Röhrenverstärker
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Ein Röhrenverstärker ist eine elektronische Schaltung zur Verstärkung von elektrischen Signalen, die als aktive, das heißt verstärkende Bauelemente Elektronenröhren verwendet.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Schematischer Aufbau
Als Beispiel ist hier der prinzipielle Aufbau eines Eintakt NF-Verstärkers mit einer Pentode EL84 dargestellt (Heizung der Röhre nicht mitgezeichnet)
[Bearbeiten] Gegenüberstellung Röhre - Halbleiter
Bis zur Verbreitung von Halbleiterschaltungen ab Anfang der 1960er Jahren wurden Verstärker in allen Anwendungsbereichen in Röhrentechnik aufgebaut. Die "Dampfradios" aus dieser Zeit sind heute bei Sammlern sehr beliebt.
Heute haben die Halbleiter die Röhren fast völlig verdrängt, denn Röhren haben in der Praxis viele Nachteile: Sie sind teurer, größer, schwerer, zerbrechlich, unterliegen dem Verschleiß und müssen daher irgendwann ersetzt werden, und die technische Anwendung ist komplizierter: sie arbeiten meist mit Betriebsspannungen von mehreren hundert Volt und entwickeln relativ viel Abwärme. Der Anschluss eines Lautsprechers an einen Röhrenverstärker kann nicht direkt erfolgen wie bei einem halbleiterbasierten Verstärker, sondern erfordert einen (ebenfalls schweren und teuren) Niederfrequenz-Transformator. Eine Ausnahme bilden sog. eisenlose Röhrenverstärker, die jedoch technisch komplizierter aufgebaut und meist leistungsschwächer sind.
Halbleiter sind dagegen preiswert und kompakt herzustellen und unempfindlicher gegen mechanische Beanspruchung. Verglichen mit einem Transistorverstärker ist ein Röhrenverstärker also eine eher unhandliche, schwere, aufwendige und teure Angelegenheit. Allerdings ist der Wiederverkaufswert von Röhrenverstärkern ungleich höher und eingefleischte Röhren-Fans lassen sich von den hier genannten Nachteilen seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht abhalten. Das liegt daran, dass Röhren auch gravierende Klangvorteile bieten: Ihr klang ist wärmer als digitaler Klang und im Bereich Instrumentenverstärker bieten nur sie erwünschte Formen obertonreicher Sättigung und harmonischer Verzerrung.
In einigen Bereichen finden Röhrenverstärker aufgrund solcher Vorteile gegenüber der Transistortechnik heute noch Verwendung:
[Bearbeiten] HiFi
Ursprüngliche Verstärkerschaltung für Radiogeräte, heute meist in HiFi-Verstärkern der "Oberklasse".
Hier spielt gegenüber der Transistortechnik die bessere Dynamik der Röhre die Hauptrolle. Von manchen Kritikern wird dies allerdings beim heutigen Stand der Halbleitertechnik als reine Einbildung der Hörer bezeichnet, oder als eine "angenehme Verfälschung" des Klangs; für den angenehmen Klang seien jedoch die Hersteller von Musikaufnahmen, nicht die Hersteller der Abspielgeräte verantwortlich. Letztere sollten möglichst neutral sein.
Aufgrund der jeweiligen bauelemente-typischen Kennlinien erzeugen Röhren aber ein anderes Klirrspektrum (Spektrum von Harmonischen) als Halbleiter. Trioden weisen eine mehr quadratische Kennlinie auf, während bipolare Transistoren eine exponentielle Kennlinie aufweisen. Geradzahlige Harmonische (2x, 4x, 8x der Grundfrequenz) klingen harmonisch und aufhellend. Ungeradzahlige Harmonische (3x, 5x, 7x der Grundfrequenz) wirken destruktiv auf den Gesamtklang. Trioden und Feldeffekttransistoren produzieren vorwiegend geradzahlige, bipolare Transistoren und Pentoden vorwiegend ungeradzahlige Harmonische. Das Klirrspektrum eines Verstärkers ist auch von der Schaltungstopologie abhängig, z.B. werden die geradzahligen Harmonischen in Gegentaktverstärkern durch Symmetrie weitgehend ausgelöscht. Die unterschiedlichen Klirrspektren können einen Einfluss auf den Klang eines Verstärkers haben, sofern die Verstärker nicht durch entsprechende Maßnahmen (Gegenkopplung) ausreichend linearisiert wurden.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass heutzutage eher die Umsetzung des Schaltungsprinzips als die Verwendung von Röhren/Transistoren für die Qualität des Verstärkers ausschlaggebend ist, wobei das Thema oft und gerne auch kontrovers diskutiert wird.
[Bearbeiten] Instrumentalmusik
Bei der Verstärkung von einigen Instrumenten, zumeist E-Bass und E-Gitarre, hat sich die Röhrentechnik bis heute behauptet. Wie im Kapitel HiFi ausgeführt, hängt der Klang des Verstärkers von der Verteilung der Harmonischen (Oberschwingungen) ab. Bei steigender Aussteuerung steigen die Amplituden der Harmonischen an. Der Röhrenverstärker dient hier nicht der möglichst exakten, unverfälschten Verstärkung der vom Instrument erzeugten Töne, sondern ist als Teil des Instruments zu sehen, der dem Klang seinen individuellen Charakter verleiht.
Siehe hierzu auch: Gitarrenverstärker
[Bearbeiten] Sendeverstärker
Sendeendstufen mittlerer und hoher Leistung werden auch heute noch teilweise in Röhrentechnik gebaut. Während der Bereich der Lang- und Mittelwelle von leistungstarken Transistoren erobert wurde, ist die Röhrentechnik im UKW- und TV- Bereich bei Leistungen über 20 kW in der Anschaffung und im Unterhalt oft noch kostengünstiger.
Röhrenverstärker können kurzzeitige Fehlanpassungen oder Blitzeinschläge in die Sendeantenne ohne Schaden überstehen, während Transistorverstärker gegen solche Einwirkungen aufwendig geschützt werden müssen. Ein wichtiger Vorteil von Röhrenverstärkern gegenüber Transistorverstärkern ist die bessere Linearität, die besonders bei der Übertragung von TV-Signalen eine Rolle spielt. Bei sehr hohen Leistungen lassen sich Röhrensender deutlich kompakter aufbauen als Transistorsender.
Nachteilig bei Röhrensendern ist dagegen die begrenzte Lebensdauer (regelmäßiger Austausch der Endstufenröhren etwa alle 2 Jahre notwendig), der hohe Wartungsaufwand für die Kühlanlage (Wasserkühlung bei sehr hohen Leistungen) und die Gefährlichkeit der verwendeten hohen Betriebsspannungen.
[Bearbeiten] Militär
Militärische Organisationen haben röhrenbasierte Reserve-Kommunikationssysteme, weil diese nicht wie Halbleiterschaltungen bei einer Atombombenexplosion durch einen Elektromagnetischen Impuls zerstört werden können. Zudem würden Halbleiterbauelemente durch radioaktive Strahlung dauerhaft in ihren Eigenschaften verändert, so dass ihre Funktion infrage gestellt wäre. Bei Elektronenröhren klingt dieser Effekt schnell wieder ab.
[Bearbeiten] Gegenkopplung
Elektronenröhren, vor allem Trioden, sind sehr lineare Bauelemente. Traditionell (und um teuere und aufwändige Verstärkerstufen zu sparen) wurden Röhrenverstärker mit geringen Gegenkopplungsfaktoren konstruiert. In den meisten Fällen werden Vorstufen stufenweise mit einer Stromgegenkopplung (nicht überbrückter Kathodenwiderstand) ausgeführt. Endstufen werden fast immer mit einer Stromgegenkopplung versehen (Arbeitspunktstabilisierung). In vielen Fällen besteht daneben eine schwache stufenübergreifenden Spannungsgegenkopplung von der Sekundärwicklung des Ausgangstransformators zu einer Vorstufenröhre.
Mit Aufkommen von Leistungspentoden und der Massenfertigung von Ausgangstransformatoren wurde mit Gegenkopplungen auf das Schirmgitter experimentiert. Ziel war das Einstellen einer triodenähnlichen, also der Funktion i(A)=V*u(G)^3/2 folgenden Arbeitskennlinie bei pentodentypisch hoher Verstärkung und vor allem geringer Restspannung.
Erreicht wurde dieses Ziel mit der Williamson-Schaltung, bei der die Primärwicklung des Ausgangstransformators bei ca. 12,5% angezapft und mit dem Schirmgitter der Endröhre verbunden wird. Im deutschsprachigen Raum hat sich der Begriff der „Ultralinearschaltung“ eingebürgert. Eine Alternative zwischen traditioneller Stromgegenkopplung und Ultralinearschaltung ist die von der Fa. Quad auf den Markt gebrachte Kathodengegenkopplung, bei der eine Sekundärwicklung des Ausgangstransformators vom Kathodenstrom der Endröhre durchflossen wird und wiederum die Kathode mit der induzierten Wechselspannung so beaufschlagt, dass die induzierte Spannung der Steuerspannung entgegenwirkt.
Beide Gegenkopplungsarten können gleichermaßen für Eintakt- wie für Gegentaktendstufen angewendet werden.
Für sehr hohe Anforderungen vor allem an transiente Verzerrungsarmut werden Trioden in Endstufen eingesetzt. Zwar erfordern diese Elemente meist nur eine schwache Stromgegenkopplung zur Stabilisierung des Arbeitspunktes, jedoch ist die Verstärkung gering, was erhöhte Anforderungen an die Treiberstufe stellt. Schwerer wiegt meist die durch den Durchgriff der Röhre verursachte Restspannung. Wird die Röhre durchgesteuert, also eine Gitterspannung von 0 V angelegt, sinkt infolge des Anodenstromes durch den Lastwiderstand das Anodenpotential. Die auf die Raumladungselektronen einwirkende Feldstärke sinkt proportional (eine Hilfselektrode auf Betriebsspannungspotential wie das Schirmgitter fehlt der Triode), es verbleibt bei U(G)=0 eine zumeist erhebliche Anodenrestspannung, die nicht mehr verringert werden kann.
Zum Preis eines zumeist sehr geringen Wirkungsgrades und geringer Ausgangsleistung lassen sich minimale Schaltungsdesigns mit geringsten Gegenkopplungsfaktoren entwickeln. Allerdings ist durch die nahezu völlig fehlende Gegenkopplung der Dämpfungsfaktor (indirekt proportional zum Innenwiderstand) gering. Damit ergibt sich der Zwang zu einer Kombination mit hochbedämpften, wirkungsgradstarken Lautsprechern.
[Bearbeiten] Ausgangstransformator
Von wenigen Spezialröhren abgesehen, sind Elektronenröhren prinzipiell hochohmige Bauelemente. Für die Anpassung an niederohmige Lautsprecher sind geeignete Niederfrequenz-Transformatoren nötig. Diese qualitativ hochwertigen Ausgangstransformatoren erhöhen den Aufwand eines Röhrenendverstärkers beträchtlich.
An Ausgangstransformatoren werden einige funktionsspezifische Anforderungen gestellt:
- perfekte Impedanztransformation
- hohe relative Bandbreite (Verhältnis der oberen zur unteren Grenzfrequenz)
- höchste Linearität
- geringe sogenannte Kupferverluste, also niedrige ohmsche Wicklungswiderstände
- geringe sogenannte Eisenverluste, also minimale Ummagnetisierungsverluste des Kernwerkstoffes
- Geringe Wicklungskapazitäten
Die Impedanztransformation wird zunächst mathematisch bestimmt und für den jeweiligen Transformatortyp errechnet. Weil die Impedanz eines Lautsprechers nicht konstant, sondern frequenzabhängig ist, sind der Genauigkeit der Anpassung im praktischen Betrieb jedoch Grenzen gesetzt.
Die relative Bandbreite ist dem Streufluss des Transformators umgekehrt proportional. Ein geringer Streufluss ist Ausweis einer sehr guten magnetischen Verkopplung der Primär- und Sekundärwicklung. Der Streufluss kann hauptsächlich durch die Wahl eines geeigneten Kerntyps und Kernmaterials sowie Verschachtelung der in Teilwicklungen zerlegten Primär- und Sekundärwicklungen gering gehalten werden.
Spezielle Kernmaterialien mit erst zu hohen magnetischen Flussdichten (oberhalb 1,5 Tesla) hin einsetzenden Sättigungseigenschaften bewirken eine sehr gute Linearität, so dass das Verhalten des Verstärkers nicht von seinem Ausgangstransformator bestimmt ist.
Eine Minimierung der Kupferverluste erfolgt über die Wahl eines geeigneten Kerntyps und -materials, da damit der verfügbare Querschnitt für die Wicklung und die spezifische Windungsinduktivität festliegen. Eine effektive Ausnutzung der Fensterfläche für Isolierung, Wicklungen und Schirmungen ermöglicht die Verwendung großer Drahtquerschnitte und damit geringer ohmscher Widerstände.
Die Eisenverluste hängen maßgeblich von der Wahl von Kerntyp und –material ab. So verringern sehr kleine Blechstärken zwar den relativen Eisenanteil des Kernvolumens, mindern aber auch die schädliche Wirkung von Wirbelströmen. Die Auswahl geeigneter hochpermeabler Magnetwerkstoffe wird allerdings durch die Anforderungen an das Sättigungsverhalten eingeschränkt.
Gerade die Anordnung verschachtelter Wicklungen stellt einen (verteilten) Kondensator dar. Um unerwünschte kapazitive Kopplungen zu vermeiden, werden häufig isolierte, jedoch später an Masse geschaltete Metallfolien zwischen die Wicklungsteile eingelegt. Diese Folien bilden eine kapazitive Abschirmung.
Obwohl sie eine höhere Anzahl von Einzelwicklungen aufweisen, sind Gegentaktausgangstranformatoren einfacher in Design und Herstellung, da die Ruheströme der beiden Endröhren gegensinnig durch die beiden Primärwicklungen fließen und sich der von ihnen erzeugte magnetische Gleichfluss aufhebt. Problematischer sind Ausgangstransformatoren für Eintaktendverstärker. Da in diesem Fall der Ruhestrom der Endröhre die Primärwicklung des Ausgangstransformators durchfließt, muss der Ausgangstransformator hinsichtlich des Arbeitspunktes auf der magnetischen Kennlinie sorgfältig bemessen werden. Mit Blick auf die geforderte Linearität ist die Aussteuerung komplexer Lasten an der Leistungsgrenze zu prüfen. In der Regel werden Transformatoren mit Luftspalt verwendet.
Eine Alternative sind eisenlose Endstufen, bei denen zumeist eine Vielzahl relativ niederohmiger Elektronenröhren (häufig Stromregelröhren) parallel geschaltet wird. Das Ausgangssignal wird über einen Koppelkondensator abgegriffen und direkt dem Lautsprecher zugeleitet. Diese Verstärker sind jedoch zumeist hinsichtlich ihrer verfügbaren Leistung und dem Röhrenverbrauch (Lebensdauer der verwendeten Endröhren) problematisch.
Eine andere Möglichkeit, das Gleichfeld im Ausgangstransformator zu umgehen, ist die Drosselkopplung. Anstelle der Primärwicklung im Anodenstromkreis wird eine hochinduktive Drossel zur Zuführung des Anodenruhestromes in den Anodenstromkreis geschaltet. Über diese, zumeist mit einem Luftspalt versehenen Drossel fällt neben der aus den primären Kupferverlusten herrührenden unvermeidlichen Gleichspannung die Anodenwechselspannung ab. Sie wird über einen Koppelkondensator dem Ausgangstransformator zugeführt. Zwar ist ein weiteres relativ großes und schweres Bauelement vonnöten, jedoch wird er Ausgangstransformator von Gleichfeldern freigehalten.