Unterm Rad
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Unterm Rad ist eine Erzählung von Hermann Hesse, die 1906 erschien. In Unterm Rad wird das Schicksal eines begabten, aber von zuviel fordernden Lehrern zugrunde gerichteten Jugendlichen erzählt.
Inhaltsverzeichnis |
Inhalt
Hans Giebenrath wird vom Rektor seiner Schule und von seinem Vater von Gleichaltrigen ferngehalten, da diese jeglichen „schlechten“, also kindlichen Einfluss auf den Jungen, verhindern möchten. Er wird sogar in den Ferien zum Lernen gezwungen, da er auf das Landexamen gehen soll. Seine Verbundenheit zur Natur wird immer wieder betont, der Erzähler beschreibt sehr detailliert die Natur und Hans' Gefühle dazu. Schließlich besteht Hans als Zweiter das Landexamen, welches ihm erlaubt, eine Klosterschule zu besuchen. Dort schließt er mit dem überschwänglichen, zum Künstler veranlagten Hermann Heilner Freundschaft. Seine anfängliche Empörung über Heilner, der sich nichts aus der Schule macht und den Lehrern ein Gräuel ist, da er zu intelligent und zu rebellisch ist, wandelt sich in Bewunderung. Hans' Anschluss an Heilner hat zur Folge, dass er bei den Lehrern selbst auch in Misskredit gerät. Seine Leistungen werden immer schlechter - auch, weil er mit seinen jungen Jahren wegen des zu hohen Druckes bereits völlig ausgebrannt ist und sich „müde“ fühlt.
Nach einem Fluchtversuch wird Hermann von der Schule gewiesen und Hans, der einen Zusammenbruch erleidet, begibt sich in den „Urlaub“ nach Hause, wobei aber den Lehrern genauso klar ist wie ihm, dass er das Internat nun für immer verlassen hat. Hans verbringt einige untätige Wochen zu Hause, seine „Müdigkeit“ steigt und er hegt Selbstmordgedanken. Zu alledem kommt die Liebe zu einem etwas älteren Mädchen, doch als Hans von diesem verlassen wird, bleibt er völlig gebrochen zurück. Schließlich beginnt er eine Lehre bei einem Schlossermeister und wird von früheren Klassenkameraden verhöhnt. Nachdem er sich mit einigen Gesellen betrunken hat, ertrinkt er im Fluss, an dessen Ufer er so viele glückliche Stunden zugebracht hat. Dabei bleibt ungesagt, ob es sich um einen Selbstmord oder um einen Unfall handelt. Allerdings lässt sich die entsprechende Passage („Niemand wußte auch, wie er ins Wasser geraten sei.“) als ironische Phrase lesen, welche die Ignoranz der Erwachsenenwelt kritisiert.
Unfall oder Selbstmord?
Das Buch gibt in dieser Art nur undeutliche Hinweise, dass Hans sich selbst dem Tod übergeben hat. Dann hätten viele Personen zu seinem Tod beigetragen: die Schulmeister, die ihn immer wieder lernen ließen, sein Vater und schließlich der Gnadenstoß durch Emma (seine kurze Liebe); einzig Flaig zeigt Verständnis, während die Schulmeister heucheln: „Aus dem hätte etwas werden können, traurig, traurig.“ Dies ist wahrscheinlich auch die Idee des Buches: die Schulmeister und der Vater von Hans sehen den Problemen von Hans nur aus ihrem eigenen Blickwinkel zu und denken nicht daran, dass Hans auch selbst in seinem eigenen Leben etwas entschliessen möchte. Sie wollen nur eigenen Profit haben. Und dies kann auch ein Grund für den Selbstmord von Hans sein.
Autobiografischer Hintergrund
Der Autor Hermann Hesse lässt einen autobiografischen Hintergrund erkennen. Er verarbeitet mit diesem Werk seine Zeit im Evangelischen Seminar Maulbronn. Er benutzt beispielsweise Arbeitszimmernamen, die noch heute in Gebrauch sind. Hermann Hesse zeigt sich auch in diesem Buch in den beiden Charakteren Hans und Heilner wieder. Auch er floh und wurde eingefangen und auch er war künstlerisch veranlagt und hatte eine homosexuelle Phase, so wie Heilner. In Hans sind jedoch nur seine damaligen Gefühle gespiegelt. Er hatte Selbstmordgedanken und wurde durch diesen Aufschrieb geheilt. Sein Bruder Hans beging jedoch Selbstmord.
Die Charaktere
Hans Giebenrath
Hans Giebenrath ist die Hauptperson des Werkes und hat zu Teilen eine autobiografische Seite von Hesse erhalten. So lässt sich das Internat Maulbronn auch mit dem Leben Hesses verbinden. Hans ist der beste Schüler seines Dorfes und wie alle meinen zu Höherem bestimmt. Sein gesamter Tagesablauf besteht nur aus Lernen und alle anderen betrachten ihn als die Hoffnung des Städtchens, wobei sie ihn immer mehr instrumentalisieren. Seinen Wünschen und Hobbys kann Hans schon lange nicht mehr nachgehen. Gelegentlich findet er zwar Zeit zum Angeln und entspannen, doch dies bleibt die große Ausnahme. Von allen als lerneifrig eingestuft, bringt er es bis zum Landesexamen in Stuttgart, wo er einen überzeugenden zweiten Platz erreicht. Danach beginnt seine Zeit in Maulbronn. Auch hier sticht er als guter Schüler aus der Menge. Doch die Freude darüber hält sich in Grenzen, da er zunehmend vereinsamt und sich von allen im Stich gelassen fühlt. Von diesem Zeitpunkt an beginnt eine lange Leidenszeit mit vielen Tiefen in Hans' Leben, ohne Freunde und Freude. Dies führt schließlich bis zum Ende seines Lebens, welches mit dem Ertrinken im Bach seinen Schluss findet. Ob Selbstmordgedanken oder zu hoher Alkoholgenuss diese Tat ausgelöst haben, wird nicht geklärt, jedoch lässt sich darauf schließen, dass er Selbstmord begeht, nachdem er sich Mut angetrunken hat. Am Ende sagt Schuster Flaig, einer der besten, am Ende sogar der einzige Freund, dass Hans durch alle Menschen, die ihn fördern wollten, ins Unglück geraten sei.
Der Vater
Man kann ihn nicht als liebenden Vater bezeichnen. Er verbietet ihm das Angeln und alles, was es symbolisiert. Nach Hans' Tod zeigt er keine Einsicht, wie alle anderen (Lehrer, Rektor, Stadtpfarrer) denkt er an einen Unfall.
Der Schuhmacher Flaig
Er ist ein strenggläubiger Mann. Er meint sogar, der Pfarrer glaube nicht an Gott, sondern stelle die Wissenschaften höher. Wenn Hans je so etwas wie einen Schutzengel hatte, dann ihn. Er und der Stadtpfarrer führen einen stillen Krieg gegeneinander. Meister Flaig deutet den Tod Hanses als einziger richtig. Und er zeigt auf die wahren Mörder von Hans: nicht der Alkohol, sondern die Lehrer, die Schule und der barbarische Ehrgeiz eines Vaters waren es, die Hans´ Kindheit, seine Freiheit und letztendlich sein Leben stahlen.
Der Stadtpfarrer
Auch der Stadtpfarrer gehört zu denen, die Hans zum Lernen anhalten und ihm wenig Freizeit gönnen; selbst in den sieben Wochen der Ferien lernt Hans weiter, weil der Stadtpfarrer meint, dass es am Internat schwer für ihn werden könnte.
Hermann Heilner
Heilner ist ein Träumer und Dichter. Durch seine Freundschaft zu Hans ändert Hans seine Einstellung zur Schule. Da die Lehrer Heilner nicht mögen, weil er die Schule zu leicht nimmt, flieht er schließlich aus Maulbronn. Der Kontakt zu Hans bricht ab, da die Lehrer ihn verbieten. Er ist eine der Hauptfiguren in dem Buch und der Umgang mit Heilner macht Hans klar, dass er nicht so weiterleben kann. Hermann Heilner und Hans Giebenrath verkörpern verschiedene charakterliche Seiten des Autors. „Hermann und Hans“ - das ist „HH“, wie „Hermann Hesse“. Hesse wollte mit diesem Buch auch seine Kindheit darstellen.
Die Symbole / Interpretation
Das Rad
Räder tauchen im Buch immer wieder auf. So baut Hans Giebenrath in seiner Kindheit Wasserräder, die ihm aber wieder genommen werden, da sie von den Erwachsenen für kindlichen Unfug gehalten werden, der ihn vom Lernen abhält. Der Rector spricht zu Hans und benutzt die Worte. „Nur nicht matt werden, sonst kommt man unters Rad.“ Dies ist eine Lüge denn Hans kommt später unters Rad, weil er nicht matt wird! Als Hans Emma kennenlernt fühlt er sich wie eine „vom Wagenrad gestreifte Wegschnecke“ Während seiner Lehre als Mechaniker muss Hans an Zahnrädern arbeiten - auch hier, so wie im ganzen Buch, symbolisiert das Rad etwas Negatives, Bedrückendes.
Der Druck der von den ihn umgebenden Menschen und der Gesellschaft ausgeübt wird, führt schließlich auch zu seinem Tod.
Literatur
- Hermann Hesse: Unterm Rad, Suhrkamp, ISBN 3518365525
- Hermann Hesse: Unterm Rad, Süddeutsche Zeitung Bibliothek, Band 46, ISBN 3-937793-17-8
- Maria-Felicitas Herforth: Erläuterungen zu Hermann Hesse, Unterm Rad, Hollfeld: Bange, 2002, 87 S., ISBN 3-8044-1754-X