Zielkostenrechnung
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Die Zielkostenrechnung (auch retrograde Kalkulation oder engl. Target Costing) ist ein Instrument des Controlling und hat sich als strategische Entscheidungshilfe auf wettbewerbsintensiven Märkten bewährt. Anwendung findet sie vor allem bei der Entwicklung neuer Produkte. Das Target Costing versucht, eine Kundenorientierung hinsichtlich des Preises zu verwirklichen. Das Konzept wurde in der japanischen Wirtschaft in den 1970er Jahren begründet und erfuhr besonders in den 90ern eine breite theoretische Fundierung auch in der westlichen Betriebswirtschaftslehre.
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[Bearbeiten] Herkunft
Die Grundidee der Zielkostenrechnung kann bis in die Dreissigerjahre zurückverfolgt werden. Theoretisch wurde das Konzept erstmalig unter dem Begriff Target Costing in den 70´er Jahren von den japanischen Wissenschaftlern Michiharu Sakurai, Toshiro Hiromoto und Masayasu Tanaka thematisiert. Einer der ersten deutschen Betriebswirte, der sich mit diesem Thema beschäftigt hat, war Prof. Horváth und am eingehendsten wohl Prof. Seidenschwarz.
[Bearbeiten] Grundkonzept
- Die Zielkostenrechnung beantwortet die Frage „Was darf ein Produkt kosten?“ anhand einer retrogradenKalkulation. Sie unterscheidet sich dadurch vom traditionellen Kostenmanagement welches die "Kosten-Plus-Rechnung" (engl. cost-plus), also Kosten + Gewinnzuschlag = Angebotspreis, gemäß der Fragestellung "Was wird ein Produkt kosten?" anwendet.
- Um retrograd kalkulieren zu können, steht am Anfang des Prozesses meist eine Marktforschungsmaßnahme, welche einen "wettbewerbsfähigen Marktpreis" (engl. Target Price) und Produktpräferenzen der potenziellen Kunden ermittelt.
- Diesem Kunden- oder Zielpreis wird die angepeilte Gewinnmarge (eng. Target Profit) abgezogen. Daraus ergeben sich die maximal erlaubten Kosten (engl. Allowable Costs) zur Erreichung des Zielgewinns. Diese "erlaubten Kosten" werden den im Unternehmen ermittelten prognostizierten Standardkosten (engl. Drifting Costs) gegenübergestellt. Da die Standardkosten eines Unternehmens in der Regel höher sind als die "erlaubten Kosten", werden Zielkosten festgelegt, die im gemeinschaftlichen Prozess mit Hilfe von anderen betriebswirtschaftlichen Instrumenten erreicht werden sollen.
- Dabei ist der Erfolgsgarant dieses Systems, dass bereits zu Beginn der Produktentwicklungsphase für die Mitarbeiter bindende Kostenvorgaben mit steuerndem Charakter vorliegen, die dort maßgeblich beeinflusst werden können. Außerdem wird über die Ermittlung der Präferenzen eine Gewichtung der Kosten gegenüber der Wichtigkeit der verschiedenen Produkteigenschaften vorgenommen und somit ermittelt, ob eine Produktkomponente oder Produktfunktion überentwickelt ist oder noch Wertsteigerungsbedarf besteht. (Zu diesem komplizierten Thema bitte das Anwendungsbeispiel betrachten).
[Bearbeiten] Phasen des Target Costing
In der betriebswirtschaftlichen Literatur gibt es mehrere Ansätze zur Unterteilung der Phasen des Prozesses der Zielkostenrechnung. Als Anschauungsbeispiel dient der dreistufige-Ansatz (Zielkostenfestlegung, –spaltung und –erreichung).
[Bearbeiten] Zielkostenfestlegungsphase
Zweck der Zielkostenfestlegung ist es, die Gesamtkosten eines Produktes festzusetzen, die im Unternehmen verursacht werden dürfen. Dabei hängt die Festlegung der Höhe der Zielkosten von der Marktsituation und der Unternehmensstrategie ab. In der Reinform und in der einschlägigen Literatur wird empfohlen, die Zielkosten gleich den erlaubten Kosten zu setzen, also den Markt in das Unternehmen zu ziehen (Market into company). Dieses Verfahren wird aber lt. eingehenden empirischen Überprüfungen weder in der deutschen noch in der japanischen Wirtschaft am häufigsten verwendet. Die anderen Ansätze finden aus mehreren Gründen eine Anwendung in der Praxis. Bspw. ist das Market into company-Verfahren schlecht bei hochgradigen Produktinnovationen anzuwenden, da die Kunden oft den Nutzen des Produktes nicht in monetären Größen ausdrücken können. Weit häufiger ist der Fall, dass die anderen Ansätze gewählt werden, weil die Vorgaben des Market into company wenig Spielraum für die am Entwicklungsprozess beteiligten Entwickler lässt. So werden durch die anderen Verfahren Zielkosten festgelegt, die zwischen den Standardkosten und den erlaubten Kosten liegen. Dadurch ist eine Kostenreduktion auf Seiten der Entwicklung bei realistischen Zielen sichergestellt.
Weitere Verfahren:
- Der Out-of-Company-Ansatz ermittelt die Zielkosten anhand der technischen und betriebswirtschaftlichen Potenziale des Unternehmens. Die Zielkosten liegen demnach sehr nahe an den Standardkosten.
- Der Into-and-out-of-Company-Ansatz kombiniert Market into company und Out of Company.
- Der Out-of-Standard-Costs-Ansatz nimmt Senkungsabschläge auf die Standardkosten vor.
- Der Out-of-Competitor-Ansatz leitet die Zielkosten aus den Kosten der Konkurrenz (bspw. durch Benchmark) ab.
[Bearbeiten] Zielkostenspaltungsphase
In dieser Phase werden die Gesamtzielkosten auf eine bestimmte Ebene heruntergebrochen, um in der darauffolgenden Phase der Zielkostenerreichung die Zielkosten effektiv abstimmen und erreichen zu können. Die Zielkostenspaltung hat aus zwei Gründen eine sehr hohe konzeptionelle Bedeutung für die Anwendung der Zielkostenrechnung. Zum einen geben die Zielkosten ein realistisches Bild von der ressourcenmäßigen Inanspruchnahme der Funktionsbereiche im Unternehmen ab. Zum anderen besteht die Schwierigkeit darin, durch eine marktbegründete Zuweisung der Ressourcen gleichzeitig eine Produktfunktionalität sicherzustellen, die mit den Kundenwünschen in Übereinstimmung steht. Die Kostenspaltung kann auf Komponenten- und Funktionsebene erfolgen. Die Ergebnisse können graphisch anhand eines Zielkostenkontrolldiagramms abgebildet werden. Darin werden die kundenbewerteten Nutzen den Standardkosten jeder einzelnen Komponente gegenübergestellt. Im Folgenden ein anschauliches Beispiel zur Erläuterung.
[Bearbeiten] Anwendungsbeispiel
- Kunden einer Luxusautomarke werden befragt, welche Eigenschaften des Fahrzeugs für sie entscheidend sind. Das Ergebnis lautet, dass 50 % des Wertes durch die Leistung, 30 % durch den Sound und 20 % durch den Fahrkomfort definiert werden.
- Die Marktstudie ergibt einen akzeptablen Preis für das Auto von 10.000 Euro. Folglich ergibt sich der Preis für die Leistung zu 5.000 Euro, die Geräusche sind dem Kunden 3.000 Euro und der Fahrkomfort noch 2.000 Euro wert.
- Das Entwicklerteam ermittelt nun, dass der Motor zu 70 % an der Leistung, zu 40 % an den Geräuschen und zu 10 % am Fahrkomfort beteiligt ist. Das Fahrwerk zeichnet sich für die restlichen Anteile verantwortlich.
- Für die Entwickler bedeutet dies, dass der Motor zu Kosten von 4.900 Euro () pro Stück zu bauen ist (inklusive der Entwicklungskosten - vgl. Vollkostenrechnung).
- Ziel ist es, die Produkte bzw. Leistungen möglichst gut auf die Kundenwünsche abzustimmen, bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden, die nur schwer oder gar nicht revidierbar sind und zu versunkenen Kosten (sunk costs) führen können.
[Bearbeiten] Zielkostenerreichungsphase
Der Erfolg der Zielkostenrechnung liegt besonders in der Phase der Zielkostenerrechnung, in der ein abgerundetes und ausgewogenes, marktorientiertes und innovatives Konzept erzeugt wird, mit dem die japanische Wirtschaft und letztendlich das Target Costing erfolgreich war. Dieser Erfolg setzt voraus, dass den Verantwortlichen im Zielkostenrechnungsprozess die erforderlichen Instrumente und Methoden zur Erreichung der Kostenvorgaben zur Verfügung stehen. Dazu werden Kosteninformationshilfsmittel benötigt, die auf Basis geringer Eingangsinformationen in frühen Phasen des Produktinnovationsprozesses aussagekräftige Informationen liefern. Diese Hilfsmittel oder Instrumente zur Zielkostenerreichung, die eine differierende Wirkung auf die Analyse-, Planungs- und Realisierungsphase besitzen, sind vielfältig und können technologischen, produkt-/prozessbedingten oder organisatorischen Charakter haben.
[Bearbeiten] Bewertung
Die wesentlichen Vor- und Nachteile in der Zielkostenrechnung sind:
[Bearbeiten] Vorteile
- Frühe Beeinflussung im Produktlebenszyklus
Die Notwendigkeit des Kostenmanagements von Anfang an resultiert aus der Erkenntnis, dass die erhebliche Anteile (etwa 85 %) der gesamten Kosten über den Lebenszyklus bereits durch Entscheidungen in den frühen Phasen festgelegt werden. Schafft es ein Unternehmen frühzeitig, Instrumente zu managen und die Markterfordernisse in den Produktentwicklungsprozess mit einzubeziehen, bestehen große Kostenreduktionspotentiale, die nicht unbedingt mit einer Qualitätsreduktion einhergehen müssen.
- Hohe Qualität bei sinkenden Durchschnittskosten
Nicht nur viele japanische Unternehmen schaffen es mit Target Costing, ihre Durchschnittskosten bei steigender Qualität konstant zu senken. Um ein Scheitern zu vermeiden muss unbedingt der entsprechende Rahmen für eine hinreichende Entfaltung des Konzepts geschaffen werden.
[Bearbeiten] Nachteile
- Anwendung bei radikalen Produktinnovationen
Die Frage, mit welcher Genauigkeit und Zuverlässigkeit der strategische Marktpreis, insbesondere bei hochgradig innovativen Produkten, im Voraus ermittelt werden kann, ist noch nicht hinreichend beantwortet.
- Mitarbeitereffekt
Die Zielkostenrechnung kann eine Reorganisation im Unternehmen zur Folge haben. Bspw. kann in einem multinationalen Unternehmen eine bestimmte Aufgabe (z. B. ein "Motor zu Kosten von 4.900 Euro") an verschiedene Einheiten, etwa Werke in verschiedenen Ländern, gleichzeitig gestellt werden. Der Effekt auf die Mitarbeiter wurde von Grindt (1997) als eine ständige Bewegung des "Bietens und Unterbietens" gesehen. Die Mitarbeiter werden durch diese Neuorganisation der Arbeit, Cooper (1998) spricht hier von einem neuen "Konzept unternehmerischer Herrschaft", miteinander in Konkurrenz gesetzt. Die Beschäftigten werden zum unternehmerischen Denken angehalten und befinden sich nach Glißmann (2001) in einem Prozess der "Selbstverstärkung und Selbstbeschleunigung": - ein kostengünstiges Angebot einer Einheit des Unternehmens zwingt jede andere Einheit zum kostengünstigeren Agieren der anderen Einheiten - je schneller eine Einheit das Ergebnis erreicht, desto schneller müssen es andere erreichen.
- Keine exakte wissenschaftliche Eingrenzung
Weiterhin existiert keine eindeutige wissenschaftliche Definition über die Phasen des Target Costings. Die Wissenschaft diskutiert eher Modelle, die die Praxis nicht durchsetzen kann oder will.
[Bearbeiten] Literatur
- Seidenschwarz, Werner: Target Costing: marktorientiertes Zielkostenmanagement, München: Vahlen, 1993
- Arnaout, Ali: Target costing in der deutschen Unternehmenspraxis: eine empirische Untersuchung, München: Vahlen, 2001
- Buggert, W.; Wielpütz, A.: Target Costing: Grundlagen und Umsetzung des Zielkostenmanagements, München: Hanser, 1995
- Horvath, Peter (Hrsg.): Target Costing, Schäffer Poeschel, Stuttgart, 1993
- Cooper, Robin: When Lean Enterprises Collide 1998
- Grindt, C.:Bieten und Unterbieten In "Die Mitbestimmung", Magazin der Hans-Böckler-Stiftung, Heft 3/97 S43-36
- Glißmann W./Petter, K.:Mehr Druck durch mehr Freiheit, 2001, ISBN 3879758115
- Krause, Hans Ulrich (2004), Integration von Prozesskostenrechnung und Target Costing in das Balanced Scorecard Konzept, in: Christians, Uwe (Hrsg.), Bank-strategien - Erfolgreiche Umsetzung mit der Balanced Scorecard, Berlin, S. 65-88.
- Sauter, Ralf (2002), Marktorientierte Steuerung der Gemeinkosten im Rahmen des Target Costing - Ein Konzept zur Integration von Target Costing und Pro-zesskostenmanagement. Frankfurt am Main.
- Usadel, Jan (2002): Target Costing für TV-Produktionsunternehmen. Online im Internet:URL:<http://www.rundfunkoekonomie.uni-koeln.de/institut/publikationen/arbeitspapiere/ap155.php> Abfrage: 4. Mai2005.
- Griga, M.; Kosiol, A.; Raymund Krauleidis: Controlling für Dummies, Kapitel 9: "Wie teuer darf's denn sein - Target Costing", 1. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-70153-2
- Dinger, Helmut: Target Costing: Praktische Anwendung im Entwicklungsprozess, München Wien: Carl Hanser Verlag, 2002, ISBN 3-446-21900-5
- Andreas Schmidt: Kostenrechnung - Grundlagen der Vollkosten-, Deckungsbeitrags- und Plankostenrechnung sowie des Kostenmanagements, 4. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer 2005, ISBN 3-17-018741-4