfremdeten Form ist er Bildung und Aufklärung und entartet zum Guillotinen-Regime. Er erblüht in der Moral.
- VII. Die Religion / (CC.) Die Religion
Der Mensch bindet sich an den Geist, der die Dynamik des Weltganzen trägt. Er sucht diesen Geist in der Natur, erlebt ihn in der Kunst und lebt ihn in der christlichen Gemeinde.
- VIII. Das absolute Wissen / (DD.) Das absolute Wissen
Das absolute Wissen vollendet das Christentum.
[Bearbeiten] Aus der Vorrede
Die Vorrede zur Phänomenologie des Geistes ist nicht nur von großem Umfang, sondern auch inhaltlich vielschichtig. Daher sollen hier nur zentrale Gedanken dargestellt werden.
Nach etwa einem Drittel der Vorrede kommt Hegel auf den Titel des Buches zu sprechen:
-
- "Dies Werden der Wissenschaft überhaupt, oder des Wissens, ist es, was diese Phänomenolgie des Geistes darstellt." (S. 26, nach Ullstein, s. Literaturverzeichnis unten)
Mit "Wissenschaft überhaupt" meint Hegel die philosophische Wissenschaft, die dem "Geist" angemessen ist. Dieser Geist ist die Grundlage in Hegels metaphysischem System. Von der "Phänomenologie" ist weiter die Rede, was man wörtlich als "Lehre von den Erscheinungen" übersetzen kann. Aus obiger Definition kann geschlossen werden:
- Hegels Werk soll eine Wissenschaft des Wissens begründen.
- Dieses Wissen ist ein Werdendes, etwas Veränderliches.
- Das Veränderliche hat eine treibende Kraft, die sich in allen ihren Zuständen erhält: den Geist.
- Der Geist erscheint, das heißt er präsentiert sich den Menschen in einer nachzuvollziehenden, fasslichen Weise.
[Bearbeiten] Bewusstsein, Selbstbewusstsein
Ausgangspunkt der Phänomenologie des Geistes ist die Transzendentalphilosophie Kants, in der die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis im Zusammenwirken von Anschauung, Verstand und Selbstbewusstsein (Synthetische Einheit der Apperzeption) untersucht wird. Hegel will nunmehr das Selbstbewusstsein nicht als von Kant lediglich Vorgegebenes betrachtet sehen, sondern seinen geschichtlichen Prozess des Werdens nachvollziehen, um hierbei den Nachweis zu führen, wie Bewusstsein zum Bewusstsein seiner selbst voranschreitet, um sich in dieser rückbezüglichen Selbstüberschreitung als Geist zu realisieren.
Der Mensch offenbart in seinem Denken nicht nur die Logik des Seins, sondern auch sein Ichsein.
Das elementarste Bewusstsein der Daseinserkenntnis ist die "sinnliche Gewissheit". Durch die "Begierde" erscheinen dem Subjekt die Dinge als äußere von ihm abgespaltene Wirklichkeit. Als aktiv tätiges Selbst negiert der Mensch durch sein Handeln das Dasein, und mit der Verwandlung des Daseins verändert er sich selbst. Mit diesem Nichts, der Negation in sich, ist er ein Werdender in Zeit und Geschichte. Mit der animalischen Begierde entwickelt er lediglich ein körperliches Selbstgefühl, erst insoweit sich seine Begierde nicht bloß auf einen vorgegeben konsumierbaren Gegenstand, sondern auf ein Nichtseiendes bezieht, transzendiert sein Dasein zum Selbstbewusstsein, das sich von der Befangenheit im Dasein befreien kann und zu Autonomie und Freiheit gelangt.
[Bearbeiten] Herrschaft und Knechtschaft
In der Vielzahl der Begierden, die sich gegenseitig ausschließen können, kommt der Mensch in Konflikt mit seinen Mitmenschen. Im Kampf um Anerkennung gerät der Unterlegene gegenüber dem Sieger in ein Abhängigkeitsverhältnis, das ihn in die Knechtschaft führt. Durch die Arbeit des Knechts gewinnt der Herr die Freiheit über die Natur. Doch die Arbeit des Knechts bringt eine Steigerung des Denkens, Technik, Wissenschaft und Kunst hervor und einen Fortschritt hin zu einer Idee der Freiheit, die den Knecht auf revolutionäre Art von der Abhängigkeit zu seinem Gebieter befreien kann.
Die Geschichte ist ein Prozess der Arbeit und des Kampfes um Anerkennung, eine Geschichte der Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft, die in eine Synthese von Herrschaft und Knechtschaft mündet.
[Bearbeiten] Absolutes Wissen
Das "absolute Wissen" offenbart sich am Ende in der Gesamtschau der Weltgeschichte, in der sich folgerichtig klärt, wie und warum sich dieses Wissen offenbarte. Die Totalität des Wissens ist eine "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften".
"Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, das es wesentlich Resultat, dass es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist;" (Hegel, Werke 3, Frankfurt a.M., 1970, S. 24)
[Bearbeiten] Standpunkt des Idealismus
Hegels Phänomenologie des Geistes ist vom Standpunkt des Idealismus vorgezeichnet, wie er bereits in Fichtes Denken zum Ausdruck kommt, indem dort alles Wissen auf die spontane Selbstgewissheit des absolut gesetzten Ichs (dem Selbstbewusstsein) zurückzuführen ist. Danach ist alle Gewissheit über die Welt im Absoluten unseres Selbstbewusstseins angelegt, sie ist die erste Ursache und der absolute Grund der Welt.
Nach Hegel sind Wahrnehmung und Empfindung in ein sprachlich formuliertes Allgemeines, also auf allgemeine Begriffe zu bringen, nur insoweit ist ihre Erfassung möglich; und hier erfahren sie ihre dialektische Bewegung. In dem von Hegel im gleichnamigen Oberkapitel als "Vernunft" Bezeichneten wird schließlich das Denken mit dem Sein identifiziert. "Die Vernunft ist die Gewissheit des Bewusstseins, alle Realität zu sein: so spricht der Idealismus ihren Begriff aus." (Hegel, Werke 3, a.a.O. Seite 179)
Als "Geist" wird die "absolute Identität" zum moralischen Selbstbewusstsein. In der christlichen Religion schließlich wird auch die "Menschwerdung des göttlichen Wesens" in ein Allgemeines gedeutet: als Offenbarung der Einheit des menschlichen Selbstbewusstseins mit dem Göttlichen.
[Bearbeiten] Selbstanzeige Hegels zur Phänomenologie des Geistes
Auszug aus dem Intelligenzblatt der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 28. Oktober 1807:
- "Dieser Band stellt das werdende Wissen dar. Die Phänomenologie des Geistes soll an die Stelle der psychologischen Erklärungen oder auch der abstrakten Erörterungen über die Begründung des Wissens treten. Sie betrachtet die Vorbereitung zur Wissenschaft aus einem Gesichtspunkte, wodurch sie eine neue, interessante, und die erste Wissenschaft der Philosophie ist. Sie faßt die verschiedenen Gestalten des Geistes als Stationen des Weges in sich, durch welchen er reines Wissen oder absoluter Geist wird. Es wird daher in den Hauptabteilungen dieser Wissenschaft, die wieder in mehrere zerfallen, das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein, die beobachtende und handelnde Vernunft, der Geist selbst, als sittlicher, gebildeter und moralischer Geist, und endlich als religiöser in seinen unterschiedlichen Formen betrachtet. Der dem ersten Blick sich als Chaos darbietende Reichtum der Erscheinungen des Geistes ist in eine wissenschaftliche Ordnung gebracht, welche sich nach ihrer Notwendigkeit darstellt, in der die unvollkommenen sich auflösen und in höhere übergehen, welche ihre nächste Wahrheit sind. Die letzte Wahrheit finden sie zunächst in der Religion und dann in der Wissenschaft, also dem Resultate des Ganzen.
- In der Vorrede erklärt sich der Verfasser über das, was ihm Bedürfnis der Philosophie auf ihrem jetzigen Standpunkte zu sein scheint; ferner über die Anmaßung und den Unfug der philosophischen Formeln, der gegenwärtig die Philosophie herabwürdigt, und über das, worauf es überhaupt bei ihr und ihrem Studium ankommt.
- Der zweite Band wird das System der Logik als spekulativer Philosophie und der zwei übrigen Teile der Philosophie, die Wissenschaften der Natur und des Geistes enthalten."
[Bearbeiten] Ausgaben
- (1807): Erstausgabe. Bamberg/Würzburg: Verlag Joseph Anton Goebhardt (System der Wissenschaft. Erster Theil, die Phänomenologie des Geistes)
- (1832, 2. Auflage 1841): Werke, Bd. 2. Hg. vom Verein der Freunde des Verewigten
- (1907, 2. Auflage 1920, 3. 1928, 4. 1937, 5. 1949, 6. 1952): Philosophische Bibliothek, Bd. 114. Hg. von G. Lasson, ab 4. Auflage hg. von J. Hoffmeister, Leipzig, ab 6. Auflage Hamburg: Felix Meiner
- (1970): Theorie Werkausgabe, Bd. 3. Hg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt/M.: Suhrkamp (heute als stw603, ISBN 3-518-28203-4)
- (1970, 2. Auflage 1973): Mit einem Nachwort von Georg Lukács sowie ausgewählte Texte und Kommentar zur Rezeptionsgeschichte v. Gerhard Göhler, Frankfurt/M.: Ullstein Nr. 35505. ISBN 3-548-35055-0
- (1980): Gesammelte Werke (historisch-kritische Ausgabe), Bd. 9. Hg. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Hamburg: Felix Meiner
- (1988): Philosophische Bibliothek, Bd. 414. Hamburg: Felix Meiner, ISBN 3-7873-0769-9
[Bearbeiten] Literatur
- Ralf Ludwig: Hegel für Anfänger - Phänomenologie des Geistes. Eine Lese-Einführung. 4. Aufl. Dtv, München 2003, ISBN 3-423-30125-2
- Hans Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hrsg.): Materialien zu Hegels "Phänomenologie des Geistes". Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-27609-3
- Andreas Arndt (Hrsg.): Phänomenologie des Geistes. XXIII. Internationaler Hegel-Kongress 2000 in Zagreb. 2 Bde. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003613-3, ISBN 3-05-003712-1
- F.P. Hansen:G.W.F.Hegel: Phänomenologie des Geistes. Ein einführender Kommentar. Paderborn 1994, ISBN 3-8252-1826-0
[Bearbeiten] Weblinks
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