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Geschichte der Eisenbahn in Württemberg - Wikipedia

Geschichte der Eisenbahn in Württemberg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Zug im Bahnhof von Ludwigsburg (zwischen 1860 und 1870)
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Zug im Bahnhof von Ludwigsburg (zwischen 1860 und 1870)

Die Geschichte des Bahnverkehrs in Württemberg begann im Jahre 1845.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ausgangslage

Württemberg befand sich damit um 20 Jahre gegenüber England im Verzug und schon zehn Jahre fuhr die erste Eisenbahn in Deutschland. Alle anderen größeren Länder im Deutschen Bund (Bayern, Sachsen, Preußen, Österreich, Braunschweig, Baden, Hannover) hatten bereits Bahnstrecken eröffnet, zum Teil mehrere.

Die Verzögerung in Württemberg hatte verschiedene Gründe. Auf politischer Ebene drängte der schwelende Konflikt zwischen König und Demokraten andere Probleme wie den Eisenbahnbau in den Hintergrund. Zudem standen viele Konservative in der Regierung Eisenbahnen skeptisch gegenüber. Des Weiteren war die wirtschaftliche Lage in Württemberg in der fraglichen Zeit schlecht und der Eisenbahnbau mit erheblichen Kosten verbunden. Der zu erwartende Binnenverkehr wurde als zu gering angesehen, um die Kosten zu decken. Erst die Schaffung von Strecken in den Nachbarländern weckte die Aussicht auf Gewinne durch Transitverkehr. Schließlich bereitete auch die hüglige württembergische Landschaft Probleme, insbesondere bei der Überquerung der Schwäbischen Alb. Um in diesem Gelände Eisenbahnen wirtschaftlich betreiben zu können, waren zunächst Verbesserungen der Eisenbahntechnik hin zu stärkeren Lokomotiven erforderlich.

Als Bayern 1835 und Baden 1838 mit dem Bahnbau begonnen hatten und der Druck der öffentlichen Meinung stärker wurde, gab auch Württemberg die Planung von Eisenbahnstrecken in Auftrag. Man hatte erkannt, dass sich die Entwicklung nicht aufhalten ließ und fürchtete auch, durch die Entwicklungen in den Nachbarländern abgehängt zu werden.

Die württembergischen Eisenbahnen wurden von Beginn an als Staatsbahn konzipiert; Anträge auf Konzessionen zum Bau von Privatbahnen (z. B. durch die zu diesem Zweck gegründete Württembergische Eisenbahngesellschaft 1836) wurden zunächst abgelehnt. Man folgte damit zum einen dem Trend der Zeit, zum anderen wollten Regierung und König das Interesse des Staates wahren, insbesondere im Hinblick auf den Transitverkehr. Zu Errichtung der Verbindungslinien in die Nachbarstaaten waren ohnehin zwischenstaatliche Verhandlungen erforderlich. Das Eisenbahngesetz von 1843, mit dem die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen eingerichtet wurden, beschränkte privat finanzierte Aktivitäten auf Sekundärbahnen.

Die Entwicklung des Streckennetzes erfolgte in mehreren Phasen, die in der Folge beschrieben sind. Dabei treten in allen Phasen zwei prägende Faktoren hervor: zum einen die Konkurrenz und Kooperation mit den Nachbarländern (hauptsächlich Baden und Bayern) in Hinblick auf den Transitverkehr, vor allem in Nord-Süd-Richtung, zum anderen die Formung des Eisenbahnnetzes durch die vorherrschenden geographischen Verhältnisse. Die Landschaft Württembergs ist fast durchgehend hügelig bis bergig, so dass sich die Bahnstrecken in der Regel auf Flusstäler beschränken. Die Schwäbische Alb teilt das Land in zwei Hälften, wobei der Albtrauf an der Nordseite eine für Züge oft unüberwindbare Barriere darstellt. Im Südwesten bildete der Schwarzwald einen Teil der Grenze mit Baden. Hinzu kam erschwerend, dass Schlüsselstellen wie das obere Neckar- und Donautal mit badischen und hohenzollerischen Gebietsteilen verzahnt waren.

[Bearbeiten] Bau der Hauptbahnen

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hatte es in Württemberg Pläne für den Bau von Kanälen gegeben, die Neckar, Donau und Bodensee verbinden sollten. Nach dem Aufkommen erster Eisenbahnen bekam eine Sonderkommission von König Wilhelm I. die Aufgabe, zu untersuchen, ob stattdessen Eisenbahnen gebaut werden sollten. Der Bericht der Kommission 1834 bejahte dies und empfahl eine Eisenbahn StuttgartUlm durch die Täler von Rems, Kocher und Brenz. Ende 1835 kamen in Ulm Forderungen auf, eine Bahn von Stuttgart durch das Filstal nach Ulm und weiter zum Bodensee zu bauen.

Ab 1836 griff die Regierung diese Vorschläge auf und ließ durch Oberbaurat von Bühler und Generalmajor von Seeger Pläne für folgende Linien ausarbeiten:

Streckennetz 1854
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Streckennetz 1854

Die Zielrichtung bei der Errichtung der Hauptbahnen war also die Verbindung zwischen Neckar, Donau und Bodensee (erstere waren ab Heilbronn bzw. Ulm schiffbar). Zum anderen wurde von Anfang an die Errichtung eines zusammenhängenden Streckennetzes angestrebt, das mit dem der Nachbarstaaten verknüpft werden sollte, um Transitverkehr durch das Land zu leiten.

Die Pläne wurden bis 1839 fertig gestellt und in der Folge von den Gutachtern von Negrelli, Charles Vignoles und Karl Etzel überarbeitet. Die Kernfragen waren:

  • Linienführung der Ostbahn: Die Remsbahn-Variante umging den Albaufstieg, war jedoch erheblich länger als die Filsbahn-Variante und musste teilweise über bayerisches Gebiet geführt werden. Nachdem Etzel die Machbarkeit des Albaufstiegs bei Geislingen gezeigt hatte, entschied man sich für die Filsbahn-Variante.
  • Wahl des Zentralbahnhofs: Nach den verschiedenen Plänen standen Cannstatt, Stuttgart und Berg zur Auswahl. Nicht zuletzt aus Prestigegründen entschied man sich für die Hauptstadt, obgleich die Lage Stuttgarts in einem Talkessel Probleme mit sich brachte, die sich noch heute bemerkbar machen (siehe auch Stuttgart 21).

Am 18. April 1843 wurde das Eisenbahngesetz verabschiedet, welches den Bau der o. g. Bahnlinien anordnete. Dieses Gesetz war zugleich der Anstoß für die Gründung der Maschinenfabrik Esslingen, die Eisenbahnbau und Eisenbahntechnik in Württemberg maßgeblich gestaltete. Man begann 1844 mit der sogenannten Zentralbahn, die Stuttgart in zwei Zweigen mit Ludwigsburg und Esslingen verband. Die erste Teilstrecke dieser Bahn zwischen Cannstatt und Untertürkheim wurde am 22. Oktober 1845 eröffnet, der Bau der Zentralbahn bis 1846 vollendet. Bis 1848 wurde die Nordbahn vollendet, bis 1850 Süd- und Ostbahn.

Über die Westbahn waren Verhandlungen mit Baden zu führen. Beide Länder wollten den von Norden kommenden Transitverkehr möglichst lange über ihr Territorium führen. So wäre für Württemberg eine Verbindung Heilbronn–Wiesloch günstig gewesen, Baden wollte einen Anschluss eher über Durlach–Pforzheim gewähren. Mit dem Anschluss in Bruchsal einigte man sich auf einen Mittelweg. Die Westbahn konnte dann zwischen 1850 und 1853 gebaut werden. Des Weiteren bekam Ulm 1854 einen Anschluss an das bayerische Netz.

[Bearbeiten] Binnenausbau

Obgleich die Hauptbahnen wirtschaftlich erfolgreich waren, trat zunächst eine mehrjährige Pause im Eisenbahnbau ein. Jedoch wurde 18541856 ein Schienenwalzwerk in Wasseralfingen bei Aalen erbaut. Erst 1857 wurden neue Strecken in Angriff genommen. Bei dieser Bauphase ging es darum, weitere Gegenden anzuschließen, für die ein Eisenbahnanschluss vordringlich erschien; dies waren:

Streckennetz 1864
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Streckennetz 1864

Von diesen Projekten wurde zunächst die Obere Neckarbahn gebaut, der Abschnitt Plochingen–Reutlingen bis 1859, die Weiterführung bis Rottenburg bis 1861, bis Eyach 1864.

Um den Nordosten zu erschließen, war anfangs eine Streckenführung von Heilbronn durch das Kochertal über Hall und weiter nach Aalen geplant. Aus technischen Schwierigkeiten wurde dieser Plan aufgegeben und durch eine Linie über Öhringen, Hall nach Crailsheim, sodann durch das Jagsttal nach Aalen ersetzt. Mit dem neuen Eisenbahnbaugesetz vom 17. November 1858 wurde jedoch zunächst nur der Bau bis Hall festgesetzt und bis 1862 ausgeführt (siehe Hohenlohebahn).

Für den Anschluss des Ostteils des Landes hatte die Regierung 1857 zunächst einen Abzweig von der Filsbahn bei Lonsee nach Heidenheim vorgesehen. Dieser Plan wurde jedoch bald als unwirtschaftlich erachtet und fallengelassen. Bessere Chancen auf Verwirklichung hatte ein Abzweig bei Uhingen im Filstal nach Lorch (Württemberg) und von dort weiter im Remstal nach Aalen. Dieser hätte eine günstige Verbindung zur Oberen Neckarbahn geboten. Bayern, das eine Konkurrenz für seine eigene Nord-Süd-Verbindung befürchtete, deutete an, einer solchen Bahn keine Anbindung in Nördlingen zu gestatten. Daher wurde die Remsbahn von Cannstatt nach Waiblingen und von dort entlang der Rems nach Aalen und Wasseralfingen errichtet und 1861 eingeweiht. Ebenfalls 1861 schloss Württemberg mit Bayern einen Staatsvertrag ab, der den Weiterbau nach Nördlingen regelte, der bis 1863 realisiert wurde. Der Vertrag enthielt die für Württemberg ungünstige Brenzbahnklausel, die eine direkte Verbindung zwischen Aalen und Ulm bis 1875 untersagte. Daher wurde 1864 zunächst nur eine Zweigbahn von Aalen nach Heidenheim angelegt.

[Bearbeiten] Vernetzung mit den Nachbarn

Bereits beim Bau der Westbahn war Baden die Möglichkeit des späteren Anschlusses einer von Pforzheim kommenden Bahn in Mühlacker zugestanden worden. Diese Bahn wurde von Baden 1863 verwirklicht (siehe Bahnstrecke Durlach–Mühlacker), wodurch Mühlacker auf württembergischer Seite Eisenbahnknotenpunkt wurde und binnen kurzem aus einem Weiler zu einer Kleinstadt erwuchs.

Für den weiteren Ausbau des Streckennetzes waren Verhandlungen mit den Nachbarstaaten erforderlich. Außer Baden und Bayern waren dies Preußen, welches mit den Hohenzollerischen Landen an Württemberg grenzte, und Hessen, dessen Exklave Wimpfen zwischen Baden und Württemberg lag.

Im Norden einigte man sich 1864 auf drei Anschlüsse an die badische Odenwaldbahn (HeidelbergMosbachWürzburg), und zwar:

Eine von Württemberg gewünschte Verbindung entlang des Neckars in Richtung Eberbach zur dortigen hessischen Bahn kam vorerst nicht zustande, da Baden Konkurrenz für seine Rheintallinie befürchtete.

Mit diesen Verträgen war die Entwicklung Jagstfelds und Crailsheims zu Eisenbahnknotenpunkten vorgezeichnet. Die vereinbarten Strecken wurden zwischen 1866 und 1869 gebaut, zusätzlich wurde Crailsheim mit dem Bahnhof Goldshöfe (Remsbahn) und Hall (Hohenlohebahn) verbunden.

Im Süden wollte Württemberg seine Obere Neckarbahn über Horb am Neckar nach Rottweil weiterbauen. Zugleich sollte eine zusätzliche Strecke zwischen Stuttgart und Horb eingerichtet werden, um die Verbindung zu beschleunigen. Letzteres konnte auf zwei Wegen geschehen: über Böblingen und Herrenberg (die Gäubahn) oder über Weil der Stadt, Calw und Nagold (die Württembergische Schwarzwaldbahn). Aus Kostengründen entschied man sich vorerst für die zweite Option.

Streckennetz 1874
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Streckennetz 1874

Südlich von Rottweil sollte diese Bahn einen Anschluss ans badische Netz erhalten. Baden sah in einem solchen Projekt eine Konkurrenz zu seiner Rheintal-Strecke. Andererseits wünschte Baden eine Verbindung zwischen Waldshut, wo es einen Übergang in die Schweiz besaß, und Ulm. Von dieser versprach man sich Profite im Verkehr von Frankreich und der Schweiz in Richtung Osten. Württemberg sah diese Verbindung jedoch auch als Konkurrenz für seine Südbahn an. Hinzu kam, dass beide Strecken durch hohenzollerisches Gebiet führten, wodurch Verhandlungen mit Preußen erforderlich wurden. Preußen wünschte als Gegenleistung für den Streckenbau durch sein Territorium, dass auch Sigmaringen Bahnanschlüsse erhielt. Aus dieser Interessenlage heraus einigte man sich 1865 in bilateralen Staatsverträgen auf folgende Streckenbauten:

Die zuletzt genannte Strecke stand in Verbindung mit dem zeitgleich geplanten Ausbau der Bahnen im Allgäu (Württembergische Allgäubahn), durch die Aulendorf zum Knotenpunkt wurde. Auch im Staatsvertrag mit Baden vorgesehen war ein Lückenschluss am Bodensee, der jedoch zunächst nicht verwirklicht wurde.

Aufgrund der Verträge entstand eine rege Bautätigkeit, die durch die Kriege von 1866 und 1871 kurze, aber nicht wesentliche Verzögerungen erhielt. Die Strecken am Neckar wurden von 1866 bis 1870 realisiert, die Bahnen im Schwarzwald samt der Strecke Stuttgart–Calw–Horb von 1868 bis 1874. Im Jahre 1873 wurde die Verbindung Waldshut–Ulm in Betrieb gestellt, die Bahnen im Allgäu bis 1875. Die Verbindung zwischen Tübingen und Sigmaringen entstand in mehreren Bauabschnitten zwischen 1869 und 1878.

[Bearbeiten] Nach der Reichsgründung

1871 trat Württemberg dem infolge des Deutsch-Französischen Kriegs gegründeten Deutschen Reich bei. Die Staatsbahnen der Länder blieben dabei (trotz gegenteiliger Bestrebungen Reichskanzler Otto von Bismarcks) selbständig. Artikel 42 der Reichsverfassung verpflichtete die Länder jedoch, die Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten zu lassen. Die Aufsicht über das Eisenbahnwesen wurde durch das Reichseisenbahnamt ausgeübt. Artikel 41 der Verfassung ermächtigte das Reich, Eisenbahnbauten von militärischer Bedeutung anzuordnen.

Die nach der Reichsgründung erfolgten Streckenbauten, soweit sie Lückenschlüsse in Ost-West-Richtung waren, sind daher auch unter dem Gesichtspunkt des militärischen Interesses zu verstehen, das nach Transportkapazitäten in Richtung der französischen Grenze verlangte. Die Forderung nach der Verwaltung der Eisenbahnen als einheitliches Netz bot aber auch neue Möglichkeiten, da Württemberg jetzt einige Anschlüsse erhielt, die ihm zuvor von den Nachbarstaaten aus Konkurrenzdenken verweigert worden waren.

Streckennetz 1890
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Streckennetz 1890

Bis 1890 war Württemberg mit der Vervollständigung seiner Hauptbahnen befasst. Das bedeutendste Projekt dieser Zeit war die Schaffung einer Nordost-Südwest-Traversale, bestehend aus Murrbahn und Gäubahn zwischen Schwäbisch-Hall-Hessental, Stuttgart und Freudenstadt, deren Bau 1872 beschlossen und bis 1879 bzw. 1880 ausgeführt wurde. Beide Bahnen erhielten weiterführende Anschlüsse nach Baden bzw. Bayern, die Murrbahn erhielt zudem zwei Verbindungslinien zur Nordbahn, von Backnang nach Bietigheim bzw. Ludwigsburg.

Ebenfalls mit Bayern hatte sich Württemberg auf den Bau der Brenzbahn geeinigt, die teilweise über bayerisches Gebiet verlief und die Lücke zwischen Heidenheim und Ulm schloss. Diese Bahnstrecke war durch den Ablauf der 1861 vereinbarten Sperrfrist ermöglicht worden und wurde 1876 eingeweiht.

Mit Baden wurde 1873 der Bau der Kraichgaubahn vereinbart, die von 1878 bis 1880 zwischen Durlach über Bretten und Eppingen nach Heilbronn erbaut wurde und je zur Hälfte in den beiden Ländern verlief. Damit verbunden war der Rückkauf der Strecke Bretten–Bruchsal durch Baden, so dass der württembergische Anteil an der Westbahn nur noch bis Bretten reichte. Die Vereinbarung sah auch die bereits zuvor von Württemberg geforderte Verbindung Jagstfeld–Neckarelz–Eberbach vor, die Baden 1879 vollendete.

Weitere Staatsbahnen wurden im Allgäu zwischen Kißlegg und Wangen (1880) und weiter ins bayerische Hergatz (1890) sowie zwischen Leutkirch und dem bayerischen Memmingen (1889) errichtet. Entlang der oberen Donau fand 1890 der Lückenschluss Tuttlingen–Sigmaringen statt.

Mit diesen Ergänzungen war das Hauptstreckennetz im Jahre 1890 im Wesentlichen abgeschlossen. 1899 bzw. 1901 kam es noch zum Lückenschluss mit den bayerischen bzw. badischen Bahnen am Bodensee. Die württembergischen Bahnen operierten nicht nur profitabel und bescherten der Staatskasse zusätzliche Einnahmen, sondern trugen auch maßgeblich zum Aufblühen der württembergischen Wirtschaft im 19. Jahrhundert bei. Orte, die an der Bahnlinie lagen, zogen Industriebetriebe an und konnten ihre Bevölkerungszahlen enorm vergrößern. Das Hauptstreckennetz erwies sich auch als dauerhaft; fast alle bis 1890 gebauten Strecken werden noch heute betrieben, wenngleich manche an Bedeutung verloren haben. Ausnahmen sind

  • der Abschnitt Weil der Stadt–Calw der Württembergischen Schwarzwaldbahn, die schon bald nach ihrem Bau durch die Gäubahn an Bedeutung verlor;
  • der Zweig Beihingen–Bietigheim der Murrbahn (nach Kriegsschäden 1945 nicht wieder hergestellt);
  • die Strecke Altshausen–Pfullendorf (Personenverkehr 1964 eingestellt);
  • der Abschnitt Leutkirch–Isny der Württembergischen Allgäubahn.

[Bearbeiten] Bau von Sekundärbahnen

Kehrseite des wirtschaftlichen Erfolg der Hauptstrecken war, dass die abseits gelegenen Gemeinden von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt wurden und daher ebenfalls dringlich um Eisenbahnanschlüsse nachsuchten. Für den Anschluss dieser meist geographisch ungünstig gelegenen Gebiete hatte bereits das Eisenbahngesetz von 1843 die Möglichkeit des Baus von Sekundärbahnen vorgesehen, der auch privaten Gesellschaften überlassen werden konnte.

Die erste dieser Bahnen war die von der Kirchheimer Eisenbahn-Gesellschaft 1864 errichtete Linie von Unterboihingen (heute Wendlingen) nach Kirchheim unter Teck (siehe Teckbahn). Die ebenfalls privat betriebene Ermstalbahn kam 1873 hinzu, es folgten die Anfänge der Filderbahn 1884 sowie 1888 eine Schmalspurbahn bei Weingarten. Mit dem Bau des Altensteigerle begann 1891 auch bei den Staatseisenbahnen die Ära der Nebenbahnen, zahlreiche weitere staatliche und private Bauten folgten bis zum Ende der 1920er Jahre.

Streckennetz 1940
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Streckennetz 1940

Nebenbahnen wurden in der Regel als Zweigbahnen angelegt, die einzelne Flusstäler erschlossen, teils in Normalspur, teils aus Kostengründen in Schmalspur. Nur wenige Nebenbahnen stellten zusätzliche Verbindungen zwischen bereits bestehenden Strecken her, Privatbahnen war dies von vornherein verwehrt.

Um Stuttgart herum entstanden noch einige Umgehungsbahnen, um den Bahnhof der Landeshauptstadt zu entlasten. Dazu zählen die Schusterbahn KornwestheimUntertürkheim 1896, die Rankbachbahn BöblingenRenningen 1914 bzw. 1915, dazu entstand 1918 bis 1920 der Rangierbahnhof in Kornwestheim.

[Bearbeiten] Übergang in die Reichsbahn

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg beendete die Reichsverfassung von 1919 die Eigenständigkeit der Länderbahnen; sie gingen in der am 1. April 1920 gegründeten Reichsbahn auf. Die vormalige Direktion der württembergischen Staatsbahnen wurde so zur Reichsbahndirektion Stuttgart. Das Streckennetz war zu dieser Zeit 2153 km lang.

Der Bau neuer Strecken ging noch bis 1928 weiter und hörte dann auf. Die Rentabilität der Eisenbahn nahm ab, nicht nur aufgrund der großen Wirtschaftskrisen jener Zeit, sondern auch, weil nicht alle Nebenbahnen zum wirtschaftlichen Erfolg führten. Zudem begann der Autoverkehr, der Bahn Konkurrenz zu machen.

Zu den erwähnenswerten Streckeneröffnungen bis zum Zweiten Weltkrieg zählen noch der 1928 erfolgte Lückenschluss Klosterreichenbach–Raumünzach an der Murgtalbahn sowie noch 1934 die Verbindungskurve zwischen Tuttlingen und Hattingen, die den Zügen zwischen Stuttgart und Singen eine Spitzkehre in Immendingen ersparte. Bezeichnenderweise wurden die Projekte an der badisch-württembergischen Grenze erst unter der Ägide der Reichsbahn durchgeführt.

[Bearbeiten] Zweiter Weltkrieg und weitere Entwicklung

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Eisenbahnen aufgrund ihrer militärischen Bedeutung Ziel zahlreicher Bombenangriffe; in der Endphase des Krieges wurden zudem viele Brücken beim Rückzug durch deutsche Soldaten gesprengt. So lag das Eisenbahnnetz bei Kriegsende zunächst völlig darnieder.

Heutiges Streckennetz (Stand 2005)
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Heutiges Streckennetz (Stand 2005)

Württemberg wurde in eine nördliche amerikanische und eine südliche französische Besatzungszone geteilt. In beiden Zonen wurde das Eisenbahnnetz zügig wiederhergestellt, da es Grundlage für den Wiederaufbau war. Die französische Besatzungsmacht hatte zudem ein Interesse daran, mittels der Bahn Reparationsleistungen nach Frankreich zu schaffen, und bediente sich vereinzelt auch am Streckennetz selbst, so wurde zwischen Horb und Tuttlingen das zweite Gleis abgebaut. 1952 ging ganz Württemberg im neuen Land Baden-Württemberg auf.

Nach der Wiederherstellung des Streckennetzes wurde dieses nicht weiter ausgebaut. Grund war (wie überall in Deutschland) der immer mehr zunehmende Automobilverkehr, der der Bahn die Kunden entzog und nun auch von Staats wegen gegenüber dem Bahnverkehr bevorzugt wurde. Infolgedessen kam es ab Ende der 1950er Jahre zur Einstellung des Personenverkehrs bzw. zur Stilllegung auf zahlreichen Strecken. Davon betroffen waren hauptsächlich die ab 1890 gebauten Nebenbahnen, wobei die zuletzt gebauten Strecken am stärksten betroffen waren.

1978 wurde in Stuttgart und Umgebung der Tarifverbund VVS gegründet, der seither im Stuttgarter Umland ein S-Bahn-Netz betreibt.

Seit der Regionalisierung 1994, die die Landkreise für die regionale Versorgung mit öffentlichem Nahverkehr verantwortlich machte, ist wieder ein leichter Trend zu Reaktivierungen zuvor stillgelegter Strecken zu beobachten; Beispiele hierfür sind die Schönbuchbahn (1996), Ermstalbahn (1999) oder die Strecke Balingen–Schömberg (2002).

Für die zwischen Mannheim und Stuttgart verkehrenden ICE-Züge wurde 1991 eine Schnellfahrstrecke eingerichtet, die die ehemalige Westbahn damit im Fernverkehr abgelöst hat. Im Rahmen des Projekts Stuttgart 21, das u. a. einen Komplettumbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs vorsieht, ist eine weitere Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm im Gespräch, die von den ICEs dann anstelle der Filsbahn benutzt werden würde.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Walz, Werner: Die Eisenbahn in Baden-Württemberg: Geschichte der Bahnen in Baden und Württemberg 1840 bis heute. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-87943-716-5
  • von Morlok, Georg: Die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen: Rückschau auf deren Erbauung während der Jahre 1835–1889 unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen, technischen und finanziellen Momente und Ergebnisse. 1890 (Nachdruck: Siedentop, Heidenheim 1986, ISBN 3-924305-01-3)
  • Albert Mühl, Kurt Seidel: Die Württembergischen Staatseisenbahnen. Theiss, Stuttgart und Aalen 1970 ISBN 3-8062-0032-7
  • Bernd Beck: Schwäbische Eisenbahn – Bilder von der Königlich Württembergischen Staatseisenbahn. Gebr. Metz, Tübingen 1989 ISBN 3-921580-78-1
  • Otto Supper: Die Entwicklung des Eisenbahnwesens im Königreich Württemberg. Denkschrift zum 50. Jahrestag der Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecke in Württemberg am 28. Oktober 1845. 1905 (Nachdruck: Kohlhammer, Stuttgart 1981 ISBN 3-17-005976-9)

[Bearbeiten] Weblinks

Weitere Beständekataloge abrufbar über die Beständeübersicht des Staatsarchivs Ludwigsburg

Dieser Artikel wurde in die Liste der Lesenswerten Artikel aufgenommen.

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