Gründungsstadt
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Eine Gründungsstadt ist eine Stadt, deren Entstehung auf einen konkreten Gründungsakt zurückgeht. Die Ansicht, dass eine Stadt aus einer kleinen Siedlung langsam herangewachsen ist, ist hier in den meisten Fällen falsch.
Wellen von Stadtgründungen gab es in vielen Epochen, zum Beispiel
- Phönizische Gründungen von Handelsstützpunkten im Mittelmeer, ausgehend von den Mutterstädten im Libanon. (Cádiz, Karthago)
- Griechische Siedlungen in Kleinasien und Italien
- Römische Stadtgründungen in den eroberten Gebieten wie Köln, Augsburg, Wien, Trier, Regensburg, Xanten, Neuss
- Stadtgründungen des Mittelalters in Europa
- Residenzstädte des Barocks Ludwigsburg, Karlsruhe, Mannheim, meist als Planstädte bekannt
- Industriegründungen wie Wolfsburg
- Hafengründungen am tieferen Wasser wie Bremerhaven, Cuxhaven und Wilhelmshaven
Im Folgenden sollen die mittelalterlichen Stadtgründungen in Mitteleuropa näher betrachtet werden.
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[Bearbeiten] Gründungsstädte des Mittelalters
Bis etwa 1100 gab es in Mitteleuropa, also dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches nur wenige Städte, die entweder auf römische Stadtgründungen zurückgingen, oder aus größeren Haufendörfern gewachsene Städte, beispielsweise Soest und einige gegründete Handelsplätze wie Haithabu/Schleswig. Speyer wurde um 1030 mit einem monumentalen Straßenmarkt (Via Triumphalis) angelegt und gilt als früheste geplante Stadt des Mittelalters in Deutschland.
Kurz darauf setzte eine Welle von Stadtgründungen ein, in der der weitaus überwiegende Anteil der heute vorhandenen Städte entstanden ist. Ausgangspunkt war die Gründung der Stadt Freiburg im Breisgau im Jahr 1118 durch Herzog Berthold III. von Zähringen, der ihr 1120 das Marktrecht sowie ein Stadtrecht mit weitgehender Selbstverwaltung zusprach. Das Stadtgebiet wurde zur Gründung mit einem geregelten Straßennetz versehen und in einzelne Grundstücke parzelliert. Zur Gestaltung des Stadtgrundrisses gibt es neue Hypothesen, die weiter unten vorgestellt werden.
Durch den Erfolg der Gründungsstadt Freiburg motiviert gründeten die Zähringer Herzöge viele weitere Städte in ihrem Territorium wie Rottweil, Villingen oder Bern. Rottweil und Villingen entstanden als Verlagerung des alten Siedlungsplatzes um nur einige 100m. Die Gründe der Verlagerung sind nicht geklärt. Andere Herrscher folgten diesem Beispiel und die Gründungswelle dehnte sich über das gesamte Reich aus.
Das Konzept der mittelalterlichen Stadtgründung war wirtschaftlicher Natur. Der Landesherr investierte in Infrastruktur und Befestigung der neuen Stadt und lockte den Neubürger durch Privilegien wie Entlassung aus der Leibeigenschaft und Selbstverwaltung in die Stadt, woher auch der Ausspruch "Stadtluft macht Frei" stammt. Im Gegenzug musste der Bürger an den Adel Steuern entrichten. Dieses Konzept war sehr erfolgreich, die neuen Städte blühten wirtschaftlich schnell auf und wurden so zu einer wichtigen Einnahmequelle des Adels. Später überstieg der Reichtum der Bürgerschaft sogar den von Adel und Klerus und der Adel geriet in eine finanzielle Abhängigkeit vom Bürgertum.
Eigenschaften dieser Städte waren:
- Markt- und Stadtrecht, das sich meist an dem einer bekannten Stadt anlehnt (zum Beispiel Magdeburger Recht oder Lübisches Recht)
- Geregelter Grundriss des Wegenetzes
- Parzellierung des Baulandes
- Marktplatz und sonstige öffentliche Räume
- Recht (und Pflicht), die Stadt mit einer Stadtmauer zu befestigen
- Stiftungen von Klöstern der sogenannten Bettelorden
Manche heute als Einheit erscheinende mittelalterliche Städte gingen auf verschiedene separate Gründungen in nächster Nähe zurück, wie die Prager Altstadt, Kleinseite und die Neustadt. Diese Siedlungen hatten separate Verwaltung und eine eigene Infrastruktur, wie beispielsweise eine eigene Pfarrkirche.
Mit der deutschen Ostsiedlung im Mittelalter ging die Welle der Stadtgründung weit über die damalige Ostgrenze des Reiches hinaus.
Der Gründungsboom endete in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit den Pestwellen und dem damit einhergehenden Bevölkerungsrückgang.
In der Folgezeit sind nur noch sehr wenige Städte in Mitteleuropa neu gegründet worden.
[Bearbeiten] Mittelalterliche Stadtplanung
Genaue Vermessungen der Grundrisse mittelalterlicher Stadtpläne führten zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass deren Straßenzüge, Stadtmauern, sowie Positionen von Toren, Türmen und Brunnen durch geometrische Konstruktionen mit Lineal und Zirkel zu bestimmen sind.
Dies führte zu der These, dass Stadtgrundrisse exakt ausgemessen worden sind, bevor mit der Bebauung des Areals begonnen wurde. Diese These wiederum widerspräche einer bisher glaubhaft begründeten These von Prof. Günther Binding, nachdem es vor 1450 (?) keinerlei schriftliche Bauplanung gegeben habe (Lit.: Binding), da die aufwendige "Konstruktion" einer Gründungsstadt wie z.B. Esslingen am Neckar oder Speyer eine schriftliche Fixierung der Konstruktion voraussetzt.
Auch bisher nicht untersucht ist die Motivation der Stadtgründer und -planer, eine Stadt nicht entsprechend der römischen Tradition zu bauen, sondern geometrische Konstruktionen aus Kreisbögen, Dreiecken und verschiedenen Achsen zu verwenden.
[Bearbeiten] siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Klaus Humpert, Martin Schenk: Entdeckung der mittelalterlichen Stadtplanung. Das Ende vom Mythos der "gewachsenen Stadt". Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1464-6
- Günther Binding, Susanne Linscheid-Burdich, Julia Wippermann: Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter nach den Schriftquellen bis 1250. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-5341-5489-4